Gemeinderat, 54. Sitzung vom 23.06.2014, Wörtliches Protokoll - Seite 8 von 105
manchmal, dass Schulden die künftigen Generationen belasten würden. – Nun, über den Level unseres Schuldenstandes habe ich schon gesprochen. Aber: Ist es nicht wirklich verantwortungslos, den kommenden Generationen keine Werte zu hinterlassen und ihnen das vorzuenthalten, was sie unbedingt brauchen? Ich nenne jetzt Schulen, Spitäler, Öffis beziehungsweise Infrastruktur für die Wirtschaft. In der öffentlichen Debatte geht es immer nur um die Verschuldung. Aber wir sollten doch die Werte sehen, die geschaffen werden! Wir profitieren heute noch vom sozialen Wohnbau und vom U-Bahn-Bau! Das sind Werte, die Jahrzehnte halten, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Sie wissen: Unser Plan B, wenn es nicht gelingt, hier Veränderungen auf europäischer Ebene zu erreichen, sind PPP-Modelle, also Modelle mit Privaten, denn anders können Projekte sonst nicht finanziert werden. – Ich sage ganz offen: Mehr Spielraum für Investitionen wäre mir lieber, noch dazu, da Sie dem vorliegenden Finanzschuldenbericht entnehmen können, zu welch günstigen Bedingungen wir uns auf dem Kapitalmarkt finanzieren. Unsere durchschnittliche Nominalverzinsung sank im vergangenen Jahr von 1,41 Prozent auf 1,33 Prozent.
Wir sind bei dieser Diskussion über die Veränderung der Finanzierungsmöglichkeiten nicht allein, sehr geehrte Damen und Herren. In vielen Staaten gibt es solche Diskussionen! Viele europäische Spitzenpolitiker von Olli Rehn bis Martin Schulz haben sie angesprochen. Und auch andere Institutionen, die ziemlich unverdächtig sind, Außenstellen der Sozialistischen Internationale zu sein, haben sich diesbezüglich geäußert. Ich darf Christine Lagarde zitieren, die als Chefin des IWF am Rande der Euro-Finanzministersitzung vergangenen Donnerstag eine Evaluierung und langfristige Weiterentwicklung der Richtlinien des europäischen Stabi-Pakts vorgeschlagen und die Sorge geäußert hat, dass in Europa zu wenig investiert wird. Sie meinte darüber hinaus – und sie hat recht! –, dass die Regeln zu einer Zeit gemacht wurden, als man in Europa von einem weit größeren Wirtschaftswachstum ausgegangen ist und man sich die Bestimmungen rund um die Auslegung des strukturellen Defizits genau anschauen muss.
Der IWF hat vor einigen Wochen auch Deutschland kritisiert, weil dort zu wenig investiert wird. – Ich zitiere: „Die Politik sollte sich auf die Stärkung des Wachstums konzentrieren und damit gleichzeitig den Aufschwung in der Eurozone unterstützen.“ – Das hat der IWF empfohlen.
Ich zeigen Ihnen das und zitiere das deswegen, weil Sie sehen sollen, dass wir uns auf europäischer Ebene an einer Diskussion beteiligen, die absolut Sinn macht, und weil der Stabilitätspakt keine heilige Kuh ist. Dieser wurde von Politikern und Politikerinnen geschlossen. Und wenn sich die Rahmenbedingungen geändert haben und andere Wege besser sind, dann sind dieser Stabilitätspakt und die europäischen Richtlinien auch entsprechend zu ändern und anzupassen, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Sehr geehrte Damen und Herren! Sie kennen mein – fast bin ich versucht, zu sagen – Mantra: Sparen und Investieren, und zwar Sparen nicht mit dem Rasenmäher, denn ich bin fest davon überzeugt, dass man damit langfristig mehr kaputt macht, als konkreten Nutzen zu bewirken.
Was wir brauchen, ist eine permanente Verwaltungsreform im Wiener Magistrat unter Einbindung unserer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Oft werde ich gefragt: Was will du denn da konkret tun? Was ist denn die Lösung in der Verwaltungsreform? – Dann beginne ich mit dem größten Beispiel, nämlich mit der Gesundheitsreform, die meine Kollegin Wehsely gerade federführend umsetzt.
Im Gesundheitsbereich ist es gelungen, gemeinsame Steuerung und Kostenplanung zu erreichen, und das in einem so komplexen und schwierigen Bereich! Jetzt beginnt erstmals der Kostendämpfungspfad, der 2012 zwischen Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherung vereinbart wurde, zu wirken. Und diese Dämpfung der Kosten ohne Qualitätsverlust für die Patienten und Patientinnen ist nur möglich durch das Herzstück der Wiener Gesundheitsreform, das Wiener Spitalskonzept, das mit einem Bündel von Maßnahmen sicherstellt, dass die Ausgaben im laufenden Betrieb im Spitalsbereich gebremst werden können.
Dasselbe gilt für das Geriatriekonzept, gemäß welchem große veraltete und auch teure Einrichtungen geschlossen wurden. Bis 2015 werden insgesamt elf neue Pflegewohnhäuser beste Betreuung bieten. Wichtig sind bessere Betreuung und effizientere Arbeit in modernen Häusern. – Das ist die konkrete Umsetzung von Reformieren und Investieren, und das, sehr geehrte Damen und Herren, ist ein ganz wichtiger Bereich.
Aber es gibt noch viele andere Beispiele. Mir als Wirtschaftsstadträtin ist natürlich vor allem wichtig, dass der Magistrat die Betriebe und Gewerbetreibenden besonders serviceorientiert betreut. Sie werden gelesen haben, dass sich die Wirtschaftsagentur Wien neu ausgerichtet hat. Die Tochterunternehmen ZIT und departure sind in die Strukturen der Mutter eingebracht worden. Alle Maßnahmen haben ein Ziel, nämlich genau diese Reform im Interesse der Wirtschaft. Wir wollen für die Kunden noch transparenter und näher bei der Wirtschaft sein. Es wird in Zukunft nur mehr eine Förderabteilung geben.
Ich darf Ihnen berichten, dass wir auf Ebene der Magistratsdirektion seit dem Frühjahr 2011 in einem institutionalisierten gemeinsamen Dialog mit der Wirtschaftskammer Wien und der Industriellenvereinigung mit dem Ziel der Entbürokratisierung stehen. In diesem Jahr gab es vier Kompetenzzentren für Betriebsanlagenverfahren. Alle legistischen Maßnahmen werden auf Effizienz und Zweckmäßigkeit mit der Wirtschaftlichkeitsverträglichkeitsprüfung geprüft, und ab 2015 wird bundesweit ein einheitliches, effizientes System zur Gewerbeverwaltung eingesetzt. Ein Kooperationsprojekt von Bund, Stadt, Bundesländern und Städten mit eigenem Statut, das die derzeit 14 Register ablöst, ist ein Weg, die Verfahren rascher und effizienter zu machen. Außerdem habe ich im vergangenen Jahr einen Dialog mit der Industriellenvereinigung ins Leben gerufen, was zu einem neuen
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