«  1  »

 

Gemeinderat, 58. Sitzung vom 12.11.2014, Wörtliches Protokoll  -  Seite 25 von 34

 

größte Problem mit der Suchtkrankheit. Österreich ist im europäischen Vergleich bei den Drogentoten weit über dem Durchschnitt. Also, wo ist hier der gute Wiener Weg? Da gibt es Drogentote, die im europäischen Vergleich mehr sind als woanders, und wir sprechen hier vom konsequenten und guten Wiener Weg!

 

Zum Thema Substitution: Substitol ist ein Drogenersatzstoff, der nur in drei Ländern in Europa zur Substitutionsbehandlung verwendet wird. Das sind Bulgarien – dort wird es bei 4 Prozent angewendet –, Slowenien – 7 Prozent –, und Österreich, siehe da: 55 Prozent! Komisch. Dabei gibt es Experten, die davon sprechen, dass Substitol das mit Abstand gefährlichste und am häufigsten missbrauchte Substitutionsmittel ist und bei den Drogentoten auch immer wieder eine Rolle spielt. Aber nein, 55 Prozent bekommen das Substitol.

 

Substitol, muss man wissen, ist ein Substitutionsmittel der zweiten Wahl nach der Suchtgiftverordnung. Die Suchtgiftverordnung und auch die WHO sagen nämlich, dass Methadon, das geeignetste Mittel in der Suchtbehandlung ist. Bei uns nicht. Bei uns steht aber in der Sucht- und Drogenstrategie 2013 in „Handlungsfeld 3: Beratung – Behandlung – Betreuung“ im Abschnitt 6.7 Substitutionsbehandlung: „Zur Substitutionsbehandlung werden in Wien neben Methadon auch andere geeignete Medikamente verwendet.“ Es horcht sich an, als ob Methadon der Hauptbestandteil wäre. Ist es aber nicht, sondern weit mehr als der Hälfte der Patienten wird Substitol verabreicht. Warum ist das so? Vielleicht weil an der Erzeugerfirma, der Mundipharma Dr Bartenstein, Ex-Abgeordneter der ÖVP im Nationalrat, beteiligt ist.

 

Es gibt seitenweise Kritiken im Internet. Es gibt sogar von Eltern und Angehörigen, die auf Grund von Substitol ihre Kinder verloren haben und im Internet eine Anklageschrift veröffentlicht haben, aber das bleibt bei der „Sucht und Drogen Koordination“ ungehört, es wird weiterhin verabreicht. Ist das der Weg, von dem Sie sprechen, Frau Stadträtin? Ist das die gute Lösung? Wir sind die Einzigen in Europa, die das tun, und wir haben überdurchschnittlich viele Drogentote. Ist das der Wiener Weg? Wenn ja, dann sagen Sie: Ja, das ist unser Wiener Weg, den wollen wir verfolgen. – Für den sind wir aber nicht bereit! Wir wollen diesen Weg nicht mitverfolgen, wir wollen wirklich eine seriöse Politik in der Sucht- und Drogenbehandlung beschreiten! (Beifall bei der FPÖ und von GR Dr Wolfgang Aigner.)

 

Wir verunsichern nicht. Das ist auch etwas: Immer, wenn wir ein Thema ansprechen, das Ihnen nicht passt, ist es für Sie politisches Kleingeld. Dann sagen Sie immer, wir würden damit politisches Kleingeld sammeln, hetzen und verunsichern. (GRin Martina Ludwig-Faymann: Sondern?) Wir sprechen mit Fakten. Sie sprechen mit Zahlen oder mit Argumenten, die nicht stimmen und die widerlegbar sind. (Ruf bei der SPÖ: Ach so? Das sagen Sie!)

