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Gemeinderat, 60. Sitzung vom 26.11.2014, Wörtliches Protokoll  -  Seite 31 von 53

 

Stiftner, eines möchte ich von Ihnen schon wissen: Wer ist denn im Bund für die Universitäten zuständig? Seit wann ist das Wissenschaftsministerium in ÖVP-Hand? Sind es 20 Jahre, sind es mehr? Ich versuche das im Kopf: Mitterlehner, Töchterle (GRin Ing Isabella Leeb: Karl), Karl, Hahn, Gehrer. Wer war vor Gehrer? Das wissen wir schon nicht mehr. Das ist jedenfalls alles ÖVP, das steht jetzt einmal fest. Wenn man über 20 Jahre Verantwortung, politische Verantwortung für einen so wichtigen Sektor trägt, dann kann man sich nicht ohne Weiteres da herstellen (Aufregung bei GR Dipl-Ing Roman Stiftner.), Herr Stiftner, und so tun, als hätte die ÖVP mit dem gar nichts zu tun! Sie haben sehr viel damit zu tun! (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.) Sie haben sehr viel Verantwortung für diesen Sektor, wenn auch nicht unbedingt hier in der Stadt, aber auch da. Aber auf den Bund kommt es an. Und wenn wir gemeinsam dafür streiten, dass endlich dieses 2-Prozent-Ziel … Ich kann es ja schon nicht mehr hören, aber es ist seit Jahren offizielles Ziel der Bundesregierung. Es gibt einstimmige Beschlüsse des Parlaments dazu, dass, so wie es die Europäische Kommission einmal vorgeschlagen hat, 2 Prozent des Sozialprodukts in den tertiären Sektor fließen sollen, 2 Prozent des Sozialprodukts. Na ja und? Wie viel haben wir jetzt seit Jahren? Wir krebsen herum bei 1,3, 1,4 Prozent, wenn es gut geht. So, die Differenz klingt ja nach noch nicht viel, 0,6 Prozent. Ja, aber 0,6 Prozent des BIP sind, da müsste man halt wissen, wie hoch das BIP ist, ein bisschen über 300 Milliarden, also 2 Prozent davon sind 6 Milliarden insgesamt. Das heißt, es fehlen uns fast 2 Milliarden EUR jährlich. Jährlich! Und Sie wissen ganz genau, Herr Stiftner, dass die Diskussion momentan darüber geht, ob die Universitäten vielleicht, so wie es Mitterlehner nicht versprochen, aber angedeutet hat, dass sie das bekommen, ein paar Hundert Millionen mehr bekommen.

 

Aber Sie wissen so wie ich, dass der Budgetpfad, der notwendig wäre, um dieses Ziel bis 2020 zu erreichen, nirgends definiert worden ist. Der Bund nimmt dieses selbstgesetzte Ziel nicht ernst, und das seit Jahren, und das giftet mich schon, muss ich sagen. Also wenn man sich Ziele setzt, dann muss man sich auch redlich bemühen, die zu erfüllen. Aber Ziele ohne Maßnahmen zu setzen, ich weiß eh, dass das der politische Alltag ist und nicht auf den Bund beschränkt, schon gar nicht auf die ÖVP beschränkt ist, das gebe ich alles zu, aber es kann einem trotzdem auf die Nerven gehen, nicht wahr.

 

Ich ziehe nicht von ungefähr so, na ja, ich ziehe ja gar nicht über die ÖVP her, sondern ich sage nur, was derzeit fehlt und was es in Zukunft brauchen wird: Die Kooperation mit dem Bund in ausreichendem Maß, denn die Grundlagenforschung ist ja nach wie vor bei den Universitäten zentriert, nicht nur, es gibt auch außeruniversitäre Forschungsinstitutionen, die das machen, im geisteswissenschaftlichen genauso wie im technischen Bereich. Aber der Hauptanteil liegt selbstverständlich bei den Universitäten. Wenn uns das wegbricht, wenn uns das über die Jahre ausgehungert wird, dann können wir in der angewandten Forschung und beim Versuch, den Wissenstransfer zwischen Unis und Unternehmen, und so weiter, zu fördern, machen, was wir wollen. Es wird halt nicht ausreichen und nicht wirklich funktionieren. Deswegen habe ich so auf diesem Punkt beharrt.

