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Gemeinderat, 27. Sitzung vom 04.10.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 31 von 70

 

grauslich finde, ist, dass man das nicht gerade heraus sagt, dass man mit denen spekuliert und natürlich mit einem Boulevard spekuliert, der sich da gerne draufsetzt, sondern dass man so tut, als ob man einen erwachsenen Menschen vor sich selbst schützen müsste. Das ist definitiv nicht der Fall. Ja, Hermes Phettberg ist auf eigenen Wunsch finanziell besachwaltet, weil er selbst sagt, er kann mit Geld nicht umgehen. Deswegen ist er auch in einer finanziellen Notsituation. Deswegen bin ich übrigens auch dankbar, dass sich sogar die Zeitung „Österreich“ bereitgefunden hat, die Kontonummer von Hermes Phettberg abzudrucken. Ich kann sie Ihnen auch gerne nachher geben. Hermes Phettberg feiert am Sonntag seinen 60. Geburtstag. Wenn Sie seine finanzielle Notsituation lindern wollen, sind Sie herzlich dazu eingeladen. Aber grauslich ist es, einen erwachsenen Menschen als entmündigt zu bezeichnen, der das nicht ist. Er ist nicht entmündigt. Er ist auf eigenen Wunsch finanziell besachwaltet. Und jeder, der oder die den „Falter“ liest oder jeder, der oder die die Homepage von Hermes Phettberg liest, weiß, von welcher geistigen Brillanz Hermes Phettberg auch heute noch ist und dass er Herr seiner Entscheidungen ist. Ich kann Ihnen sagen, weil ich mit ihm gesprochen habe, und Sie konnten es auch gestern in der APA nachlesen, weil er das auch den Medien gegenüber erklärt hat, für Hermes Phettberg gab es kein größeres Glück und kein besseres Geburtstagsgeschenk, weil er auch vereinsamt ist, als an dieser Aktion teilnehmen zu dürfen und sich auch letztendlich, deswegen bin ich nicht ganz so sauer auf dich, liebe Isabella, sehr über die mediale Aufmerksamkeit gefreut hat, zu der du beigetragen hast. Insofern sind wir wieder gut damit.

 

Dann die nächste Aktion – es sind wirklich viele, ich komme mit 21,5 Minuten nicht durch, wenn ich alles erzählen will, aber wurscht - die auch für sehr, sehr große öffentliche Aufmerksamkeit gesorgt hat, war der sogenannte Bettelbeauftragte. Ja, wir sind uns bewusst, dass die Aktion, das nennt man eine Medienguerilla, für Irritation auch in der Stadtregierung gesorgt hat, und das ist gut so.

 

Es ist nämlich Aufgabe von Künstlern und Künstlerinnen – und ich bin Teil einer Regierungskoalition, die diese Stadtregierung bildet –, auch uns als Politiker, Politikerinnen, Regierende zu kritisieren, den Finger auf die Wunde zu legen und alle diese Dinge. Es ist eine sogenannte Medienguerilla gewesen, und eine Medienguerilla zeichnet sich dadurch aus, dass man versucht, durch Übertreibung oder eben dadurch, dass man gezielte Fehlinformationen an Medien leitet oder, wie in diesem Fall, Inserate schaltet oder Prospekte druckt, die nicht der Wahrheit entsprechen – das ist eine international anerkannte Kunstform –, auf gesellschaftliche Missstände hinzuweisen. Und aus Sicht der VeranstalterInnen ist es ein gesellschaftlicher Missstand, wie wir alle, die wir auf der Gewinnerseite des Lebens sind, mit jenen umgehen, die das nicht sind, mit jenen, die betteln müssen, die sich ihren Lebensunterhalt verdienen müssen, indem sie auf die Straße gehen. Das tut keiner gerne, aber können muss man es dürfen.

 

Das sichtbar zu machen, nicht zuzulassen, dass das aus dem öffentlichen Bewusstsein gedrängt wird, dass eine Gesellschaft, die Armut produziert, sich auch damit konfrontieren muss und das auch sehen können muss – all das waren Anliegen dieses Projektes. Und nicht nur das, sondern die sind der Meinung – und ich finde, das ist gar keine schlechte Idee –, dass die Stadt Wien tatsächlich das tun sollte, was sie jetzt tun, nämlich Menschen zu ernennen, zu beauftragen, sich gezielt um Armut und vor allem um die Verlierer und Verliererinnen dieser Gesellschaft zu kümmern und sich dessen anzunehmen.

 

Das ist eine Kulturmethode, die nennt man eben Medienguerilla oder Culture Jamming oder Ad Posting. Der theoretische Unterbau geht auf Umberto Eco zurück, der das semiotische Guerilla nennt, oder Noam Chomsky, der das „consensus without consensus“ nennt. Da geht es für uns alle darum, zu überdenken, wem wir was glauben und warum. Und insofern erzeugt man fiktive Realitäten. (GR Mag Wolfgang Jung: Das ist ja ein Widerspruch in sich!) Schön, dass Sie es erkannt haben! Es geht darum, Widersprüche zu erzeugen, es geht darum, Irritationen hervorzurufen, es geht darum, uns endlich wieder einmal zum Nachdenken zu bringen. Und das ist doch eine der nobelsten Aufgaben, die Kunst leisten kann. (GR Mag Wolfgang Jung: Das soll nobel sein?) Man hört es leider nicht im Livestream, aber alles, was jetzt in den Wortmeldungen kommt, ist nur ein Teil des Kulturprojekts „Wienwoche“. (Beifall bei den GRÜNEN. – Zwischenrufe bei der FPÖ. – GR Mag Johann Gudenus, MAIS: Reden Sie ruhig weiter!)

 

Es gibt wunderbare internationale Beispiele dafür, die ich Ihnen gerne referiere. Das bekannteste davon war die Barbie Liberation Organization, wo Menschen, Cultur Jammer, Barbie-Puppen und diesem GI Joe Chips eingebaut haben, der dann irgendwie sagt, „Ich will mit dir shoppen gehen!“, um damit auf den Konsumwahnsinn hinzuweisen und all diese Dinge.

 

Es gibt in Berlin das Berliner Büro für ungewöhnliche Maßnahmen, das ähnliche Dinge macht, und es gibt ähnliche Kulturformen, die auch auf der „Wienwoche“ sehr häufig in verschiedensten Formen geprägt wurden: verstecktes Theater, Theater der Unterdrückten, das auf Augusto Boal zurückgeht, und all diese Dinge. Es gibt die sehr, sehr bekannten ... (GRin Dr Jennifer Kickert: Geh, wiederhol das noch einmal! – GR Dipl-Ing Martin Margulies: Der Jung hat das noch nicht begriffen!) Ja, eh. Ich habe es vorher dem Kollegen Ebinger schon gesagt, weil ihr gesagt habt, ihr hättet da so viele Ideen zur „Wienwoche“. Also ihr seid wirklich eingeladen, euch dort zu bewerben nächstes Jahr. (Beifall bei den GRÜNEN.) Es gibt ja einen öffentlichen Bewerbungsprozess, wo man zuschauen kann, und da kann man sich bewerben. Also ich fände es sehr, sehr reizvoll, den Herrn Jung als Akteur der „Wienwoche“ zu sehen. (GR Dipl-Ing Martin Margulies: Er ist auch da ein Unterdrückter!) Er ist einer, aber man sieht ihn leider noch nicht. Es geht ja auch um die Sichtbarmachung von unterdrückten Gruppen. Ein sehr, sehr ernstes Thema. (GR Armin Blind: Ihre Verlegenheit ist auch eines! – Weitere Zwischenrufe

 

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