Gemeinderat, 3. Sitzung vom 16.12.2015, Wörtliches Protokoll - Seite 96 von 99
Wie allgemein bekannt, bin ich eher ein Fan sachlicher Auseinandersetzung. Das sollte man auch in diesem Falle so halten. Ich tue mir nur bei zwei Dingen schwer und werde daher von dieser Linie ein bisschen abweichen müssen.
Erstens, weil ich eine gewisse Emotion mit dem Amerlinghaus habe. Das Amerlinghaus ist 1978 quasi in Vollbetrieb gegangen. Seit dem Zeitpunkt kenne ich das Haus auch, weil dort war die Zentrale der WOGA, der Wiener Organisation gegen Atomkraftwerke. Und dann haben wir gemeinsam versucht, Zwentendorf zu verhindern. Das war eine gute Sache und darauf bin auch sehr stolz. Heute ist das Mainstream. Und das ist im Amerlinghaus erfunden worden. Wir haben uns nur die Volksabstimmung im Fernsehen nicht im Amerlinghaus anschauen können, weil es zu klein war. Das war im Albert-Schweitzer-Haus, als wir dann - unter Anführungszeichen - gewonnen haben.
Das ist das Amerlinghaus. Das Amerlinghaus ist eine bunte Einrichtung unterschiedlichster Gruppierungen. Heute geht es nicht um die Gruppierungen. Es geht um das Amerlinghaus an sich, um die Miete, das Facility-Management und um die Frage des Personals, nicht um die Frage der Gruppen. Das haben wir schon hinter uns, nämlich die Subventionen der einzelnen Gruppen.
Ich weiß es deshalb, weil wir das, was jetzt so besorgniserregend angebracht worden ist, gelöst haben. In guter Absprache und Kooperation mit dem Haus haben wir uns zusammengesetzt und haben sichergestellt, dass die Mieten, die Strom- und Gasrechnungen und die Gehälter der Angestellten pünktlich bezahlt werden. Einfacherweise wird das Geld direkt an die Vermieterin weitergeleitet. Das ist nichts Schlechtes, das ist etwas sehr Gutes. Damit schafft es eine Ordnung auch im haushaltsrechtlichen Sinn. So gesehen ist das ein sehr ordentlicher Antrag, auch was die Abwicklung betrifft, zum einen.
Zum anderen, das Amerlinghaus ist natürlich ein kulturelles Projekt, meine Damen und Herren. Sehr geehrter Herr Vorredner, was Kultur in dieser Stadt ist, legen nicht Sie fest! (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Um es klarzustellen, wir auch nicht. Kultur ermächtigt sich selbst und definiert sich selbst. (GR Mag. Wolfgang Jung: So ist es nicht! Oder sind Sie dafür, Herr Kollege? Ist das Kultur?) Herr GR Jung, Kultur ist, wie der Mensch arbeitet und lebt und Kultur ist Freiheit.
Eine von mir sehr geschätzte Genossin meiner Bewegung, die Genossin Rosa Luxemburg, hat einmal gesagt: „Freiheit ist zuallererst die Freiheit der Andersdenkenden.“ Seien Sie sich im Sicheren, dass im Amerlinghaus Dinge diskutiert, geplant und gefordert werden, die mir furchtbar auf die Nerven gehen. (GR Mag. Wolfgang Jung: Uns auch!) Wirklich! Ehrlich! Aber das ist das Wesen von Freiheit. Es ist wurscht, ob mir das auf die Nerven geht, sie dürfen das. Wenn Sie der Auffassung sind, dass dort irgendetwas Illegales passiert (GR Mag. Wolfgang Jung: Die Linkswende!), gehen Sie zur Staatsanwaltschaft und zeigen Sie die Leute an! Das tun Sie aber nicht! (GR Mag. Wolfgang Jung: Sie dürfen es, aber förderungswürdig ist es nicht!) Das ist etwas ganz anderes. Ob es förderungswürdig ist oder nicht, kann man im Einzelfall bei den Projekten und bei den Gruppen diskutieren. Da rede ich Ihnen auch nichts ein. Sie sind halt nicht der Meinung und wir sind es halt schon. (GR Mag. Wolfgang Jung: Ihre Wähler aber auch nicht!)
Aber darum geht es nicht. Es geht um das Haus an sich. Es geht um die Institution, das Haus an sich und die Frage: Wollen wir in Wien Freiräume für Andersdenkende? Die Antwort heißt schlicht und ergreifend: Ja, selbstverständlich wollen wir das! (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Wenn irgendjemand in diesem Hause behaupten wollen würde, dass es sich beim Amerlinghaus um ein sozialdemokratisches Projekt handelt, würde das weit von uns gewiesen werden, übrigens auch von den Leuten im Amerlinghaus. Das ist kein sozialdemokratisches Projekt, aber es ist ein schönes Projekt, das sein soll und das man solidarisch unterstützen muss. Darum geht es heute hier und um nichts anderes.
Dass da natürlich von Seiten der Konservativen ein Kulturkampf geführt wird, verstehe ich schon. Übrigens mit ganz komischen Begriffsverwirrungen. Es wäre auch ganz wichtig für eine politische Akademie, zu erklären, was ein Kapitalist ist und was er nicht ist. Aber der Subventionsnehmer ist nicht per se, weil er Geld kriegt, ein Kapitalist. Nur so viel ins Stammbuch geschrieben.
Ehrlich gesagt, was da in Wirklichkeit angedacht wird, ist, einer bestimmten Szene, einer bestimmten Geisteshaltung, einem bestimmten Bereich der Freiheit die substanzielle Grundlage zu entziehen, nämlich zu verhindern, dass dort ein Ort ist, wo sich Menschen unterschiedlichster Auffassung und unterschiedlicher Haltung treffen können und die Möglichkeit haben, sich zu verwirklichen. Sei es die Linkswende, sei es, was weiß ich, wer. Wer solche Orte der Demokratie, wo sich Menschen unterschiedlichster Art treffen können, wo sie quasi einen freien Raum haben, wo sie sich austauschen können (GR Mag. Wolfgang Jung: Den dürfen sie eh haben!), der durch die Mehrheitsgesellschaft, auch über gesellschaftliche Brüche, gesichert ist, austrocknen und bekämpfen will, bekämpft die Demokratie in ihrer Substanz selbst. Das muss man zurückweisen, meine Damen und Herren! Ganz im Gegenteil, solche Räume sind zu verteidigen! (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Ich spare mir absichtlich die Bewertung, welche Kulturprojekte welcher politischen und sonstigen kulturellen Formationen wertvoll oder nicht wertvoll sind. Da fielen mir mengenweise Dinge ein, auch auf der rechten Seite, über die man diskutieren kann. Aber darum geht es nicht.
Da geht es zum Beispiel um die Frage: Können dort schöne Projekte stattfinden? Ich werde Ihnen ein schönes Projekt sagen. Das ist ein Buch, das ich gestern zufälligerweise, wie das Leben so spielt, geschenkt bekommen habe. Das Buch hat den Titel: „fast schon ein ritual“. Das ist ein Buch über die Frau Gaby Glueckselig, die im Alter von 101 Jahren im April dieses Jahres gestorben ist, eine Emigrantin aus Österreich, die in New York einen Stammtisch für EmigrantInnen gemacht hat. Diesen hat es lange gegeben und es gibt ihn immer
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