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Gemeinderat, 8. Sitzung vom 30.05.2011, Wörtliches Protokoll  -  Seite 57 von 59

 

Chance haben. - Das ist eigentlich ein Armutszeugnis, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Vorsitzende GRin Dr Sigrid Pilz: Zum Wort gemeldet ist Herr GR Mag Wutzlhofer. Ich erteile es ihm.

 

14.47.14

†GR Mag Jürgen Wutzlhofer (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates)|: Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Vorsitzende!

 

Zuerst, Frau Kollegin Marek, zu Ihrem ersten Beitrag. - Busch Brigitte 12. Bezirk, Camba Vladimir 21. Bezirk, Dissauer Margarete 4. Bezirk, Engelhart Atefeh 2. Bezirk. - Da sind noch eineinhalb Millionen mehr, wenn Sie mehr Namen nachlesen wollen. (Der Redner hält ein Telefonbuch von Wien in die Höhe.) Ein gutes Buch!

 

Jetzt zu Ihrem zweiten Beitrag. - Die ÖVP ist eine Traditionspartei, das ist ja bekannt. Allerdings hat sich das heute, und in bildungspolitischen Fragen ist das besonders der Fall, im schlechtesten Sinn gezeigt. Sie haben sich 100 Jahre lang nicht bewegt, und wenn, dann in diesen 100 Jahren jede Bewegung in diesem Land blockiert.

 

1922, also vor rund 90 Jahren, hat der Wiener Stadtschulratspräsident Otto Glöckel, ein Sozialdemokrat, erste Schulversuche gestartet, und zwar für eine Allgemeine Mittelschule. Damals haben die Christlichsozialen gewütet, geschrien, das Projekt massiv abgelehnt, mit dem Argument der Gleichmacherei. Das ist erstaunlich, weil heute von Frau Kollegin Marek und von Herrn Kollegen Aigner mit dem völlig gleichen Argument wieder gegen Schulmodelle für alle, gegen gemeinsame Schulmodelle gewettert wurde, Modelle, die es in ganz Europa gibt, Modelle, die mittlerweile - ich weiß, da hängt der Haussegen schief - die Wirtschaftskammer, die Industriellenvereinigung, Kollegen und Kolleginnen von Ihnen aus der Steiermark befürworten; und auch Frau Bundesministerin Karl hat, als sie noch für Wissenschaft zuständig war, gesagt und Herr Kollege Strobl hat gesagt, sie hätten gerne eine AHS für alle. Solche Modelle finden Sie, wie vor 90 Jahren - die völlig gleichen Argumente werden verwendet - noch immer schlecht, weil das Gleichmacherei sei.

 

Jetzt finde ich, dass man darauf schon ein bisschen eingehen muss. Es ist zwar verwunderlich, denn das Thema sind eigentlich Kürzungen bei den LehrerInnendienststellen, aber Frau Kollegin Marek hat noch einmal das Modell der Wiener Mittelschule schlechtgemacht. Wissen Sie, das einzig Gleiche an einem Modell wie dem der Wiener Mittelschule ist, dass allen Kindern - das ist gleich - individuell in ihrer Unterschiedlichkeit die beste Förderung zuteil wird und dass jedes Kind bessere Rahmenbedingungen vorfindet, um selbstbestimmt und nach seinen und ihren Begabungen zu lernen; und zwar gleich - das ist das Gleiche -, ob die Eltern hoch gebildet sind oder nicht, gleich, ob das Kind aus einer privilegierten Umgebung kommt oder nicht.

 

Aber so viel Individualisierung wollen Sie dann gar nicht. Sie haben eigentlich selbst, wenn man ehrlich ist, einen ziemlich gleichmacherischen Zugang. Das funktioniert so: Es reicht völlig, wenn man Kinder in oben und in unten einteilt, je nachdem, welche Elternhäuser es sind, die sie gut vorbereiten auf den Schulbeginn oder auf die erste Zäsur. Und danach müssen sie in dem von Ihnen vorgesehenen Schulsystem funktionieren - nicht umgekehrt. Es geht nicht darum, dass das Schulsystem auf die Kinder passt und sich an die Kinder anpasst, sondern die Kinder müssen in Ihr Topferl passen.

 

Und dann gibt's früh im System Gewinner, und es gibt früh im System Verlierer. Da gibt's dann leistungshomogene Lerngruppen, und dort kann man mit ein bisschen Konkurrenz weiterkommen oder eben durchhalten.

 

Jetzt glauben Sie doch nicht ehrlich, dass Leistung und Begabung mit dieser Art von Schulsystem irgendwie gefördert werden? Im Gegenteil, das hat mit Leistung überhaupt nichts zu tun! Oder können Sie mir erklären, warum es so ist, dass 77 Prozent aller Kinder aus Akademikerhaushalten, 77 Prozent aller Kinder, deren Eltern Akademiker sind, in AHS gehen und nur 12 Prozent jener Kinder, deren Eltern einen Pflichtschulabschluss haben? Die leisten nicht alle weniger! Das glaub ich nicht. Oder glauben Sie das? Glauben Sie, dass Kinder, deren Eltern einen Pflichtschulabschluss haben, alle weniger leisten, alle ein bisschen dümmer sind? - Wenn das nämlich nicht so ist, dann ist ein Systemfehler im Programm. Und der Systemfehler ist Ihr System der gleichmacherischen Zwei-Topferl-Schulpolitik.

 

Das lehnen wir ab. Wir wollen ein Schulsystem, in dem Köpfe gefördert werden und nicht Ellbogen, und zwar für alle Schüler und nicht nur für Schüler mit privilegierten Eltern. (Beifall bei der SPÖ und von GRin Dipl-Ing Sabine Gretner.)

 

Es ist schade, dass wir das auf Wiener Ebene nicht umsetzen können. Dafür bräuchte es einen mutigen Reformschritt auf Bundesebene. Und ich wünsche mir wirklich, dass sich da auf Ihrer Seite die ÖVP-Steiermark, der Walter Strobl, Ihr Wirtschaftsflügel, wer auch immer durchsetzt, nur hoffentlich nicht die ÖVP-Wien.

 

Denn, ehrlich gesagt, die Bilanz der letzten Jahrzehnte der ÖVP-Wien im Zusammenhang mit Bildungspolitik ist ein Trümmerhaufen, ein Zickzackkurs, es ist einfach schauerlich. Sie haben nicht nur gegen fortschrittliche Schulorganisation gestimmt - darüber habe ich jetzt ja geredet -, sondern Sie sind auch gegen einen Schulneubau - heute war ein Beispiel die Embelgasse, ein weiteres Beispiel ist Monte Laa.

 

Die ÖVP war am Anfang zwar für einen Gratiskindergarten, allerdings ab drei Jahren. Wir haben es ab null Jahren eingeführt, das hat Ihnen auch nicht gepasst. Frau Kollegin Marek hat, bevor sie in dieses Haus übersiedelt ist, sogar laut darüber nachgedacht, ob man den Gratiskindergarten nicht hinterfragen sollte.

 

Die ÖVP ist dagegen, dass man, wenn es eine schulpolitische Notwendigkeit dafür im Grätzel gibt, weil dort mehr Kinder sind, Container baut – was aber nur bedeutet, dass es zu wenig Schulraum in den Grätzeln gibt.

 

Die ÖVP ist verantwortlich für einen Stellenabbau unter Gehrer. Ich erinnere daran: 2005/2006 hat es in unserem Land 1 200 Lehrerdienstposten weniger gegeben als jetzt. Na komisch! Waren dafür Sozialdemokraten zu

 

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