Gemeinderat, 15. Sitzung vom 21.11.2011, Wörtliches Protokoll - Seite 38 von 150
hat. Das heißt also, die „NZZ", die „Neue Zürcher Zeitung" hat vielleicht nicht unrecht, wenn gesagt wird: „Österreich" und, in Klammer, Wien „will nicht sparen". Das ist eigentlich eine Haltung, die ich als unverantwortlich betrachte angesichts dessen, dass wir am Vorabend der vielleicht dräuenden Krise des Euro stehen, von der wir uns noch gar nichts vorstellen können und der wir vorbeugen müssten mit den Mitteln, die uns gegeben sind.
Die Eurokrise hat bisher eine erschreckende Entwicklung genommen und ist nicht zuletzt auf eine falsche Weichenstellung zurückzuführen. Den Versuch zu machen, eine Währung aus dem Boden zu stampfen zwecks Herbeiführung der Einigung Europas, ohne dafür Sorge zu tragen, dass Gleiches mit Gleichem verbunden wird, ist etwas, was letzten Endes scheitern muss! Der Euro ist einzig und allein eine Schönwetterwährung und hat sonst offensichtlich keine Aufgabe. Wie es ausschaut, wird die erste Krise ihm mächtig zusetzen.
Wie die Dinge weitergehen werden, wissen wir nicht. Alle drei, vier Wochen machen die diversen Regierungen in der EU einen Vorschlag für eine neue Methode der Eurorettung, es werden neue Lösungen angedacht. Alles in allem hat das noch nie auch nur irgendetwas gebracht - außer einer massiven Geldvernichtung! Damit ist der Euro eine Geldvernichtungsmaschine, und das ist eine bedauerliche Angelegenheit.
Wenn man die Entwicklung als solche anschaut, muss man ja sagen: Ende 2009 beginnt es damit, dass die griechische Regierung erklärt, dass sie die Neuverschuldung viel höher ansetzen muss. Die EU ist einigermaßen schockiert, sie handelt nicht. Es wird dann erst im Mai ein erstes Griechenland-Hilfspaket mit 110 Milliarden EUR gestartet, wobei sich die europäischen Staaten mit 80 Milliarden EUR daran beteiligen, und es wird verlangt, dass Griechenland sein Defizit von 13,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes bis Ende 2011, also bis jetzt, auf 3,6 Prozent senken müsste.
Das ist eine erheiternde Feststellung, wenn man die Dinge heute weiß. Das Geld wurde verschleudert, ohne jedes Ergebnis!
Wir haben dann im Mai die Feststellung, das Beschließen eines Rettungsfonds mit 750 Millionen EUR. Dieser Rettungsfonds ist seitens der Europäischen Zentralbank verbunden worden mit dem Kauf von Staatsanleihen, und das war der Sündenfall schlechthin! Dieser Kauf der Staatsanleihen ist ein Verstoß gegen die Verfassung der EU und ist ein Verstoß gegen das Bail-out-Verbot, das immer festgesetzt wurde. Die Europäische Union und die Eurozone wandeln sich somit in eine praktisch handlungsunfähige Institution, in der nur mehr mit den Schulden anderer Staaten gehandelt werden wird.
Dann kommt Irland dran, als erstes Land geht es unter den Eurorettungsschirm. Weiters verzichtet im Februar 2011 der Präsident der Deutschen Bundesbank, Axel Weber, auf den Chefposten der Europäischen Zentralbank, weil er diese Politik nicht mehr mitmachen will. Übrigens hat kurz darauf, vor einiger Zeit eben, der Chefvolkswirt Jürgen Stark ebenfalls das Handtuch geworfen, genau wegen dieser Verstöße gegen die Rechtsordnung der europäischen Institutionen.
Dann kommt der Europäische Stabilitätsmechanismus, wird beschlossen im März 2011. Der bisherige Rettungsschirm EFSF wird weiterlaufen, wird massiv aufgeblasen in der letzten Zeit, man spricht von einer Hebelung. Hebelung bedeutet, dass auf einmal statt 700 Milliarden EUR durch versicherungstechnische Tricks eine Summe von 1 Billion bis 2 Billionen EUR erreichbar wäre - eine Vorgangsweise, die Europa, die europäischen Staaten und ganze Generationen auf Jahrzehnte verschulden wird!
Dieser ESM ist übrigens eine unglaubliche Konstruktion. Man muss feststellen, dass hier selbstverständlich klare Verstöße gegen Grundsätze der Demokratie stattfinden! Man kann das nicht genug hervorheben.
Dieser ESM hat einmal, wie gesagt, 700 Millionen EUR Ausstattungskapital; es wird mehr werden, wir brauchen uns keine Sorgen darüber zu machen. Aber die EU-Staaten haben keine Akteneinsicht, die EU-Staaten haben keine Kontrolle, und es verfügen darüber nur nicht gewählte, wieder einmal ernannte Akteure des ESM, eben der Gouverneursrat. Die ESM-Mitglieder, also unsere Staaten, unsere Gebietskörperschaften, werden unwiderruflich und bedingungslos verpflichtet, bei Anforderung dem an sie gerichteten Kapitalabruf binnen sieben Tagen nach Erhalt dieser Anforderung nachzukommen.
Das heißt, die EU-Mitgliedstaaten können verpflichtet werden zu zahlen, ohne mitreden zu können, und der ESM kann sein Grundkapital auf jede Höhe aufstocken. Das wird selbstverständlich sämtliche Gebietskörperschaften der Republik Österreich, aber auch Wien, irgendwann massiv treffen. (Beifall bei der FPÖ.)
Die Einschaltung von Gerichten oder aber die Ablehnung durch Regierungen haben keine Wirkung mehr, wenn der Vertrag einmal unterschrieben ist. Sozusagen abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass der Gipfel davon ist, dass alle Gouverneursratsmitglieder und alle, die damit im Zusammenhang stehen, in jeder Hinsicht Immunität vor der Gerichtsbarkeit haben. Sie können nicht belangt werden. Die Behörde kann aber Österreich und die anderen EU-Staaten – und natürlich auch Wien, wenn es notwendig ist – klagen, muss sich aber selbst nicht auf der Anklagebank verantworten. – Das heißt also, der Staatshaushalt der europäischen Staaten und Gebietskörperschaften wird einer nicht gewählten, durch das Volk nicht legitimierten Institution in die Hand gegeben.
Des Weiteren – und das ist genauso schlimm –:Der provisorische Rettungsfonds EFSF hat von sich aus bis jetzt keinen Zugang zu den Mitteln der EZB, sehr wohl aber sein Nachfolger, der ESM, der Stabilitätsmechanismus. Das heißt, es wird für die Notenbanken schwierig sein, sich dagegen zu wehren, und man kann davon ausgehen, dass der Begriff Unabhängigkeit mit Sicherheit verloren ist, keine Frage!
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