Gemeinderat, 10. Sitzung vom 28.06.2011, Wörtliches Protokoll - Seite 18 von 113
Behindertenrechtskonvention widerspricht! Diese besagt, dass die Vertragsstaaten – und auch Österreich ist seit 2008 einer der Vertragsstaaten – gewährleisten sollen, dass Menschen mit Behinderung gleichberechtigt die Möglichkeit haben, ihren Aufenthaltsort zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben, und nicht verpflichtet sind, in besonderen Wohnformen zu leben.
Die Wiener Stadtregierung forciert jedoch bestimmte spezielle Wohnformen, ohne dafür zu sorgen, dass den Betroffenen selbst ein faires Angebot für alle Wohnformen auch mit Persönlicher Assistenz in den eigenen vier Wänden gemacht wird. Lediglich 180 Personen haben eine Pflegegeldergänzungsleistung zur Finanzierung von Persönlicher Assistenz bekommen. Ich meine, 180 Personen ist nicht wirklich die Welt, das ist einfach zu wenig!
Ich bringe ein weiteres Beispiel, wo wir immer noch Stolpersteine haben, und zwar in Sachen Barrierefreiheit. Das Beispiel betrifft den Tiefgaragenbau im Karl-Marx-Hof. Im Karl-Marx-Hof wurde im Zuge der Umbauarbeiten zur Errichtung einer Tiefgarage eine provisorische Rampe für Rollstuhlfahrer errichtet. Anstatt sich an die ÖNORM zu halten, die maximal 10 Prozent Gefälle bei einer Rampe erlaubt, wurde ein 40-prozentiges Gefälle errichtet. Dass das gefährlich ist, muss ich Ihnen nicht sagen!
Eine diesbezügliche Anfrage an die zuständige Stelle hat Folgendes ergeben: Der Magistrat hat nach Begehung des Bauplatzes am 3.9.2009 in einem Aktenvermerk festgehalten, dass die provisorische Rampe nicht den einschlägigen ÖNORMEN entspricht. Trotzdem wurde diese steile Rampe gebaut.
Die Kompetenzstelle für barrierefreies Planen, Bauen und Wohnen dient in erster Linie zur Beratung, und de facto ist diese Einrichtung zahnlos, weil sie kein Weisungsrecht gegenüber den Dienststellen des Magistrats hat. Es können lediglich Vorschläge eingebracht werden. Und dann gibt es halt Rampen für Rollstuhlfahrer, die mehr oder weniger eine Art Sprungschanzencharakter haben. Viel Spaß!
Auch immer wieder ein Thema ist die fehlende Nachmittagsbetreuung für Kinder mit Behinderung. Es gibt zwar Betreuungsangebote in Wien, jedoch werden Eltern mit behinderten Kindern immer vertröstet und bekommen sehr selten einen oder gar keinen Betreuungsplatz in dementsprechenden Einrichtungen.
Uns liegt ein Schreiben des Vereins Lobby für Kinder vom 18. Mai 2011 vor, das mittlerweile an die Frau Sozialstadträtin, an den Wiener Bürgermeister und auch an einige Gemeinderäte und die dementsprechenden Fraktionen gegangen ist. Bis dato ist man der Betroffenen, einer alleinerziehenden Mutter, die Antwort vom Stadtbüro schuldig geblieben. Wir haben heute den 28. Juni, und somit liegt das Schreiben seit einem Monat brach.
Ich denke, es kann trotz allem nicht sein, dass wir eine Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention seit 2008 haben und für behinderte Kinder ein integratives Betreuungsangebot nicht wirklich zustande bekommen! Fazit: Auch unter Rot-Grün gibt es nur Lippenbekenntnisse, was die Politik für Menschen mit Behinderung betrifft.
Wien kommt nicht weiter und man redet vollmundig immer über eine Querschnittsmaterie, schiebt aber die Verantwortung de facto immer einer anderen Geschäftsgruppe hinein.
Ich bitte Sie, nehmen Sie zur Kenntnis, dass wir nicht alles so schön und toll haben und die Märchenstunden nicht weitererzählt werden sollen, sondern schauen Sie bitte die Realität an und handeln Sie danach! Danke. (Beifall bei der ÖVP.)
Vorsitzende GRin Dr Sigrid Pilz: Zu Wort gemeldet ist Frau GRin Hebein. Ich erteile es ihr.
GRin Birgit Hebein (Grüner Klub im Rathaus): Werte Frau Vorsitzende! Werte Frau Stadträtin! Werte Abgeordnete!
Ich würde gerne beginnen, indem ich Bezug auf meine Kollegin von der SPÖ, Frau Ramskogler, nehme. Ich gebe Ihnen recht, und das muss man auch nicht madig machen, in Wien wird allerhand in der Sozialpolitik geleistet. Das stimmt, das ist ein Faktum und das abzutun als Märchenstunde mit coolen Sprüchen ist mir ein Stück weit zu wenig. Das, was aber auch stimmt, und das ist eine Herausforderung, auch eine Bewährungsprobe für Rot-Grün in der Koalition, ist, bei den bestehenden Budgetmitteln, die wir jetzt zur Verfügung haben, die Qualität im Sozialbereich aufrechtzuerhalten, und nicht nur das, sondern genauer hinzuschauen: Was gibt es denn für Entwicklungen bei den Menschen in der Stadt, die unsere Unterstützung brauchen? Wo können wir Bereiche umstrukturieren? Wo können wir investieren? Wo können wir neue Projekte schaffen, obwohl wir eine sehr beschränkte Budgetvorgabe haben? Und das wird die Herausforderung, die Bewährungsprobe jetzt auch bei den Budgetverhandlungen sein. Das ist unumstritten. Insofern freue ich mich, dass sich jetzt hier Rot-Grün überlegen kann: Wie gehen wir mit jedem einzelnen Menschen respektvoll in der Stadt um? Welche Hilfe wird benötigt und wie gehen wir es an, dass wir nicht auf Kosten von Armen sparen? Das wird hart, das wird eine Auseinandersetzung werden. Aber wir sind uns in den Zielen einig und das ist das Entscheidende. Wir sehen auch die Probleme und die Herausforderungen und wir haben hier ein gemeinsames Bewusstsein, an dem wir arbeiten, und das ist das Entscheidende.
Womit wir auch konfrontiert sind, und das ist immer eine Herausforderung, ist das mit den Oppositionsparteien, die, wie der Herr Ebinger das überspitzt sagt, herauskommen und hergehen und einmal in einem kurzen Nebensatz sagen: Die Mindestsicherung nützt nichts. Also ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, das kann nur jemand sagen, der viel Geld hat und keine Ahnung von Armut und Armutsgefährdung in dieser Stadt hat. Das finde ich ein bissel eine Spur arrogant. Und dann einfach nur hergehen und sagen, wir müssen den Missbrauch bekämpfen - wissen Sie was? Ich würde unglaublich gerne Missbrauch und Korruption bekämpfen und die gibt es überall. Aber beginnen wir nicht immer bei den Untersten, die eh schon am Boden liegen - es ist leichter dorthin zu treten -, sondern beginnen wir bei den Grassers und Meischbergers und Fionas und wie die alle heißen, weil da geht’s um Millionen. Da würde ich gerne
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