Gemeinderat, 54. Sitzung vom 24.06.2014, Wörtliches Protokoll - Seite 22 von 81
wäre. Prinzipiell ist vieles vorstellbar. Der will für seine Gärtnerei 7 Millionen EUR, was umgerechnet auf eine adäquate Bebaubarkeit dort einen Quadratmeterpreis von 1 250 EUR pro Quadratmeter bedeutet – damit Sie ein bisschen ein Gefühl bekommen. Grundstückkurs für den förderbaren Wohnbau beträgt ungefähr 250 EUR. Die Errichtungskosten eines Quadratmeters, wenn Sie ein neues Haus mit allem hinstellen – mit Fenstern, Dach, Toilette, Garage –, liegen irgendwo bei 1 500 EUR.
Dieser Landwirt, dieser Gärtner ist keine Ausnahme. Der erkundigt sich: Was wird denn bezahlt? Aha, dann verlange ich das, nämlich die 7 Millionen EUR. Und ich erlaube mir jetzt, gesellschaftspolitisch zu sagen: Für welche Leistung? (Zwischenruf von GR Dkfm Dr Fritz Aichinger.) Dass er das Glück hat, an einer Stelle zu liegen, wo vielleicht ein öffentliches Verkehrsmittel in der Nähe ist; und wo man sich im Sinne der wachsenden Stadt dafür aussprechen könnte, dass man dort umwidmet. Dann widmet man um und dann kommt ein freifinanzierter Bauträger, denn für eine Genossenschaft ist es vollkommen unmöglich, das um diesen Preis zu erwerben. Und diesen Fall, Herr Kollege, weil sie in der Landwirtschaftskammer tätig sind, haben wir nicht nur ein Mal in Wien, den haben wir laufend.
Jetzt komme ich zu einer politischen Aussage, die nicht im Regierungsübereinkommen steht, die schwierig ist. Das ist aber etwas, womit sich alle Kommunen in Europa und in den USA auseinandersetzen. Ist die völlig freie Verfügbarkeit von Grund und Boden etwas, das irgendwie verfassungs- oder gottgegeben ist? Oder gibt es so etwas wie eine Sozialverpflichtung des Eigentums, weil eben Grund und Boden nicht unendlich vermehrbar ist? Soll es auch Beschränkungen von Eigentumsrechten geben, die sozialen Zwecken dienen? Das haben wir im Bereich des Straßenbaus, das haben wir im Bereich des Bahnbaus. Ich denke, wir sollten darüber nachdenken, ähnliche Instrumente auch für den sozialen Wohnbau nicht nur anzudenken – das würde ich tun, wenn ich Wissenschaftler wäre –, sondern ernsthaft ins Auge zu fassen. Ich denke da auch an Regierungsverhandlungen im nächsten Jahr, wie auch immer die Wahl ausgeht.
Zu Ihrer Entlastung: Es sind nicht nur Landwirte, es sind alle Möglichen. Es sind Freiberufler, die schon eine L- oder auch eine Sww-Liegenschaft gekauft haben, und dann erkennen, dass im Zuge der wachsenden Stadt Bauland gebraucht wird und sagen, wir können ja warten, irgendwann müssen sie schon herkommen.
Da müssen wir uns Instrumente überlegen. Ja, das ist mit der österreichischen Verfassung schwieriger als mit der deutschen. In der deutschen Verfassung wird nämlich explizit die Sozialpflichtigkeit des Eigentums erwähnt, bei uns leider nicht. Das Höchstgerichtsurteil macht das durchaus anspruchsvoller; aber wenn wir keinen anspruchsvollen Beruf hätten, dann könnten wir ja ein paar Computer regieren lassen. Da muss uns eben etwas einfallen. Ich sage es mit fünf Rufzeichen als Grüner – und ich bin mir ziemlich sicher, dass es auch viele Sozialdemokraten so sehen –: Die Grundstückfrage müssen wir angehen. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)
Es kann nicht sein, dass heute 7 Millionen EUR verlangt werden, und wenn das Wachstum weitergeht, sind es in 2 Jahren 9 Millionen EUR und 11 Millionen EUR. Ja, für freifinanziertes Wohnen wird das auch gezahlt, aber es nützt uns in unserer Wohnbaupolitik nichts weiter, wenn wir einen hohen Anteil an freifinanzierten Wohnungen haben, für die als Vorsorgewohnungen aus Angst verrückte Preise gezahlt werden.
