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Gemeinderat, 11. Sitzung vom 29.06.2011, Wörtliches Protokoll  -  Seite 32 von 65

 

auch im Namen Ihrer Partei mehr Glaubwürdigkeit. Aber, wie gesagt, Ihnen Herr Kollege, glaube ich das persönlich.

 

Ich möchte heute mit etwas beginnen, das für uns ein großer Erfolg ist, wo wir uns freuen können, wo ein wichtiges Vorhaben der rot-grünen Stadtregierung umgesetzt worden ist, nämlich das Rederecht für EuropaparlamentarierInnen in diesem Haus. Ich denke, es ist ein wichtiger Schritt, ein Schritt, auf den wir auch stolz sein können. Wir liegen hier weit vor dem österreichischen Nationalrat, wo das eigentlich noch viel wichtiger wäre, ein solches Rederecht umzusetzen. Was ich überhaupt nicht verstehe, ist, dass es das dort immer noch nicht gibt. Es gibt eine Einigung aller fünf Parteien aus der Legislaturperiode 2006 bis 2008, ein solches Rederecht einzuführen, damals mit dem Zweiten Nationalratspräsidenten und heutigen ÖVP-Obmann Spindelegger. Ich verstehe überhaupt nicht, dass sich der Nationalrat weigert, der Europapolitik den Stellenwert zukommen zu lassen, der ihr eigentlich gebührt. Aber vielleicht hat Wien mit dem Rederecht, das die rot-grüne Koalition heute in Wien beschließt (GR Mag Wolfgang Jung: Wir beschließen das nicht?), eine Art Katalysatorwirkung auf den Nationalrat, aber zum Beispiel auch auf andere Landtage. Denn Wien ist auch hier einen Schritt weitergegangen und hat das umfassendste Rederecht für EuropaparlamentarierInnen, das es in Österreich gibt. Es gibt Ansätze dazu in Oberösterreich. Es gibt Ansätze in der Steiermark. Diese sind aber wesentlich beschränkter, zum Teil nur auf ein Rederecht in Ausschüssen beschränkt, zum Teil nur auf Berichte der Landesregierung beschränkt. Wien geht hier eindeutig weiter. Das ist gut so, denn ich denke, der direkte Austausch des Gemeinderates, der kommunalen Ebene, mit Europa wird immer wichtiger. Das hat Herr Kollege Tschirf auch ganz richtig angesprochen.

 

Europa ist für Wien mittlerweile von entscheidender Bedeutung. Die Ebenen können nicht mehr, dürfen nicht mehr voneinander getrennt werden. Rahmenbedingungen für Städte werden heute nicht mehr in Gemeinderäten, in Landtagen und auch nicht mehr in nationalen Parlamenten entschieden. Sie werden in der EU-Kommission, in EU-Ministerräten und auch zunehmend mit dem Lissabon-Vertrag, und das ist gut so, vom Europäischen Parlament entschieden. Denken wir nur an den großen Stellenwert, den Europa diesmal in der Rechnungsabschlussdebatte hat. Denn allein die Rahmenbedingungen für ein Budgetdefizit, Schuldengrenzen für die nationale Ebene, beeinflussen die kommunale Ebene massiv. Wir haben von der Erbringung öffentlicher Dienstleistungen, Wettbewerbsrecht, Beihilfenrecht, Vergabeverfahren im Rechnungsabschluss gesprochen. All das wird massiv nicht nur beeinflusst, sondern die Weichen dafür, welche Handlungsspielräume wir in Wien überhaupt haben, werden in Europa gestellt. Deshalb ist es sehr wichtig, dass sich die kommunale Ebene direkt mit EuropapolitkerInnen, die auch entsprechende Expertisen aus ihrer fachlichen Praxis einbringen, austauscht.

 

Ich persönlich freue mich schon sehr auf den Austausch mit unseren österreichischen EU-Abgeordneten. Es gibt derzeit 17 davon. Ich denke, es sitzen auch etliche davon in sehr interessanten Ausschüssen, die sich mit sehr aktuellen und, wie ich vorhin schon angesprochen habe, für Wien wichtigen Themen befassen, Evelyn Regner zum Thema Beschäftigung, Ulrike Lunacek, Ausschuss für die Rechte der Frau und Minderheiten, Othmar Karas sitzt im Sonderausschuss für die Finanzkrise und ist sicher auch ein entsprechend interessanter Ansprechpartner, Eva Lichtenberger, Karin Kadenbach und, und, und. Ich denke, das wird ein interessanter Austausch. Wir haben mit dem neuen § 12b festgelegt, wir ändern unsere Geschäftsordnung, dass die Einladung der EuropaparlamentarierInnen durch den/die Gemeinderatsvorsitzende/n nach Beschluss der Präsidiale oder auf Vorschlag des neu geschaffenen Ausschusses für europäische und internationale Angelegenheiten erfolgt. Das war uns sehr wichtig, weil wir auch dort die direkte Debatte führen wollen. Ich denke, wir könnten uns überlegen, eventuell auch dort ein Rederecht für die EuropaparlamentarierInnen einzuführen, aber wesentlicher ist es natürlich hier im Gemeinderat.

 

Ich denke auch, dass es wichtig ist, und das haben wir gemeinsam mit der Sozialdemokratie so vereinbart, dass jede Fraktion in diesem Haus auch das Nominierungsrecht hat, hier Vorschläge zu machen, wer denn von den österreichischen EU-ParlamentarierInnen eingeladen wird. Aber, wie gesagt, das wird auf Einladung des/der Vorsitzenden erfolgen. Ich denke, dass diese Regelung auch sicherstellt, dass das Rederecht der EuropaparlamentarierInnen hier nicht – ich sage es einmal unter Anführungszeichen – überstrapaziert wird, aber auch, dass es nicht zu exzessivem politischen Populismus genützt wird.

 

Wir wollen uns mit diesem Rederecht, und das ist uns sehr wichtig, mit dem Europaparlament, das immer mehr und mehr Rechte hat, allgemein hier austauschen. Es kann jetzt zum Beispiel auch die Änderung von Grundlagenverträgen direkt anstoßen, was im Hinblick auf eine Neuformulierung des Lissabon-Vertrages nicht uninteressant wäre. Wir wollen die laufenden europäischen Debatten näher zu den Bürgern und Bürgerinnen bringen.

 

Der Herr Kollege Tschirf hat die Europaskepsis schon angesprochen. Bei breiten Teilen der Bevölkerung ist diese europaweit, nicht nur in Österreich, wo die Zahlen immer schlecht waren, so groß wie nie. Vor allem die Europaskepsis oder auch Ablehnung der Jugendlichen sollte uns alarmieren. Es braucht dringend eine Stärkung der Demokratie in Europa. Das Rederecht soll auch dazu beitragen, denn die derzeitige Performance der EU ist katastrophal. Ich glaube, man kann es nicht anders sagen. Die europäischen Institutionen sind zunehmend diskreditiert, das Europäische Parlament noch weniger, weil es bisher doch oft ein recht eindrucksvolles Korrektiv zu Entscheidungen des Ministerrats oder auch, was Vorlagen der Kommission im Sozialbereich, im Umweltbereich, in demokratiepolitischen Fragen, zum Beispiel europäische Beschäftigungsinitiative, betrifft, war. Das heißt, auch hier ist es umso wichtiger, dass wir uns direkt mit dem Europäischen Parlament auseinandersetzen

 

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