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Gemeinderat, 2. Sitzung vom 10.12.2015, Wörtliches Protokoll  -  Seite 109 von 125

 

durchaus auch Leistung und auch ein gewisses Bekenntnis zu Eliten fördert. (Beifall bei den NEOS.)

 

Ich möchte noch auf einen anderen Punkt eingehen - weil das jetzt einfach gut auch zur Debatte rund um islamische Kindergärten passt -, und zwar auf einen Aspekt, der auch ein Kernbestandteil nicht nur des französischen Bildungssystems, sondern auch der Verfassung in Frankreich ist, nämlich auf das Prinzip der Laizität.

 

Ist Frau Kugler da? – Gudrun! ich habe genau auf das geachtet, was du gesagt hast. Ich glaube, man darf Laizität, wobei es sich um die Neutralität des Staates gegenüber Weltanschauung, Philosophie und Religion handelt, nicht verwechseln mit Säkularismus. Das eine ist nicht unbedingt gleich das andere. Neutral zu sein gegenüber, wie gesagt, philosophischen Richtungen, Weltanschauungen und Religionen und das auch in einem Bildungssystem und für Kindergärten einzufordern, sind in Frankreich selbstverständlich Bestandteil eines Bildungssystems. Ab drei Jahren gelten dort Schulen, natürlich im frühkindlichen Bereich, als Teil des Bildungssystems, und es wird selbstverständlich eingefordert, dass diese Neutralität dort auch eingehalten wird. Das ist aber nicht gleichbedeutend damit, dass man als Staat auch eine säkulare Gesellschaft will. Das ist nicht Ziel und nicht Zweck der Laizität.

 

Was ich damit sagen möchte, ist: Eine säkulare Gesellschaft besteht sowieso in Europa. Einerseits ist es vielleicht sogar eine religiöser werdende Gesellschaft, auf der anderen Seite aber machen wir uns vor, dass es eine säkularer werdende Gesellschaft ist. Laizität und Säkularismus haben aber jedenfalls nichts miteinander zu tun. (GR Mag. Dietbert Kowarik: Sie müssen das wahre Problem sehen! Sie müssen zum Punkt kommen!)

 

Dabei handelt es sich auch nicht um Beliebigkeit gegenüber Traditionen, Kulturen und Brauchtum. (Zwischenruf von GR Mag. Dietbert Kowarik.) Schauen Sie: Wenn Sie nicht mitkommen bei dem, was ich sage, dann tut mir das leid! Dann machen wir einmal ein Privatissimum, und ich erkläre Ihnen gerne den Unterschied. Aber was soll das jetzt? (GR Mag. Dietbert Kowarik: Skizzieren Sie die Lösungen! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

 

Ich bemühe mich hier um eine differenzierte Debatte in einer wirklich schwierigen Frage. Ich habe nämlich auch als Mutter in dieser Stadt und als Politikerin natürlich das Anliegen, dass wir Kindergärten haben, die betreffend das, was dort vermittelt wird, unseren Wertesystemen entsprechen. (Zwischenruf von GR Mag. Dietbert Kowarik.) Nein, das ist keine neue Politikerphrase! Ich habe ein Anliegen. Aber ich werde gerade deshalb, weil ich an Lösungen interessiert bin, gerade in diesem Bereich nicht populistische Aussagen treffen und Angst machen. Das ist vielleicht der große Unterschied zwischen dem neuen Österreich und dem alten Österreich, wie es hier sitzt. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenrufe bei FPÖ und ÖVP.)

 

Ich skizziere jetzt konkret unsere sechs Punkte für eine Bildungsreform: Wie stellen wir uns das vor?

 

Erster Punkt: Schulen und Bildungseinrichtungen müssen raus aus dem parteipolitischen Würgegriff. Wir haben natürlich - das haben wir bei der Bundesbildungsreform gesehen - auch hier dieses Gezerre, wobei es letztlich um machtpolitischen Zugriff geht. Das Parteibuch hat aber in den Schulen nichts verloren! Ich bin der Meinung, dass auch der Stadtschulrat als letztlich parteipolitisches Gremium abgeschafft gehört. Es reicht allerdings nicht, das Türschild auszutauschen und „Direktion“ draufzuschreiben, wenn quasi der Bestellungsmodus in etwa gleich bleibt, sondern es soll sich dabei um eine echte Bildungsdirektion handeln, die vor allem serviciert und überprüft, ob die Schulen genügend Ressourcen haben, um die Bildungsstandards zu erreichen, die wir natürlich überall erreichen müssen. (Beifall bei den NEOS.)

 

Der zweite Punkt ist eine mündige Schule: Wir haben das Modell der mündigen Schule von 10 bis 15 Jahren. Dabei geht es um eine Schule der Vielfalt, aber auch um eine Vielfalt an Schulen, und zwar um umfassend autonome Schulen nicht nur in pädagogischer und didaktischer Hinsicht, sondern gerade auch in personeller und in budgetärer Hinsicht. Zweiteres wird klarerweise am schwierigsten zu verwirklichen sein, aber ich appelliere geradezu an alle verantwortlichen Bildungspolitiker hier, den Schulen in budgetärer Hinsicht mehr Raum zu geben, und zwar über höhere Globalbudgets, wenn es schon nicht die umfassende budgetäre Autonomie gibt, um die Möglichkeit zu schaffen, Schwerpunkte zu setzen und tatsächlich am Schulstandort zu entscheiden, was vonnöten ist. Es sind nämlich die Direktorinnen und Direktoren und die Lehrer an den Schulen, die am besten wissen, was am Schulstandort gebraucht wird, und es kann sicherlich nicht eine Lösung für alle geben.

 

Der dritte wichtige Punkt ist ein formeller Bildungsabschluss für alle, eine Mittlere Reife am Ende der Pflichtschule, am besten mit 15 Jahren. Dort sind entsprechende Bildungsstandards zu erreichen, und zwar für alle Schulen. Das heißt, es soll unterschiedliche Wege und unterschiedliche Schwerpunkte, aber ein gemeinsames Team geben, um diese Bildungsstandards zu erreichen. (GR Mag. Dietbert Kowarik: Das Ziel hat jeder!)

 

Das mag Ihnen vorkommen wie eine Utopie, aber diese Utopie ist gar nicht so weit entfernt. Setzen Sie sich ins Flugzeug, fliegen Sie nach Schweden, fliegen Sie in die Niederlande! Sie werden sich diese Modelle einer umfassenden Schulautonomie dort anschauen können. Und betreffend Mittlere Reife müssen Sie nicht einmal so weit gehen, da brauchen Sie einfach nur über die Grenze nach Deutschland zu fahren, um sich das anzusehen!

 

Der vierte Punkt betrifft die freie Schulwahl ohne Schulgeld. Was meine ich damit? – Eine echte Gleichbehandlung zwischen öffentlichen Schulen, konfessionellen Privatschulen und Privatschulen. Im Idealfall sollte man über eine Umstellung der Finanzierung hin zu einer Subjektfinanzierung kommen nach dem Prinzip: Das Geld folgt dem Schüler. Was will ich damit erreichen? – Das brächte, abgesehen von einer echten Gleichbehandlung der Schultypen auch ein größeres Angebot an

 

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