Wir hier im Raum gehören zu den Top-Ten-Verdienern Österreichs, allein durch unseren Gemeinderatsgehalt – ich finde es auch richtig, wenn man Politiker gut bezahlt. Ich schaue mir an, was verlangt wird, und nicht nur ein Mal. Ich gehe jetzt nicht auf die astronomischen Preise im 1. Bezirk ein, sondern ich rede jetzt von den Preisen im 17., 18., 19., 4. oder 6. Bezirk: 6 000 EUR, 7 000 EUR, 8 000 EUR pro Quadratmeter Eigentum. Wenn man das mit den 90 m² multipliziert, dann werden wohl sogar in diesem Raum nicht viele sagen können, das leiste ich mir. Positiv ist anzumerken, dass das jetzt ein bisschen eine Decke erreicht hat.
Jetzt komme ich zum zweiten Schritt, wo wir eine ganz große Errungenschaft haben, an der wir Grüne nicht beteiligt waren, muss ich gleich dazusagen; das ist die unglaubliche Errungenschaft des gemeinnützig-sozialen Wohnbaus. Es ist im Kapitalismus, in dem wir leben, der seine großen Verdienste hat, ein Kleinod, ein unfassbarer Schatz, dass es Wohnbauträger gibt, deren Ziel nicht jenes eines jeden anderen Unternehmens ist, nämlich legitimerweise einen Gewinn, eine Rendite zu erwirtschaften. Das ist für mich überhaupt nichts Unanständiges, das ist das wesentliche System, das hat auch den Reichtum geschaffen. Das macht uns aber beim Wohnen Schwierigkeiten, weil die soziale Frage da ausgeblendet bleibt. Dafür gibt es den sozialgebunden Wohnbau; und der hat etwas wunderbares, er ist nämlich kostenorientiert. Der ist nämlich kostenorientiert und sagt, es dürfen nur jene Mieten verlangt werden, die den Kosten des Hauses entsprechen.
Darum wundere ich mich oft über Leitartikel in – wie sage ich das jetzt? – wirtschaftlich konservativen Medien. Ich will jetzt nicht den Journalisten vorführen. Der sagt, in Wien gibt es eben ein paar Privilegierte, die eben in günstigen Wohnungen wohnen, sozial und so, aber eigentlich schau dir doch an, was das wirklich kostet. – Der sagt das, anstatt zu sagen, das sollen wir ausbauen! Dass nämlich jemand eine preislich limitierte Wohnung hat und sich sicher sein kann, dass, wenn das Haus ausfinanziert ist, die Kosten eher hinuntergehen und nicht hinauf. (GR Norbert Walter, MAS: Das sollten wir bei der Gemeinde auch machen, Herr Kollege!)
Ja, selbstverständlich. Aber bitte, wir sollen es nicht nur machen. Wir sind auch nicht die Pflichtverteidiger des Wiener Wohnens, des Gemeindebaus; aber vergleichen Sie die Preise im Gemeindebau, nämlich bei der Neuvergabe und insbesondere bei den schon länger abgeschriebenen Projekten, mit dem, was im privaten Wohnungsbesitz gemacht wird! Ja, die müssen ihre Rendite erwirtschaften. Aber da haben wir einfach ein doppeltes System, und darum habe ich auf die Grundstücksfrage so viel Wert gelegt. Ich glaube, dass wir auf
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