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Gemeinderat, 33. Sitzung vom 30.01.2013, Wörtliches Protokoll  -  Seite 17 von 97

 

sagt, auch die Stadt Wien soll all das, was sie hat, möglichst hoch bewerten, um es dann zu verscherbeln. Dann ist da natürlich kein Unterschied mehr. Aber das ist eben genau nicht meine Meinung, weil unsere Aufgabe ist nicht, all das, was wir haben, möglichst teuer zu verscherbeln, sondern unsere Aufgabe ist, das, was wir haben, im Interesse der Wiener und Wienerinnen einzusetzen. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Die nächste Zusatzfrage stellt GR Nevrivy. - Ich bitte darum.

 

10.26.00

GR Ernst Nevrivy (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates): Sehr geehrte Frau Vizebürgermeisterin!

 

Durch die mediale Berichterstattung bezüglich einer möglichen Reform der Kameralistik kann man den Eindruck gewinnen, die Doppik sei ein viel besseres Instrument zur Verhinderung unerwünschter Spekulation.

 

Teilen auch Sie diese Meinung?

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Bitte, Frau Vizebürgermeisterin.

 

VBgmin Mag Renate Brauner: Herr Gemeinderat!

 

Das ist, genau richtig, der Hinweis, den Sie mit dieser Frage geben. Man könnte in der öffentlichen Diskussion den Eindruck haben, all das, was es jetzt leider in Salzburg gegeben hat, natürlich auf viel schlimmere Art und Weise, in Wirklichkeit auch in Kärnten gegeben hat, was uns immer wieder vorgeworfen wird, wogegen ich mich sehr verwehre, dass man da alle in einen Topf wirft, aber um zum Kern Ihrer Frage zu kommen, hätte man bloß eine andere Buchhaltungsform, wäre das alles nicht passiert. Ein bisschen hat es jetzt auch bei Ihrer Frage angeklungen. Sie haben irgendwie wortwörtlich gesagt, durch Transparenz können Finanzskandale vermieden werden.

 

Transparenz ist schön und gut, überhaupt keine Frage. Wenn ich mich nur an Grundschulungen erinnere, die es für Aufsichtsräte gibt, ist das Erste, was man ihnen sagt, sie sollen bei der Bilanz zwei Mal hinschauen. Also, die Frage von Transparenz und Bilanzen und bilanziellen Regeln ist eine andere Frage. Aber grundsätzlich, um das sehr präzise zu beantworten, glaube ich nicht, dass durch eine andere Art der Buchhaltung Finanzskandale verhindert werden, weil dann dürfte es in der Privatwirtschaft keine geben. Wenn wir in die vergangenen Jahre zurückblicken, dann kann ich gar nicht alles aufzählen, was es da leider, weil wir ja darunter leiden, gegeben hat, beginnend von Lehman Brothers, wo die Bilanzen von den Managern jahrelang kaschiert wurden, um horrende Verluste zu verstecken. Bis zum September 2008 hat das niemand durchschaut. Im Gegenteil, bis zur plötzlichen Insolvenz gab es Top Ratings, als würde man jetzt alles vergessen, wie man überhaupt versucht, so zu tun, als ob diese Krise eine Krise der öffentlichen Hand wäre. (GRin Ing Isabella Leeb: Was sonst?) Die wirtschaftlichen Probleme, die wir haben, sind, weil es in der Privatwirtschaft Probleme gegeben hat, im Finanzsektor die Probleme gegeben hat, weil Milliarden und Milliarden international investiert werden mussten, um die Probleme der Finanzwirtschaft zu lösen. Da zu glauben und jetzt zu behaupten, dass dieses System der Privatwirtschaft verhindern würde, dass es zu Skandalen kommt, glaube ich, dann hat man wirklich in der Vergangenheit fünf Augen zugemacht, weil sonst kann das nicht sein. Ich habe schon gesagt, bis zur Insolvenz von Lehman Brothers hat es Top Ratings gegeben. Die Wahrheit war, dass ein unfassbarer 600-Milliarden-US-Dollar-Schuldenberg da war, der dann übrig geblieben ist. Wir alle wissen, zu welcher Wirtschaftskrise das geführt hat. Die Rating-Agenturen Standard & Poor's und Moody's bescheinigten bis kurz vor der Insolvenz der Firma Enron, wenn ich in Erinnerung rufen darf, vorzügliche Bonität.

 

Tatsache war, dass die Gewinne zu hoch ausgewiesen waren. Dies zum Thema Doppik und Transparenz und 30 Milliarden US-Dollar Schulden offenbar wurden.

 

825 Millionen Pfund Sterling Verlust hat in den 90er Jahren der leider berühmt berüchtigte, möchte ich sagen, Nick Leeson durch seine Spekulationen verursacht. Das hat den Zusammenbruch der traditionsreichen Barings Bank und eine Währungskrise in Großbritannien zur Folge gehabt.

 

An die französische Société Générale erinnern wir uns, die Spekulationen eines Börsenhändlers. Dies zum Thema, wie das sein kann, völlig undenkbar in der Privatwirtschaft, dass einer an allen anderen vorbeispekuliert. Zum Thema darf ich in Erinnerung rufen, 5 Milliarden EUR verlor die französische Société Générale durch die Spekulationen des Börsenhändlers Jérôme Kerviel. Wir erinnern uns daran.

 

In beiden Fällen sind die horrenden Verluste bis zum Auffliegen in den Bilanzen und Buchungssystemen erfolgreich versteckt worden. Auch die aktuelle Diskussion über die Deutsche Bank zeigt, dass Bilanzen immer wieder, sagen wir einmal, diskutiert werden müssen.

 

Was will ich damit sagen? Weder die Kameralistik noch die Doppik verhindern kriminelle Motivation. Die Doppik ist kein Garant. Eine Vielzahl von Bewertungsmöglichkeiten, wir erinnern uns an die Bewertungsdiskussionen, wo wir sagen, diese kurzfristigen Bewertungen, die aus den USA nach Europa übergeschwappt sind, die über die Bewertungsrichtlinien zu uns gekommen sind, die immer kurzfristiger wurden, immer gewinnorientierter wurden, sind auch verantwortlich für diese Wirtschaftskrise.

 

Politisch, sehr geehrte Damen und Herren, müssen Transparenz und verantwortungsvoller Umgang mit Budgetmitteln sichergestellt werden. Das machen wir in Wien. Das funktioniert auch mit einer modernen, weiterentwickelten Kameralistik. Wir sind diejenigen in der Stadt, die immer für Veränderungen eingetreten sind, Beispiel, die verpflichtende Darstellung der Derivate. Ich hoffe, dass das Finanzministerium diese Änderung entsprechend bald macht. Das heißt, die Gebietskörperschaften brauchen ein Buchhaltungssystem, das den verantwortungsvollen Umgang mit Steuergeld sichert. Das funktioniert in Wien, plus all die Sicherungsmaßnahmen, die wir haben, gut. Wir bekennen uns zu einer Weiterentwicklung, aber die Doppik allein ist hier ganz sicher keine Lösung, sondern eine offensive Verbesserung der Kameralistik, oder wie immer man das Ding

 

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