 

Neulich, vor 14 Tagen, war ich zu einer Konferenz in Amsterdam eingeladen. Es ging eigentlich um ein Detail, wenn man so will, nämlich Student Housing, also Studentenheime. Amsterdam ist auch eine Universitätsstadt mit einer sehr hohen Studentendichte, ich glaube, rund 100 000 Studierende, allerdings mit einem sehr niedrigen Ausländeranteil. Die sehen fassungslos auf den hohen Ausländeranteil in Wien, nämlich mit Neid, wohlgemerkt, mit Neid. In Wien sind von den rund 200 000 Studenten rund ein Viertel nichtösterreichische Staatsbürger. In Amsterdam sind das 6 bis 8 Prozent. Und die wollten gerne wissen: Wie hat es Wien geschafft, derart viel internationales Humankapital anzuziehen? Ja, so reden die, in diesem Jargon. Und ich musste Ihnen sagen, na ja, ich glaube, es ist ein bissel ähnlich wie in Boston, nämlich naturwüchsig gewachsen, weil große Strategien, sei es an den Universitäten, sei es beim Bund, sei es bei der Stadt Wien, dieses internationale Humankapital anzuziehen, muss ich ehrlich sagen, ich sehe gewisse Initiativen, aber die Riesenstrategie, die Rahmenstrategie sehe ich nicht. Der Zustrom hat eine Reihe von Gründen: Die hohe Lebensqualität Wiens, das Preisniveau ist, verglichen mit Paris oder London zum Beispiel, nicht hoch. In London müssen sie für ein Zimmer in einem Studentenheim mit dem Zwei- bis Vierfachen der Wiener Preise rechnen. Das kann sich einmal nicht jeder leisten, solche Dinge. Und natürlich ist der sehr gute, ich sage nicht, hervorragende, aber der sehr gute Ruf, die Reputation der Wiener Universitäten, eine Conditio sine qua non.

 

Aber andere Städte bemühen sich auch, das zu machen. Die Konkurrenz schläft nicht. Also wir müssen uns schon bewusst sein, dass Kopenhagen, Amsterdam, München, Barcelona, um nur die wichtigsten Konkurrenten zu nennen, natürlich auf dem gleichen Trip sind wie Wien, wenn man so will. Im Amsterdamer Rathaus hab ich die englische Broschüre des Smart-City-Programms überreicht und die Vizebürgermeisterin hat sich das interessiert durchgeblättert und dann hat sie gesagt, sinngemäß: „They´re doing the same things as we do.“, natürlich unter anderen Rahmenbedingungen. Amsterdam ist von der Struktur her anders, aber von der Idee her bemühen die sich, das Gleiche zu tun. Es war eine Gelegenheit, in Amsterdam zu sagen: Verlangen Sie von mir nicht, die österreichische Strategie zu erklären, viele ausländische Studierende zu haben, aber sie dann des Landes zu verweisen, um es etwas überspitzt auszudrücken. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.) Verlangen Sie das von mir nicht, ich kann es nicht erklären. Von den 50 000 Studenten in Wien, die nichtösterreichische Staatsbürger sind, sind vielleicht 3 000 bis 5 000 eigentlich Wiener, nämlich vor allem gebürtige Serben und Türken, die halt keinen österreichischen Pass haben, aus welchen Gründen auch immer. Drei Viertel dieser 50 000, die Statistiken sind unverlässlich, aber ich sage einmal, zwei Drittel bis drei Viertel stammen aus EU-Ländern und der Rest aus sogenannten Drittstaaten. Der Rest sind dann immer

 

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