Gemeinderat, 10. Sitzung vom 27.06.2011, Wörtliches Protokoll - Seite 111 von 164
ten, dass es die unsichtbare Hand des Marktes war, denn es wurde ja von der neoliberalen Politik immer wieder propagiert, dass man den Markt dem Markt überlassen und dass sich die öffentliche Hand aus dem Markt zurückziehen soll.
Was ist passiert? – Derzeit sprechen wir über Griechenland, über den europäischen Rettungsschirm und über Bankenhilfen. Wer hilft diesen Banken? Wer wird alarmiert? Wo müssen sich alle Regierungsmitglieder beziehungsweise Finanzminister im europäischen Rahmen treffen? – Es sind die Vertreter der öffentlichen Hand, die für die Verursacher der Finanzkrise aufkommen müssen. Sie müssen Milliarden in die Kehle der Banken schmeißen, damit diese Finanzkrise bewältigt werden kann. Und wenn Sie die Dinge ideologisieren wollen, Herr Aigner, dann seien Sie, bitte schön, korrekt und nennen Sie die Verantwortlichen dieser Krise beim Namen! Das wäre, glaube ich, ein Schritt in die richtige Richtung!
Die eigentlichen Vorläufer dieser Finanzkrise sind durch die neoliberale Politik von Margret Thatcher und Ronald Reagan in Gang gesetzt worden. Diese Politik wurde im Verlaufe der Zeit auch durch Schwarz-Blau in Österreich gestärkt, und sehr viele Institutionen, unter anderem auch die BAWAG – wir nehmen die BAWAG aus der Kritik nicht heraus! –, haben in dasselbe Finanzsystem hineinspekuliert und jede Menge Geld verloren.
Welches System ist hier schuld? Ist es die öffentliche Hand oder sind es der Markt und der Finanzmarkt, der vor allem von Privaten betrieben wird? – Wenn Sie eine Antwort darauf haben, dann werden Sie auch unsere Probleme beziehungsweise unsere Lösungsversuche verstehen können.
Wir sind für einen regulierenden Eingriff in den Markt. Wir wollen, dass der Staat den Markt immer mehr zügelt, weil dieser Markt außer Profit nichts kennt. Und wenn man außer Profit nichts kennt, wird man auch die Situation von einkommensschwachen Familien und deren Kindern nicht verstehen. Diese sind die Verlierer dieser Finanzkrise. Das nimmt der Turbokapitalismus in Kauf. Man sagt, in dieser Gesellschaft wird es Verlierer geben. Und im besten Fall macht man dann diese Verlierer zu Sündenböcken, wie es die FPÖ immer wieder tut.
Dabei handelt es sich um die sogenannten migrantischen Kinder und migrantischen Familien, die einfach in diesem System nicht mehr bestehen können. Das sind nicht alle! Es gibt auch reiche Migranten und Migrantinnen, die von diesem Kuchen ihren Teil bekommen haben. Vielleicht machen einige Firmen, die hinter Ihnen stehen, mit denen auch Geschäfte. Ich kenne sie leider nicht! Es wäre schön, wenn Sie die einmal nennen würden!
Aber noch einmal: Wenn man hier die Schwächsten zu Sündenböcken machen und sie abstrafen will, dann entbehrt das jeder Einsicht in die Politik und in die Wirtschaft, und das ist zum Schämen, meine Damen und Herren!
Was steuert beziehungsweise tut die öffentliche Hand hier in Wien? Ich werde jetzt nicht alle Bereiche der Jugendarbeit in Wien aufzählen, das hat Kollege Peschek schon getan. Ich sage Ihnen nur – und ich habe das schon einmal hier gesagt: Wien ist im Vergleich zu anderen europäischen Städten in der Jugendarbeit sehr gut aufgestellt, angefangen von der hinausreichenden Jugendarbeit bis hin zur mobilen und zur offenen Jugendarbeit. Diesbezüglich ist Wien top aufgestellt.
Was aber geschieht bei dieser Jugendarbeit? Wessen Mist versucht diese Jugendarbeit auszumisten? Welches System steckt hinter diesen Missständen? – Ich habe vorhin versucht, Ihnen das zu erklären.
Ich möchte jetzt aber einmal aus dem Alltag eines Jugendarbeiters beziehungsweise einer Jugendarbeiterin erzählen, weil die Freiheitlichen beziehungsweise zum Teil auch manchmal die ÖVPler die Jugendarbeit als eine Säule der Sozialdemokratischen Partei Österreichs bezeichnen. Ich komme selber aus der Jugendarbeit. Ich habe 15 Jahre lang in der Jugendarbeit gearbeitet, und zwar im Integrationsbereich und auch in der mobilen Jugendarbeit. Es ist sehr wichtig, dass der Jugendarbeiter nicht nur menschliche Komponenten wie Einfühlsamkeit, sondern auch ein entsprechendes Fachwissen über sehr viele Bereiche des Lebens besitzt. Wir müssen nicht nur eine Ausbildung in der Fachhochschule oder in der Jugendleiterschule haben, sondern die Arbeit eines Jugendarbeiters besteht in immer weiterer Fortbildung, und er muss immer auf den Menschen zugehen, damit das Vertrauen dieser Personen gewonnen werden kann, und das sind Menschen, die normalerweise in ihrem Elternhaus zu hören bekommen: Setz dich nicht mit Fremden in Kontakt! – Diese Hürde zu überwinden, erfordert ein sehr starkes Bewusstsein eines Jugendarbeiters oder einer Jugendarbeiterin, damit die Jugendlichen sich gut aufgehoben fühlen und ihre Anliegen und Sorgen diesen Jugendarbeitern und Jugendarbeiterinnen anvertrauen können.
Die Stadt Wien hat erkannt, dass sich Jugendliche dann auch den Weg öffnen, sich mehr Handlungsfähigkeiten aneignen und sich auch trauen können, über ihre Grenzen hinauszugehen, in Bewerbungsgesprächen mit Firmen beziehungsweise mit Personalchefs in Kontakt zu treten und so weiter und so fort.
Sie, Herr Aichinger, haben gesagt, dass die Wirtschaft Lehrlinge braucht und keine Lehrlinge findet. Ich glaube Ihnen, dass Sie vielleicht die passenden Lehrlinge nicht finden. Aber ich kenne eine ausreichende Zahl von Jugendlichen, die mehr als 500 Bewerbungen an unterschiedliche Unternehmen schicken und keine einzige Antwort bekommen. Hier gibt es ein Problem, und wir müssen uns anschauen, warum Firmen einerseits nicht die Leute finde, die sie brauchen, und warum andererseits viele Jugendliche nicht zum Zug kommen.
Dafür kann es unterschiedliche Gründe geben. Einer dieser Gründe, meine Damen und Herren, ist, wie ich annehme, eine unbewusste beziehungsweise bewusste Ausgrenzungspolitik, wenn Menschen mit fremdländischem Namen bei einem Betrieb ansuchen. (Zwischenruf von GR Dr Wolfgang Aigner.) Hören Sie mir genau zu! Ich habe gesagt, einer dieser Gründe kann sein, dass wir in unserer Gesellschaft nach wie vor eine selektive Wahrnehmung von Lehrlingen haben, die einfach auf
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