Gemeinderat,
13. Sitzung vom 29.09.2011, Wörtliches Protokoll -
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politik
gibt, sondern schon viel länger. Daher möchte ich ein bisschen einen Blick in
die Vergangenheit machen. Der Kollege Gerhard Spitzer, der nach mir spricht,
wird dann einen Blick in die Zukunft machen.
In
den 60er und 50er Jahren war es ein weltweiter Trend, dass die Straßen
autogerecht gebaut worden sind. Aber damals gab es keine Bevorzugung mancher
oder aller Straßenbenützer, denn da gab es keine parkenden Autos, sondern die
damals wenigen Autos und die Fahrräder sind in beide Richtungen gefahren. Erst
als der PKW-Bestand in Wien zugenommen hat, war es dann notwendig, um
Parkplätze zu schaffen - und ich bekenne mich zum Schaffen der Parkplätze -,
Einbahnen zu machen, natürlich auch zum Nachteil der Radfahrer, die vorher in
beide Richtungen fahren konnten und das dann nicht mehr haben machen dürfen.
Dass wir jetzt verstärkt das Radfahren gegen die Einbahn einführen oder schon
eingeführt haben, ist einfach eine Wiederherstellung der Chancengleichheit.
Also es ist keine Bevorzugung der Radfahrer, sondern es ist einfach die Wiederherstellung
des Zustandes, den wir in den 50er, 60er und 70er Jahren gehabt haben. Im Jahr
2010 waren es bereits 700 000 Kraftfahrzeuge. Gegenüber dem Jahr 1970 war
das eine Steigerung um das 3,5-Fache.
Radfahren
gegen die Einbahn: Dazu wird ja heute noch ein Antrag eingebracht werden. Kollege
Chorherr hat ausführlich begründet, warum das eine gute und sichere Maßnahme
ist.
Eine
zusätzliche gute Maßnahme für den innerstädtischen Bereich, weil man Straßen
nicht aufblasen kann, ist die Schaffung von Mehrzweckstreifen. Auch hier gilt
eine ähnliche Breitenrelation, man sagt im Allgemeinen, 2,5 m breit sollte
die Fahrbahn für die normalen zweispurigen Fahrzeuge und 1,5 m breit für
die Fahrräder sein. Die beiden können sich aneinander vorbeibewegen, und die
Autofahrer dürfen sogar legal die Radfahrer überholen. Das dürfen sie nämlich
auf normalen Straßen nicht, weil man - das lernt jeder in der Fahrschule -
einen Sicherheitsabstand von 1 m einhalten muss. Das heißt, auf einer
normalen Fahrbahnbreite von 3,5 m dürfte ein Autofahrer einen Radfahrer gar
nicht überholen. Daher ist auch die Schaffung von Mehrzweckstreifen eine gute
Maßnahme, nicht nur für den Radverkehr, sondern auch für den Autoverkehr.
Kollege
Chorherr hat schon gesagt, die Erfolgs-Story ist eine lange, und dem füge ich
hinzu: Sie reicht 30 Jahre zurück, nämlich am 29. April 1980 - ich habe nachgeschaut
- haben wir hier im Gemeinderat eine Trendumkehr beschlossen. 1970 hatten wir
in Wien 11 km Radnetz, 1986 waren es 168 km Radnetz - das war bereits
eine Verfünfzehnfachung -, und derzeit beträgt das Radnetz in Wien
1 185 km, das ist eine Verhundertfachung zum Jahr 1970.
Es
gibt in der Zwischenzeit auch zahlreiche Citybike-Anlagen, es sind jetzt
bereits 60. Ich bin ganz stolz darauf, dass wir bei uns im 9. Bezirk so
viele haben, dass wir sagen können: Nicht mehr als 300 oder 400 m Abstand
liegen zwischen diesen Citybike-Anlagen.
