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Gemeinderat, 47. Sitzung vom 13.12.2013, Wörtliches Protokoll  -  Seite 66 von 104

 

zahlreichen Künstlern in Wien, die unter prekären Verhältnissen leben und arbeiten müssen, höchst unfair.

 

10. These: „Eine Kulturstadt lebt von der Vielfalt. Großes und Kleines, Etabliertes und Freies werden gefördert. Diese Kategorisierungen entsprechen im Übrigen auch nicht mehr der Realität: In der Kammeroper beispielsweise hat ein junges Ensemble Möglichkeiten, sich zu bewähren, die ‚großen’ Wiener Festwochen fahren die innovative freie Schiene ‚Into the City’.“

 

Meine Gegenthese: Das ist Zynismus, und zwar pur! Dass die Wiener Festwochen mit der freien Schiene „Into the City“ fahren, ist ein deutliches Zeichen, wie erfolgreich und innovativ diese Szene ist, wie wichtig sie für das kulturelle Leben dieser Stadt eigentlich ist und wie notwendig eine bessere Finanzierung der Szene wäre. Wenn sich nämlich ein junges Ensemble in der Kammeroper bewähren kann, dann stellt sich die Frage, warum man dieses Haus nicht überhaupt der freien Szene gegeben, sondern wieder unter die Verwaltung des Molochs Vereinigte Bühnen gestellt hat. Und wenn diese Kategorisierungen, wie Sie es nennen, nicht mehr der Realität entsprechen sollten, dann frage ich mich, warum Künstler im kleinen und freien Bereich noch immer im Prekariat arbeiten müssen.

 

11. These: „In der Politik gilt es, Verantwortung zu übernehmen. Da geht es nicht um persönliche Geschmäcker und Vorlieben. Verantwortung heißt in diesem Fall auch, eine Lösung für 700 Mitarbeiter und Künstler, bis zu 700 000 Besucher und 4 historische Häuser wahrzunehmen.“

 

Ja, genau darum geht es! Es geht darum, Verantwortung zu übernehmen, und zwar nicht für die 700 Mitarbeiter der Vereinigten Bühnen. Herr Stadtrat! Sie sind auch für alle anderen Künstler und Künstlerinnen in dieser Stadt zuständig! Wo bleibt Ihre Verantwortung – wir haben es auch vorhin gehört – in den anderen kulturellen Bereichen, wo es auch keine Subventionserhöhungen gibt? Stichwort: Volkstheater. Wo bleibt die Verantwortung zum Thema Wien Museum? – Ich bin gespannt, wie es da weitergeht!

 

12. These: „Gleichzeitig und darüber hinaus wurden langfristige Förderverträge beschlossen, das Kuratorenbudget für freie Theater wird erhöht, und einige Häuser werden kommunalisiert, um sie künftig ausschreiben und neuen Initiativen und Künstlern zur Verfügung stellen zu können.“

 

Die langfristigen Förderverträge, Herr Stadtrat, hat Ihr Vorgänger Dr Marboe eingeführt. Das ist keine Erfindung von Ihnen! Das Kuratorenbudget für freie Theater ist im Verhältnis zur Subvention der Vereinigten Bühnen lächerlich gering. Und die Kommunalisierung der Häuser bedeutet eigentlich nur ein Einmischen und Regulieren der freien Szene durch die Politik in dieser Stadt.

 

13. These: Abschließend haben Sie sich entschuldigt, indem Sie den Ausdruck Neidgesellschaft bedauernd zurückgezogen haben. Sie haben damit keinesfalls die unzähligen Künstler, die unter prekären Verhältnissen arbeiten, beschreiben wollen. „Der Ausdruck entstand im Ärger darüber, dass die neue Leiterin des Volkstheaters von Einzelnen abqualifiziert wurde, ehe sie überhaupt noch ihr Programm präsentieren konnte.“

 

Herr Stadtrat! Diese Entschuldigung ist zu respektieren, allerdings lässt es tief blicken, wenn ein verantwortlicher Politiker eine Entscheidung mit der Abqualifizierung einer gesamten Berufssparte verteidigt. Und zu Ihrer Begründung Ihrer Verärgerung sei gesagt, dass öffentlich lediglich ein Einziger in einem offenen Brief an Sie die Bestellung kritisiert hat. Das war vielleicht nicht besonders höflich, ich kann das aber sehr wohl verstehen, denn er hat, im Gegensatz zu Ihnen, Herr Stadtrat, die Kritik zumindest sachlich begründet.

 

14. und letzte These. „Wien bleibt eine der wenigen Städte, in der die Theaterlandschaft wächst und in der über die Verteilung von zusätzlichen Mitteln noch gestritten wird. Woanders kann man lediglich deren Streichung beklagen.“

 

Ja, das kann man wirklich beklagen! Aber zum Lachen haben auch die Wiener Künstler und Kulturschaffenden nichts. Daher meine Gegenthese: Diese These vertreten Sie ja nicht zum ersten Mal, und wahrscheinlich empfinden auch die Kulturschaffenden in dieser Stadt diese langsam als Drohung nach dem Motto: „Benehmt euch schön brav, sonst fangen wir an, euch die Mittel zu kürzen!“

 

Sie behaupten, dass die Mittel nicht gekürzt wurden. Vordergründig mag das stimmen, wenn man sich aber die Budgets der letzten Jahre ansieht, dann fällt auf, dass es da eine Steigerung des Gesamtbudgets um 2 Milliarden EUR seit dem Jahr 2008 gab. Das ist eine Steigerung von 20 Prozent. Wenn sich diese Steigerung auf das Kulturbudget ebenso ausgewirkt hätte, dann müssten wir heute ein Kulturbudget von 288 Millionen EUR haben. Tatsächlich haben wir 230 Millionen EUR.

 

Ich ersuche Sie daher am Schluss meiner Rede, zukünftig nicht ketzerisch Thesen zu propagieren, sondern – darum bitte ich Sie wirklich inständig – in der Stadtregierung als Lobbyist der Kulturschaffenden aufzutreten und respektvoll und gerecht mit allen Künstlern umzugehen. Ich ersuche Sie, sich in Ihrer Kulturpolitik vielleicht auch ein bisschen Ihrer sozialistischen Wurzeln zu besinnen, indem Sie sich um vernünftige Arbeitsbedingungen für alle bemühen und nicht lediglich jene bevorzugen, denen ohnehin heute schon der größte Teil des Kuchens zufällt. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr GR Dipl-Ing Margulies. Ich erteile es ihm.

 

15.48.45

GR Dipl-Ing Martin Margulies (Grüner Klub im Rathaus)|: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Es freut mich, heute zum Thema Kultur und insbesondere zur Subvention der Vereinigten Bühnen sprechen zu können. Dass ich jetzt hier spreche, ist – das wird Sie nicht allzu sehr wundern – ein bisschen auch dem grün-internen Diskussionsprozess geschuldet: Mein Kollege Klaus Werner-Lobo, der nachher selbstverständlich auch inhaltlich zu vielen Punkten noch Stellung nehmen wird, hat mich ersucht: „Martin, stell dich raus, verteidige selbst, warum wir das jetzt so machen!“ – Und

 

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