Gemeinderat, 11. Sitzung vom 29.06.2011, Wörtliches Protokoll - Seite 31 von 65
Mehrheit in Städten und eine noch größere Mehrheit in den Städten und ihren Umgebungen lebt. Das heißt, dem städtischen Raum ist entsprechende Bedeutung einzuräumen.
Es gilt auch, dass Österreich im Umgang mit beispielsweise den Ländern des Balkans und Osteuropas eine ganz besondere Erfahrung hat. Das ist eine Erfahrung, die wir für Europa einbringen können, die die Europäer wahrscheinlich sogar brauchen werden, nämlich in der Bewältigung der Herausforderung gegenüber dem Norden Afrikas.
Unsere Erfahrung besteht darin, dass wir immer ein Punkt waren, wo die Welt zusammengekommen ist, wo Religionen und Kulturen miteinander reden konnten. Das gilt es auszubauen. Da ist auch durchaus in den letzten Jahren manches verloren gegangen. Wann war der letzte Gipfel in Wien? Wann waren die letzten großen Ereignisse? Auch in diese Richtung sollten wir politisch viel stärker hinwirken.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sollten aber auch nachdenken, wie wir 20 Jahre nach Fall des Eisernen Vorhangs politisch viel stärker diese Region zusammenführen. Ich weiß, auf der Expertenebene – und in der Wirtschaft natürlich noch viel weiter – ist diese Region längst zusammengewachsen.
Warum soll es nicht, so wie es die gemeinsamen Landtagssitzungen gibt, wo Südtirol, Trentino, Nordtirol, manchmal auch Vorarlberg, beisammen sind, auch gemeinsame Landtagssitzungen geben, an denen der Wiener Landtag, der niederösterreichische Landtag, die Region um Bratislava, die Region um Győr und die Region um Brünn zusammenkommen? Warum sollten nicht auch entsprechende Aktivitäten unter Einbeziehung der Bezirke stattfinden?
Es gibt exzellente, tolle Einzelbeispiele dafür, was in einzelnen Wiener Bezirken geschieht, und ich weiß auch, was sich gerade auf der Expertenebene abspielt; aber wir sollten einen Beitrag dazu leisten, dass dieses Europa eines ist, das wir mittragen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir brauchen ein starkes Europa. Das sage ich ganz, ganz deutlich. Das heißt nicht, dass dieses Europa nicht verbesserungswürdig wäre, das ist es. Wir brauchen dieses starke Europa, damit wir gerade aus der Situation von Wien und Österreich heraus für die Zukunft, für die nächsten Generationen etwas schaffen.
Wenn man die Europadeklaration des Jahres 1994 hernimmt, sieht man, was alles gelungen ist. Wenn man zurückgeht und sich ansieht, was gedacht wurde, beispielsweise 1968, als die Sowjetunion und die Warschauer-Pakt-Mächte in die Tschechoslowakei einmarschiert sind, und was gerade auch von Politikern der ÖVP wie Erhard Busek und Alois Mock in den 80er Jahren geschehen ist, nämlich hinsichtlich der Unterstützung der Dissidenten in Polen und so weiter – das war eigentlich ein wichtiger Beitrag und eine Vorraussetzung dafür, dass wir in Osteuropa nach 1989 einen Beitrag zur Freiheit leisten konnten.
Es gibt Gegenden in der Welt, wo wir auch heute einen Beitrag dazu leisten können, dass dieser Gedanke des Friedens und des Wohlstandes, den es in Europa gibt, weitergegeben wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hoffe, dass es öfter solche Diskussionen über Europa gibt. Ich begrüße es sehr – und habe dazu auch schon Anträge eingebracht –, dass die Mitglieder des Europäischen Parlaments hier reden können. Das ist gut so. Wir sollten jede Gelegenheit nutzen, um das entsprechend zusammenzubringen.
Es ist auch notwendig, dass wir den dauernden Dialog mit dem Rat und der Kommission in Europa führen, weil das eine mit dem anderen zusammenhängt, weil die Entscheidungen, die uns betreffen, teilweise in Brüssel getroffen werden.
Aber es gilt, dass wir das auch vermitteln. Es geht darum, dass Europa ein Europa der Bürgerinnen und Bürger sein muss. Dann werden wir eine Chance haben. Dann wird die Krise, in der sich Europa derzeit befindet, eine wichtige Chance sein, damit Europa in der Welt eine andere Rolle spielt, damit die nächste Generation die Möglichkeiten hat, die wir haben können, um in dieser Welt zu bestehen. (Beifall bei der ÖVP.)
Vorsitzender GR Mag Thomas Reindl: Zu Wort gemeldet ist Frau GRin Dr Vana. Ich erteile ihr das Wort.
GRin Dr Monika Vana (Grüner Klub im Rathaus): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Berichterstatter!
Herr Kollege Tschirf, ich begrüße sehr Ihre Worte, die Sie gefunden haben, dass Europa nicht ins 19. Jahrhundert zurückfallen soll, in den Nationalismus, in die Geheimpolitik ohne nennenswerte Mitsprache von Parlamenten.
Selbstverständlich, dafür stehen wir auch. Ich glaube Ihnen das auch, Herr Kollege, wenn Sie zuhören, was Sie hier über das Europa, das Sie sich vorstellen, das Europa der Bürger und Bürgerinnen, ein modernes, weltoffenes Europa, sagen. Es ist aber schon eine Tatsache, und ich will das zu Beginn nur kurz anmerken, dass gerade Ihre Partei und Ihre Bewegung, sage ich einmal, die Sie unterstützen, die Europäische Volkspartei, die Neoliberalen und die Konservativen, dafür Verantwortung tragen, dass wir heute da stehen, wo wir stehen, dass die wirtschaftliche Krise zu einer politischen Krise wird. (StR Mag Wolfgang Gerstl schüttelt verneinend den Kopf.) – Doch, doch, doch! Sie schütteln den Kopf, weil Sie es nicht gerne hören in Ihren salbungsvollen Worten.
Gerade jetzt drohen wir mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus, den wir in diesem Haus schon ausführlich debattiert haben, der genauso eine Geheimpolitik der nationalen Staaten hinter verschlossenen Türen, ohne Mitwirkung des Europaparlaments, geschweige denn der Bürger und Bürgerinnen, ist, wieder ins 19. Jahrhundert zurückzufallen. Wenn Sie für einen Richtungswechsel, eine andere, nachhaltige Wirtschaftspolitik sind, und es gibt hier einige Initiativen, auch von Grünen und SozialdemokratInnen auf Europaparlamentsebene – dazu komme ich später –, glaubwürdig mit uns kämpfen würden, denn das wäre es wert, dann hätten Ihre Worte
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