Die
Zeit läuft mir leider davon, aber ich möchte noch Folgendes hinzufügen: Wir
haben im 9. Bezirk schon seit 1997 - da waren wir Radweg-Musterbezirk – 50 Prozent
der Einbahnen für den Radverkehr, fürs Radfahren gegen die Einbahn geöffnet,
und es gab überhaupt keine Unfälle. Ich freue mich, dass es in Wien jetzt 20 Prozent
sind, und zwar auch steigend, ich glaube, wir sind schon bei 21 Prozent.
Abschließend
möchte ich nur noch sagen, es ist ja interessant, dass sich die FPÖ so sehr mit
dem Radfahren, mit dem Verkehr überhaupt beschäftigt. Es gab in Österreich
einen einzigen Vorsitzenden einer Partei, der als betrunkener Verkehrsrowdy in
die Geschichte eingegangen ist: Das war der FPÖ-Obmann Jörg Haider! Betrunkener
Verkehrsrowdy: Da kann man sich dann vorstellen, was das überhaupt für ein
Klima oder Stil in der FPÖ ist. Ich glaube, das sind Phantomschmerzen, dass man
sich da jetzt so sehr mit dem Verkehr in ganz seltsamer Weise beschäftigt. -
Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Vorsitzender
GR Mag Thomas Reindl: Als
nächster Redner hat sich Herr GR Dr Aigner gemeldet. - Bitte. (GR Mag Wolfgang
Jung, in Richtung SPÖ: Das war Ihr Klubobmann ... - GR Mag Dietbert Kowarik:
Letztklassig!)
GR Dr Wolfgang Aigner (Klubungebundener Mandatar): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen
und Herren! Herr Kollege Lindenmayr!
Ich
halte es schon für einigermaßen geschmacklos, wenn ein Mensch, der bei einem
Autounfall sein Leben verloren hat - ob betrunken oder nicht, es ist tragisch
genug - hier von Ihnen dann noch in so ein Licht gesetzt wird. Ich glaube, das
haben Sie nicht notwendig, und das hat der Gemeinderat in Wien nicht notwendig,
so zu argumentieren. (Beifall bei der
FPÖ.)
Meine
Damen und Herren! Wie ein grüner Faden zieht sich die grüne Gesellschaftspolitik
durch, und leider Gottes wird die Verkehrspolitik immer mehr auch zur
Gesellschaftspolitik - ein eher problematischer Ansatz: das gegeneinander Ausspielen
verschiedenster Menschengruppen! Sie blenden völlig aus, meine Damen und
Herren, dass ja jeder von uns in vielfältiger Weise am Verkehr teilnimmt, einmal
als Autofahrer, einmal als Fußgänger, dann ab und zu als Radfahrer und als Benützer
von öffentlichen Verkehrsmitteln. Das heißt, den Konflikt, den Sie da heraufprojizieren,
hat dann jeder auch in sich selbst stehen.
Es
kann überhaupt nicht sein, dass die GRÜNEN sich herausnehmen, zu sagen, was gut
und was böse ist! Wir kennen das: die bösen Reichen, die guten Armen; wer reich
und wer arm ist, das bestimmen auch Sie. Jetzt sind eben die Autofahrer dran.
Dass der Radfahrverkehr ausgebaut gehört, das steht ja hier völlig außer Frage.
Der Radfahrverkehr ist auch schon lange, bevor Sie in dieses Haus eingezogen
sind, ausgebaut worden. Die Frage ist nur: Auf welche Art und Weise geschieht
das Ganze? Ihr Bezugssystem ist einfach das: Es gibt die guten Radfahrer,
teilweise auch durchaus militante Radfahrer, und alle anderen sind böse.
Ihr
Verständnis von direkter Demokratie haben Sie heute auch kundgetan. Auf einmal
gibt es da nicht die direkte Demokratie, sondern eine eher obskure partizipative
Demokratie: unverbindliche Bürgerversammlungen,
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