 

Zum Beispiel: Die Bezirksverwaltungsbehörde ist für die gesundheitsbezogenen Maßnahmen zuständig. Also in Wien sind das Sie, Frau Stadträtin. Die Bezirksverwaltungsbehörde sollte auch Anzeige erstatten, wenn suchtkranke Menschen ihre Substitutionsbehandlung nicht so durchführen, wie sie es eigentlich sollten. Warum sind sie eigentlich in gesundheitsbezogenen Maßnahmen eingebunden? Weil es Straffreiheit vor dem Gericht bedeutet. „Therapie statt Strafe“ ist ja ein geflügeltes Wort, nur was steht wirklich dahinter?

 

Das bedeutet: Ich begebe mich in eine gesundheitsbezogene Maßnahme, somit werde ich für den Drogenkonsum nicht bestraft. Dann muss die Bezirksverwaltungsbehörde – dafür ist in Wien die Frau Stadträtin zuständig – überprüfen, ob diese gesundheitsbezogene Maßnahme auch tatsächlich so abgehalten, angewendet, vorgenommen wird, wie es der Gesetzgeber vorsieht beziehungsweise wie es die Suchtgiftverordnung vorschreibt, die sich mit diesem Thema ja ausreichend befasst.

 

Ich stelle Ihnen also folgende Frage, die ich an Sie auch schriftlich stellen werde: Wie oft wurden Sie als Bezirksverwaltungsbehörde tätig und haben Anzeige erstattet? Ich bin davon überzeugt, kein einziges Mal. Somit kann es auch nicht sein, dass Sie diese Sucht und Drogenpolitik so gut anwenden, wie es sein soll. Damit sind wir wieder beim Wiener Weg, diesen Wiener Weg lehnen wir ab, weil er weit weg ist von einem konsequenten Vorgehen, bei dem den Leuten wirklich geholfen wird.

 

Der Herr Stadtrat hat es ja angesprochen. Wir verteilen das nach dem Gießkannenprinzip und schauen, dass die Leute dort am Level ihrer Bedürfnisse gehalten werden. Man versucht nicht, sie zu einer gewissen Abstinenz hinzuführen, nein, man schaut, dass sie mit ihren Drogenersatzstoffen gut leben können wie bisher. Aber das kann ja nicht das Ziel einer Sucht- und Drogenpolitik sein! Und weil man weiß, dass einem nichts passiert, dass diese gesundheitsbezogenen Maßnahmen nicht in der Form eingehalten werden, wie sie im Gesetz festgeschrieben sind, werden auch immer mehr Leute in diese Sucht- und Drogenpolitik mit einbezogen.

 

Das jedmayer, das dafür vorgesehen war, platzt aus allen Nähten, und dann brauche ich weitere Plätze, wo ich diese Leute hinbringen kann. Dort will man sie aber nicht haben. Warum will man sie dort nicht haben? Jemand, der ein Abhängigkeitssyndrom hat, wird als suchtkrank bezeichnet. Wer krank ist, ist arm. Es wird in unserem sozialen Gefüge so gesehen, dass jemand, der eine Krankheit hat, grundsätzlich arm ist. Dabei geht von diesen suchtkranken Menschen, die die Suchthilfe ausnutzen, das eine oder andere Mal eine Gefährdung aus. Wer das nicht in dieser Deutlichkeit ansprechen möchte und darf und uns wieder vorhält, wir würden verunsichern oder hetzen, der hat sich mit dem Thema nicht beschäftigt.

 

Nehmen wir den 20. Bezirk, weil die U-Bahn-Station Handelskai angesprochen wurde. Das ist eine festgesetzte Suchtgiftszene. Jetzt haben wir eine Bürgerversammlung im Bezirk gefordert, weil so viele Beschwerden von Anrainerinnen, Fahrgästen und so weiter waren, die gesagt haben: Meine Mutter traut sich dort nicht mehr, im Lift zu fahren; aber nicht weil sie vor den Dealern Angst hat, sondern weil sie vor den Suchkranken Angst hat; weil die eben auf Grund ihrer – das wird ja

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular