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Gemeinderat, 58. Sitzung vom 12.11.2014, Wörtliches Protokoll  -  Seite 11 von 34

 

bei der ÖVP.)

 

Was nicht stattgefunden hat in diesen drei Wochen, das war eine grundsätzliche Debatte über die Richtigkeit der Wiener Drogenpolitik. Wobei ich sage, wir tragen die Wiener Drogenpolitik in großen Zügen mit. Das ist aber kein Grund für eine Selbstzufriedenheit der Stadt Wien. Ich glaube, dass wir auch in der Drogenpolitik der Stadt noch besser werden könnten und besser werden müssten. Wir haben Suchtkranke auf einem von der Anzahl her in etwa konstanten Niveau, trotzdem nimmt die Inanspruchnahme des jedmayer zu. Wir haben natürlich viel zu viele Drogentote. Deutschland, ein Land das zehn Mal so groß ist wie Österreich, hat nur – unter Anführungszeichen – drei Mal so viele Drogentote wie wir.

 

Das heißt, Verbesserungsbedarf in der Wiener Drogenpolitik ist gegeben. Mit Spritzentausch alleine können wir uns nicht zufriedengeben. Wir müssen viel mehr investieren in die Prävention, es muss ausreichende Therapieplätze geben, und wenn dann die Therapie und der Entzug erfolgreich durchgeführt worden sind, dann muss man sich erst recht um diese suchtkranken Menschen kümmern, dann muss man ihnen zur Seite stehen, dann muss man ihnen richtig helfen, erfolgreich helfen, dann muss man sie so an der Hand nehmen, dass sie wirklich von ihrer Sucht dauerhaft wegkommen.

 

Dass den suchtkranken Menschen bestmöglich geholfen werden muss, das sehen wir alle so, alle Fraktionen in diesem Raum. Das sehen auch die betroffenen Bürger so. Selbstverständlich haben die Suchtkranken Anspruch auf bestmögliche medizinische und psychosoziale Betreuung. Da mag es auch durchaus Sinn machen, dafür zu sorgen, dass nicht mit verunreinigten Spritzen hantiert wird. All das sehen auch die Bürgerinitiativen so, all das sehen auch die Wienerinnen und Wiener so; und trotzdem ist man erbost in einer Art und Weise, wie ich es in der Vergangenheit selten erlebt habe. 4 000 Unterschriften wurden gesammelt, und das in einem Grätzl, das vielleicht 6 000 Bewohner hat. Eine Umfrage der „Wiener Bezirkszeitung“ hat ergeben, dass sich 97 Prozent der Bevölkerung gegen diesen Standort aussprechen.

 

Frau Stadträtin, was wir Ihnen vorwerfen, ist, dass Sie, und davon bin ich überzeugt, wider besseres Wissen an einem falschen Standort festhalten und dass sie den Spritzentausch auch in gewisser Weise verharmlosen, wenn Sie immer wieder hinweisen: Wir haben ja so viel Drogenberatung, es gibt ja Drogenberatung in 13 Bezirken. Und heute haben Sie gesagt, dass, glaube ich, 7 von 19 praktischen Ärzten auch mit suchtkranken Menschen arbeiten. Es ist gut, dass es das in den Ordinationen gibt, es ist gut, dass praktische Ärzte das machen. Auch ich habe mit mehreren solchen praktischen Ärzten gesprochen.

 

Aber eine Spritzentauschzentrale ist etwas ganz anderes. So eine Spritzentauschzentrale kennen wir nur vom jedmayer, und wie es beim jedmayer aussieht, haben wir leider Gottes leidvoll bemerken müssen. Das sagen nicht nur wir. Sogar der Drogenbeauftragte Dressel ist unzufrieden mit der Situation vor dem jedmayer. Auch Dressel sagt: Wir brauchen dort mehr Sozialarbeiter, wir brauchen dort mehr Polizei. Wir haben dort sozial inadäquates Verhalten, und das kann nicht akzeptiert werden. Es wird offen gedealt, Wege werden versperrt, das soziale Verhalten ist inakzeptabel.

 

Ich glaube daher, dass man, wenn man in der Nußdorfer Straße einen ebensolchen Spritzentausch wie beim jedmayer vorsieht, nicht sagen kann, was ich schon von Ihnen, aber auch von der Suchthilfe gehört habe, dass keine Auswirkungen auf das Grätzl zu erwarten sind. Mit diesem Herunterspielen der potenziellen Gefahr ist niemandem gedient, denn die Präsenz wartender Dealer und auch weggeworfene Spritzen sind im Grätzl sicherlich nicht akzeptabel.

 

Dass es diese Spritzen geben wird, die weggeworfen werden, hat sogar die Frau Bezirksvorsteherin konzediert. Sie hat gesagt, ja, das kann es durchaus geben, und gibt folgenden Tipp ab, wie ich von der Bürgerinitiative erfahren habe. Der Tipp von der Frau Bezirksvorsteherin Malyar lautet: Nehmen Sie in Zukunft immer ein Gurkenglas und eine Greifzange mit, dann können Sie Spritzen gefahrlos einsammeln und entfernen.

 

Sehr geehrte Frau Bezirksvorsteherin! Sehr geehrte Frau Stadträtin! Ich glaube durchaus, dass man das so machen kann, und das wird man im Einzelfall auch tatsächlich so tun; aber deshalb ist ja der Standort noch nicht geeignet, unmittelbar neben Kindergärten, Schulen, Spielplätzen und Parks! Sie müssen sich auch vorwerfen lassen, dass Ihre Argumentation und jene der Suchthilfe widersprüchlich sind. Der Drogenbeauftragte Dressel hat in der „Wiener Zeitung“ vom 8. November gemeint: „Plätze, wo sich schnell eine Drogenszene bilden kann – in der Nähe einer großen Tiefgarage oder uneinsichtigen Plätzen –, sind zum Beispiel ungeeignet“, nämlich für ein Drogenberatungszentrum.

 

Und was haben wir jetzt? Ecke Schubertgasse/Nußdorfer Straße, genau diese Situation. Wir haben eine viergeschoßige Tiefgarage genau gegenüber der Schubertgasse 2 beim Zielpunkt. Frei zugänglich, genau diese potenzielle Gefahr, vor der sogar Dressel warnt, ist dort gegeben. Und wir haben natürlich auch uneinsehbare Plätze dort, insbesondere die Stiegen, die hinunterführen – dort gibt es nämlich diese Donaustufe –, die hinunterführen von der Nußdorfer Straße zur Liechtensteinstraße: Himmelpfortstiege, Vereinsstiege, Binderstiege. Natürlich setzt man sich gerne auf eine Stiege, weil es bequem ist. Das ist eine Verweilzone, wie wir auch andere Verweilzonen in der Umgebung haben, und uneinsichtig sind diese Plätze noch dazu.

 

Die Suchthilfe argumentiert damit, dass man eben nicht an den Gürtel, den Handelskai, den Praterstern oder wo auch immer es Hot Spots gibt, gehen wollte, weil die Standortwahl nicht zum Verweilen der Suchtkranken einladen soll. So, wir haben die drei genannten Stiegen, die natürlich zum Verweilen einladen, wir haben die Tiefgarage, wir haben den Sobieskiplatz. Es ist ein wunderschöner Platz mit Altbaumbestand, auf dem man sich natürlich besonders im Sommer sehr gerne aufhält, weil es etwas kühler und sonnengeschützt ist. Wir haben den Lichtentaler Park, den Helene-Deutsch-Park und den Bertha-Löwi-Weg.

 

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