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Gemeinderat, 60. Sitzung vom 26.11.2014, Wörtliches Protokoll  -  Seite 5 von 53

 

Wir kommen nun zur 2. Anfrage (FSP - 03638-2014/0001 - KSP/GM). Sie wurde von Herrn GR Mag Taucher gestellt und ist an den Herrn amtsführenden Stadtrat der Geschäftsgruppe Wohnen, Wohnbau und Stadterneuerung gerichtet. (Wie wirken sich die prognostizierten demografischen Veränderungen der Wiener Stadtbevölkerung hinsichtlich dem steigenden Anteil älterer Menschen auf den geförderten Wohnbau aus?)

 

Bitte, Herr Stadtrat.

 

Amtsf StR Dr Michael Ludwig: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Hochgeschätzte Mitglieder des Gemeinderates!

 

Die Frage, die an mich gerichtet ist, ist eine ganz wesentliche und wichtige. Herr GR Taucher, Sie haben völlig recht, es geht auch darum, vor allem die ältere Generation zu berücksichtigen, im Wohnbau insgesamt, aber natürlich speziell auch im geförderten Wohnbau. Und das ist ein Thema, das uns in Wien beschäftigt, aber nicht nur in unserer Stadt. Ich möchte nur daran erinnern, dass unser Bürgermeister Dr Michael Häupl am Montag ein Buch vorgestellt hat, das in 100 000-Auflage in unserer Stadt verteilt wird. Dieses Buch von der französischen Autorin Anna Gavalda mit dem Titel „Gemeinsam ist man weniger allein“ beschäftigt sich mit der Wohnsituation von Menschen, ganz unterschiedlichen Menschen, vor allem aber auch Menschen der älteren Generation, und damit, wie man Einsamkeit und Isolation entgeht – durch Zusammenleben, durch ein Miteinander auch im Wohnumfeld.

 

Man hat bemerkt, dass dieses Buch ungeheures Interesse in der Wiener Bevölkerung auslöst, auch deshalb, weil viele Menschen unmittelbar betroffen sind, oder weil sie sich auch den Kopf darüber zerbrechen, wie sie selbst oder auch ihre Familienangehörigen in Zukunft in einer Wohnsituation leben, wo sie mit anderen Menschen gemeinsam leben, trotzdem aber auch individuellen Rückzugsbereich haben.

 

Die demographische Entwicklung gibt uns hier auch recht. Wir haben uns im Bereich der Wohnbauforschung sehr intensiv mit diesem Thema beschäftigt und sehen, dass bereits heute rund eine Viertelmillion Wienerinnen und Wiener über 65 Jahre alt ist, und die kleinräumige Bevölkerungsprognose zeigt, dass dieser Prozentsatz weiter ansteigen wird. In den nächsten 3 Jahrzehnten dürften nämlich der Anteil und die Zahl der 60- bis 74-Jährigen um 26 Prozent beziehungsweise um 69 000 Personen ansteigen. Der Anteil der Senioren der Altersgruppe 75 plus wird sogar um 96 Prozent zunehmen. Der Bevölkerungsanteil der Über-60-Jährigen wird demnach in Wien von 22 Prozent, im heurigen Jahr, auf 27 Prozent in 30 Jahren ansteigen.

 

Man sieht also, es gibt hier eine sehr starke Dynamik. Und diese Bevölkerungsentwicklung zeigt uns in Wien ja zwei ganz unterschiedliche Bereiche, nämlich zum einen, dass der Anteil an ganz jungen Menschen in unserer Bevölkerung zunehmen wird – prozentuell und in absoluten Zahlen –, aber auch der Anteil der älteren Generation überproportional stark Zuwachs gewinnen wird.

 

Von daher ist es mir natürlich wichtig, dass wir speziell auch auf die Bedürfnisse der älteren Generation im Wohnbau eingehen. Wir haben deshalb insgesamt drei aktuelle Studien der Wohnbauforschung umgesetzt. Dabei geht es um Faktengrundlagen für die Auseinandersetzung mit diesem von Ihnen, Herr GR Taucher, zu Recht angesprochenen wichtigen Thema, und es geht vor allem auch darum, wie wir außerfamiliäre Netzwerke verstärkt bilden können. Denn wir sehen, dass sich die klassische Kernfamilie deutlich reduziert, dass auch die Bedeutung der Kernfamilie abnimmt, dass die Kinder jener, die heute zur älteren Generation zählen, in einem immer geringeren Ausmaß sich auch um ihre Familienangehörigen kümmern. Und wir haben erhoben, dass die derzeit 65- bis 79-Jährigen zu 41 Prozent und die 50- bis 64-Jährigen nur noch zu 34 Prozent mit der möglichen Unterstützung ihrer Kinder rechnen können.

 

Das heißt, es gibt diesen Trend, mit dem wir uns auch beschäftigen wollen, der dadurch auch verstärkt wird, dass der Anteil der sogenannten Singlehaushalte – also jene, wo nur eine Person in der Wohnung lebt – zunimmt, und das verstärkt natürlich auch den Prozess der Reduzierung der Bedeutung der klassischen Kernfamilie. Und wir sehen, auch auf Grund der Bevölkerungsentwicklung in den Bezirken, dass das ein Thema ist, das auch in unterschiedlicher Art und Weise in den Bezirken wahrgenommen wird, auch auf Grund der kleinräumigen Bevölkerungsentwicklung.

 

So nimmt beispielsweise in den einwohnerstarken Bezirken wie Favoriten, aber auch in deinem Bezirk, der Donaustadt, oder in meinem Bezirk Floridsdorf der Anteil an Seniorinnen und Senioren überproportional stark zu. Das hängt damit zusammen, dass vor einigen Jahren, Jahrzehnten junge Familien verstärkt in diese Bezirke gezogen sind, die hohe Lebensqualität schätzen, gemeinsam in diesen Bezirken älter werden und dadurch natürlich auch eine gewisse altersmäßige Dynamik in den Bezirken auslösen.

 

Deshalb habe ich mir vorgenommen, dass wir uns speziell auch mit der Frage beschäftigen, wie die Besiedlungspolitik aussehen und insbesondere die ältere Generation betreut werden kann, und zwar auch durch Befragungen der Zielgruppe selbst. Wir haben erhoben, dass rund 54 Prozent – also mehr als die Hälfte der Befragten der Altersgruppe 50 plus – gegenseitige Unterstützung im Alltag in der Wohnform sehr schätzt und dass 45 Prozent der Befragten auch angeben, dass dieses Miteinander im Wohnen auch eine Möglichkeit sein kann, Einsamkeit und Isolation im Alter zu begegnen. Wir wissen, das ist nicht nur ein Thema in der Großstadt, wir sehen das auch als große Herausforderungen in kleineren Gemeinden.

 

Deshalb habe ich mir vorgenommen, Wohnformen besonders ausgeprägt anzubieten, aber auch der älteren Generation zu ermöglichen, möglichst lange in ihrer Wohnung zu bleiben. Denn auch auf Grund unserer Studien wissen wir, dass viele ältere Menschen möglichst lange auch in ihrer Wohnung bleiben wollen. Das erfordert neue Akzente im Neubau, aber auch im Wohnungsbestand. Wir wollen gerade in der Sanierung Maßnahmen setzen, um die ältere Generation zu unterstützen, möglichst lange in ihrer Wohnung zu bleiben.

 

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