«  1  »

 

Gemeinderat, 10. Sitzung vom 27.06.2011, Wörtliches Protokoll  -  Seite 5 von 164

 

städtischen Unternehmen aktiviert und dort Investitionsschleusen geöffnet, teils mit Mitteln der Stadt, wie bei der Sanierung der Ustrab, teils aus nachgeschärften Investbudgets der Wien Holding oder der Wiener Stadtwerke.

 

Warum war uns das möglich? Warum war uns das so schnell möglich? Weil diese Betriebe in öffentlicher Hand sind. Weil sie eben nicht privatisiert oder teilprivatisiert sind. Weil sie nicht dem Profitstreben, sondern dem Gemeinwohl, dem Wohl der Wiener und Wienerinnen, der Bekämpfung von Arbeitslosigkeit, der Aufrechterhaltung von Impulsen für Klein- und Mittelbetriebe dienen. Öffentliche Betriebe sind kein Selbstzweck. Sie sind eine Versicherung, um in der Krise handeln zu können. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Öffentliche Unternehmen genießen zu Recht das Vertrauen der BürgerInnen. Das zeigen die Versorgungssicherheit, das gute Preis-Leistungs-Verhältnis der Daseinsvorsorge in Wien. Die Italienerinnen und Italiener haben sicher nicht durch Zufall in zwei Referenden am 12. und 13. Juni 2011 ganz klar mit 96 Prozent – ich wiederhole, mit 96 Prozent – gegen eine Privatisierung der Wasserversorgung gestimmt, weil sie nicht wollen, dass ein so essenzielles Gut wie Wasser den Verwertungsinteressen von Großkonzernen geopfert wird.

 

Wir wissen auch, dass Privatisierungen etwa im Wohnbereich für die Menschen keinen Mehrwert bringen. Das Beispiel Dresden zeigt das eindrucksvoll. Hier bereut die Stadt allen vorliegenden Meldungen zufolge den Verkauf der städtischen Wohnungen schon sehr. Gerichtsverfahren und Klagen betreffend den Schutz der Mieter und Mieterinnen sind anhängig. Wien hat mit seinen 220 000 Gemeindewohnungen ein Steuerungsinstrument in der Hand, um das uns viele beneiden. Daher wird es mit dieser Stadtregierung ganz sicher keine Experimente, keine Abenteuer geben, nicht beim Wohnen, nicht bei der Energie, nicht im Nahverkehr, nicht bei der Infrastruktur, ganz sicher keine Privatisierung gegen die Interessen der Wiener und Wienerinnen! (Beifall bei der SPÖ.)

 

Sehr geehrte Damen und Herren, wenn Sie 2009, 2010 durch die Stadt gefahren sind, dann konnten Sie überall Kräne sehen, ob bei der Therme Wien in Favoriten, beim Bau der U-Bahn in der Donaustadt, bei der Realisierung des Hauptbahnhofes, an vielen anderen Orten, weil die öffentliche Hand sich zu ihren Investitionen bekannt hat, weil sie das Werkel nicht sich selbst überlassen hat. Trotzdem werden die Rufe nach mehr Privat wieder lauter. Wir wissen alle ganz genau, wozu mehr Privat unter der Regierungsform Schwarz-Blau geführt hat. Die Zeitungsspalten waren zuletzt gut gefüllt mit Geschichten über fehlgeschlagene Privatisierungen. Ein Beispiel nur: Hunderte Menschen haben zuletzt bei der Austria Tabak in Hainburg ihren Arbeitsplatz verloren. Das kann doch bitte nicht unser Ziel sein, sehr geehrte Damen und Herren! Privatisierungen sind also nicht der Weisheit letzter Schluss, schon gar nicht im Feld der Daseinsvorsorge. Das ist auch sehr vielen Menschen klar.

 

Dass die Lehren aus der Krise und entsprechende Handlungen als Reaktion auf die Krise noch nicht vollständig gezogen worden sind, wissen wir auch alle. Wir wissen, dass Rating-Agenturen noch immer völlig unkontrolliert ihre Aktivitäten entfalten. Diese Agenturen müssen kontrolliert werden, ergänzt werden durch neue Gremien der internationalen Währungs- und Finanzinstitutionen. Ich denke daher, dass die jüngste Initiative der EU-Wertpapieraufsicht ESMA sehr begrüßenswert ist, weil hier sehr klar die Rute ins Fenster gestellt wird. Das wäre nämlich ein Versagen der Zulassung im EU-Raum.

 

Wir wissen auch, dass wir eine Finanztransaktionssteuer benötigen, um einem völlig von der Realwirtschaft abgekoppelten Spekulationssystem Einhalt gebieten zu können. Ich bin sehr froh, dass der EU-Kommissionspräsident nun ganz offen für eine Finanztransaktionssteuer in der EU eintritt und einen entsprechenden Gesetzgebungsprozess auf EU-Ebene in Gang setzen wird.

 

Wir wissen auch, dass wir starke staatliche und internationale Institutionen brauchen, um Spekulationswellen, wie jene, die sich gerade gegen ganze Staaten und Währungsblöcke richten, bekämpfen zu können. Die daraus resultierenden Zins- und Zinseszinsbelastungen stürzen ganze Staaten ins Unglück, wie wir aktuell sehen. Es ist, wie jüngst Wirtschaftsforscher Stephan Schulmeister ausgedrückt hat. Die Zinsen lagen für Griechenland vor 2 Jahren bei 5 Prozent, mittlerweile liegen sie bei 18 Prozent. Das heißt, dass diese Entwicklung jegliche Sparanstrengung, so umfassend sie auch sein mag, verpuffen lässt. Die Zinsschübe ergeben sich durch ein Doppelpassspiel von Rating-Agenturen. Die einen stufen die Bonität eines Staates herunter, dann erhöhen Banken die Prämien, um eine Staatsanleihe zu besichern, dann kommen die Anleihenhändler ins Spiel, die Zinsen steigen, weil das Risiko für die betreffende Staatsanleihe gestiegen ist, dann kommt die nächste Rating-Agentur und ein Land wird noch weiter hinuntergestuft. Diesen Teufelskreis muss die Politik unbedingt durchbrechen, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

 

Wir brauchen mehr Kontrolle, mehr Vernunft und gestärkte Institutionen, also mehr Staat, damit nämlich die Märkte nicht für einige wenige funktionieren, sondern für alle.

 

Sehr geehrte Damen und Herren, die Jahre 2009 bis 2011 zeigen auch in monetärer Hinsicht den scharfen Einschnitt bei den Einnahmen und die starken Herausforderungen bei den Ausgaben in Zeiten der Krise. Ich sage es immer wieder, auch heute: Wien hat seit 2008 über eine Milliarde an gemeinwirtschaftlichen Ertragsanteilen verloren. Und das ist nur eine Einnahmenkategorie, die ich hier heranziehe. Unweigerlich hat dies angesichts der Konjunkturstützungen zu höheren Schulden geführt. Aber ich will mir gar nicht vorstellen, was geschehen wäre, hätten wir nicht durch Investitionen gegengesteuert. Finanz- und Wirtschaftspolitik ist genau dafür da, dann zu handeln, wenn die Wirtschaft und die ArbeitnehmerInnen diese Unterstützung brauchen. In der Krisensituation 2009, 2010 war das bitter nötig.

 

Wien hat die Krisensituation auch budgetär ver

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular