Gemeinderat, 15. Sitzung vom 21.11.2011, Wörtliches Protokoll - Seite 60 von 150
nur hoffen, Zeit zu gewinnen!
Diese schwierigen Zeiten, das sage ich Ihnen auch schon jetzt, werden die Einbindung der Opposition verlangen. Im Parlament sehen Sie heute schon, wie sie raufen, weil sie ohne Opposition nicht mehr zu Rande kommen, und es wird auch hier notwendig sein, sehr harte und schmerzvolle Maßnahmen zu setzen. Das trauen Sie sich jetzt noch nicht. Aber Sie werden die Opposition brauchen. Was die Opposition aber schon im Voraus verlangen kann, ist zumindest eine Einbindung bei der Information, und genau das tun Sie nicht.
Die Diskussion über Europa in diesem Haus ist Ihnen unangenehm, weil Ihre Argumentationslinien wie Kartenhäuser zusammenbrechen! Deshalb ist das hier auch kein eigener Debattenpunkt. Im Vorjahr haben Sie das damit begründet, dass es zum Zeitpunkt der Budgetdebatte den Ausschuss noch nicht gab. Damals war er noch eine Kommission. Er war allerdings schon beschlossen. Ich möchte wissen, welche Begründung Sie diesmal finden werden! Ich habe schon verschiedenes gehört, wir werden einmal sehen, was Sie als Begründung dafür aufbringen! Offenbar ist Ihnen Brüssel hier auf einmal keine Debatte mehr wert.
Jetzt lese ich Ihnen vor, was Bgm Häupl gesagt hat, als er noch ein großer Europäer war, und zwar aus Anlass eines Jubiläums des Verbindungsbüros: „Aktuelle und künftige Themen für die Arbeit sind zur Zeit die Implementierung der EU-Donauraumstrategie, die Stärkung der städtischen Dimensionen auf europäischer Ebene,“ – wir sind gerade dabei, sie zu stärken – „die Beschäftigung mit der Europa-2020-Strategie,“ – haben Sie schon einmal großartig davon gehört? - „deren Ziel auch für Wien für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit und die Aufrechterhaltung der Errungenschaften des sozialen Zusammenhaltes von grundlegender Bedeutung sind.“ – So der Bürgermeister.
Und dann kommt es: „Energieeffizienz und Klimaschutzziele gewinnen in der EU zunehmend an Bedeutung, auch für viele Ebenen der Stadtverwaltung und die kommunalen Unternehmen.“
Sind all das nur leere Phrasen für die Öffentlichkeit, oder sollte man damit nicht auch den Landtag und Gemeinderat stärker befassen? Aber Europa ist bei den ehemaligen Eurovorreitern nicht mehr beliebt! Das Archiv ist halt eine schlimme Sache! Wenn die Vertreter der SPÖ jetzt plötzlich in später Erkenntnis gegen die Banken und Spekulanten auftreten und alle möglichen Bereiche von Europa bis zur Weltfinanz beschuldigen, meine Damen und Herren, dann sollten Sie in diesem Fall aber wirklich sich selbst an der Nase nehmen!
Frau Stadträtin Brauner! Der Herr Bürgermeister hat gesagt: „Ich habe kein Mitleid mit Spekulanten.“ – Der Herr Bürgermeister hat offenkundig kein Mitleid mit Ihnen! Das sollte man sich merken. (Beifall bei der FPÖ.)
Er hat vermutlich auch kein Mitleid mit seinem roten Kollegen in Linz. Die SPÖ ist ja Spezialistin im Verwirtschaften von Geld! Auch dort spielt es gerade zur Zeit Granada, und die SPÖ klagt gegen die BAWAG, weil man in einem unglaublichen Anfall von Naivität auch dort auf Spekulationen eingegangen ist. – Ich möchte von anderen Problemen, die diese wirtschaftliche Entwicklung mit sich bringt, gar nicht reden. Sie wurden und werden noch angeschnitten, vom Cross Border Leasing angefangen bis zur vorhin erwähnten Stadthalle.
Aber die wahren Probleme kommen erst in der nächsten Zeit auf uns zu, und dieses keineswegs defizitreduzierende Budget wird sie verschärfen. Bundesstaatsreform, Schuldenbremse, Eurokrise, 2 Prozent gleichzeitig – das ist heute noch nicht gesagt worden –, höhere Abgaben an Brüssel, das von uns Sparbudgets verlangt. All das sollte eigentlich hier debattiert werden. Und Sie werden den Bürgern nicht mehr lange einreden können, dass fürs Friedensprojekt Europa von uns nur gezahlt werden muss, damit wir die Schulden anderer Staaten begleichen. Wir nehmen Schulden auf – führen Sie sich das einmal vor Augen, bitte! –, damit wir Schulden bezahlen. Was für eine absurde Situation ist das, in die Sie uns da hineinreiten, meine Damen und Herren? Schulden von Staaten, die nicht willens und in der Lage sind, zig Milliarden ausständiger Steuern einzutreiben und deren Superreiche hunderte Milliarden ungehindert in die Schweiz und andere Steueroasen verschieben.
Wir sollten als Bundesland und als Region den Folgen von Forderungen aus Brüssel nach mehr Europa, nach einer Gemeinschaft der Schulden und nach Eurobonds begegnen. Das wären Themen für den Europaausschuss, den wir aber nicht stattfinden lassen. Dort könnten dann vielleicht auch unsere Europaabgeordneten berichten. Auch das ist ein Punkt, den Sie uns versprochen haben. Sie werden jetzt wieder sagen: Dafür haben wir noch Zeit, das kann noch geregelt werden. 20 Prozent Ihrer maximalen – sage ich dazu – Regierungszeit sind vorbei, und Sie können sich nicht ewig darauf ausreden wie bei Fragen der Wahlrechtsreform und so weiter, dass wir das nach hinten schieben. Das ist eindeutig nur ein Versuch, Zeit zu gewinnen, aber es wird Ihnen auf die Dauer nicht möglich sein, diesen Fragen zu entgehen.
Auch wir werden noch Demonstrationen und Protestmärsche erleben, meine Damen und Herren! Das werden Sie sehen, wenn unsere Regierungs- und auch Stadtpolitiker weiterhin so beratungs- und lernresistent bleiben und glauben, dass etwas, worüber sie nicht reden wollen, kein Thema ist. Eine Ausschusssitzung kann man leicht von der Tagesordnung nehmen, Herr Bürgermeister und Frau Stadträtin! Wer dafür – natürlich nicht formal – eigentlich wirklich zuständig ist, bleibt damit offen.
Man kann auch die Klärung von Aufgaben und die Arbeitsweise des Ausschusses verhindern oder zumindest auf die lange Bank schieben, etwa den eben angesprochenen und versprochenen Auftritt von EU-Abgeordneten. Beim Büro Van der Bellen hat es damals übrigens nicht so lange gedauert!
Sie können das alles, Sie können den Bürger aber nicht auf die Dauer schröpfen, vertrösten und an der Nase herumführen. Das werden Sie einfach nicht schaffen! Die Zeit für diese Politik von oben herab läuft ab, so wie die Zeit der Absoluten für die SPÖ in Wien
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