Gemeinderat, 14. Sitzung vom 21.10.2011, Wörtliches Protokoll - Seite 20 von 51
systematischen Misshandlungen und Vergewaltigungen zugedeckt haben. Sie müssen zur Verantwortung gezogen werden, und erst gestern haben wir eine andere Anzeige wegen der ungeklärten Todesfälle eingebracht, weil da verschwanden plötzlich Mädchen. Da gab es eine Zeugin, die sagt, dass damals ein achtjähriges Mädchen in der Klasse von der Lehrerin totgeschlagen, totgetreten wurde, und dem muss auf den Grund gegangen werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Mord verjährt nicht und eines muss klar sein: In Zukunft müssen wir in Österreich schauen, dass es noch härtere Strafen für Kinderschänder gibt und dass solche Taten auf keinen Fall verjähren können, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)
Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik: Für weitere Wortmeldungen bringe ich in Erinnerung, dass sich die Damen und Herren des Gemeinderates nur ein Mal zu Wort melden dürfen und ihre Redezeit mit fünf Minuten begrenzt ist. Als nächster Redner hat sich Herr GR Dr Ulm gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.
GR Dr Wolfgang Ulm (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Wenn ein Krimineller ein Verbrechen begeht, dann liegt das an seiner persönlichen kriminellen Energie, die Politik trifft daran keine Schuld. Wenn ein Täter böse handelt, dann tut er das auf Grund seiner freien Entscheidung und aus seinem freien Willen, die Politik trifft daran keine Schuld. Wenn ein Mensch herzlos handelt, dann liegt das daran, dass er sein Gewissen nicht richtig gebildet hat, die Politik trifft daran keine Schuld.
An den entsetzlichen Taten in den Kinderheimen der Stadt Wien trifft die Politik aber eine Schuld, sogar eine große Schuld. Es waren nämlich nicht nur einzelne Menschen, die kriminell, böse und herzlos waren, in den Kinderheimen herrschte strukturelle Gewalt.
Irmtraut Karlsson hat uns gesagt, dass die Heime Kindergefängnisse waren und dass die Gewalt System gehabt hat. StR Oxonitsch hat uns vorgestern im Ö1-Morgenjournal gesagt, dass die Erziehungstradition des Dritten Reiches fortgesetzt wurde. Die furchtbaren Vorkommnisse geschahen in den 70er Jahren.
Sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ, Ihre Partei hat eine Erziehungstradition des Nationalsozialismus fortgesetzt, 30 Jahre lang, dafür trägt die SPÖ die Schuld, eine große Schuld.
Irmtraut Karlsson hat in ihrer Untersuchung festgestellt, dass nur 11 von 34 Kinderheimen entsprochen haben. 14 waren Kindergefängnisse mit systematischer Gewalt, Demütigung und Unterwerfung. Ihr Bericht 1974 wurde von Verwaltung und Politik zensuriert, sie durfte die Heime nicht beim Namen nennen, sie wurde als Nestbeschmutzerin bezeichnet, ihre Karriere als Beamtin der Stadt Wien war beendet.
Was ist nach dem Bericht in den Kinderheimen passiert? Nichts. Jahrelang nichts, betroffene Kinderheime wurden erst 1977 geschlossen.
Frau Karlsson sagt, man konnte die pragmatisierten Beamten nicht entfernen, man wusste nicht, wohin mit ihnen, sie habe die Trägheit des Systems schwer unterschätzt.
Was war das damals für eine Zeit in den 70er Jahren? War das eine ganz andere Zeit, ist sie uns ganz fern? Das war die Zeit eines Bruno Kreisky, eines Leopold Gratz, einer Maria Jacobi und einer Gertrude Fröhlich-Sandner. Ich kenne keine dieser Personen persönlich und ich gehe davon aus, dass sie weder systematische Gewalt noch Erziehungsmethoden des Dritten Reiches wollten. Gegeben hat es das alles aber trotzdem, und für den Widerspruch zwischen Wunsch und Realität, für die Trägheit des Systems, sind die Politiker und die Politik verantwortlich.
Kein Politiker von heute kann etwas für die Verbrechen in den Kinderheimen in den 70er Jahren, aber eine Partei von heute kann etwas dafür, die SPÖ. Sie hat damals die Verantwortung getragen und sie trägt die Verantwortung auch noch heute.
Sehr geehrte Damen und Herren von der SPÖ, die politische Verantwortung für die entsetzlichen Taten in den Kinderheimen der Stadt Wien nimmt Ihrer Partei niemand ab. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik: Als nächste Rednerin hat sich Frau GRin Hebein gemeldet. Ich erteile ihr das Wort.
GRin Birgit Hebein (Grüner Klub im Rathaus): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Gäste!
Es fällt mir schwer, sachlich zu bleiben, weil offensichtlich wird dennoch versucht, auf dem Rücken der Opfer politisches Kleingeld zu lukrieren. Ich lege es kurz auf die Seite und gehe nicht auf die Vorredner ein, sondern sage das, was ich in der Früh gesagt habe: Das Allerwichtigste, was wir jetzt machen müssen, was in unserer Verantwortung liegt, ist, restlos, schonungslos aufzuklären, was passiert ist, und wie konnte es passieren. Da stehen wir in der Verantwortung der Opfer, daher ist die Untersuchungskommission, die unabhängige Untersuchungskommission die jetzt eingerichtet wird, ein richtiger Schritt, ein wichtiges Signal an die Opfer, dass wir hier Verantwortung übernehmen wollen und übernehmen werden. Das ist das Entscheidende. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Dazu gehört nicht die Frage, ob hier Parteienvertreter drinnensitzen. Nein, es geht um die Unabhängigkeit von Experten und Expertinnen, die nicht nur Einzelschicksale aufdecken sollen, aufklären sollen, jedem Hinweis nachgehen sollen, sondern auch klären müssen, wie die Einrichtungen mit dieser strukturellen Gewalt umgegangen sind, die auch aufklären, wie die gesellschaftspolitischen Zusammenhänge damals waren, die Vorschläge zur Entschädigung machen müssen, aber auch Vorschläge zur Prävention, damit es nicht wieder passiert. Das ist der wichtige Schritt.
Das Zweite, was sehr entscheidend ist: Machen wir nicht die Fehler, wiederholen wir nicht die Fehler von früher. Wir haben, und das rufe ich in Erinnerung, vor eineinhalb Jahren auch eine Diskussion über Missbrauch an Kindern und Jugendlichen geführt. Damals waren die
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