Gemeinderat, 63. Sitzung vom 20.02.2015, Wörtliches Protokoll - Seite 12 von 68
Gender Studies und Queer Studies. Diese haben einen unterschiedlichen Ansatz in der Betrachtungsweise von Geschlecht. Wenn ich das jetzt richtig wiedergebe, dann wird bei den Gender Studies das biologische Geschlecht als gegeben anerkannt und nur das soziale Geschlecht das Konstrukt gesehen. Bei den Queer Studies hingegen wird selbst das biologische Geschlecht als wandelbar und definierbar angesehen.
Dem Ganzen liegt eine Theorie zugrunde, die ich persönlich als hoch problematisch, wenn nicht gerade gefährlich erachte, nämlich der Dekonstruktivismus, dass man quasi alles auflösen kann, weil angeblich die Realität nur durch die Sprache konstruiert ist und nicht die Sprache die Realität abbildet.
Jetzt meine Frage: Sehen Sie in der Stadt Wien beziehungsweise in der Zukunft in der Stadt Wien noch einen relevanten Ansatzpunkt am biologischen Geschlecht oder wird die Stadt Wien gänzlich umschwenken in Richtung soziales Geschlecht oder Identitätsgeschlecht, wie ich es Ihren Broschüren entnehmen kann? Beziehungsweise wenn Sie auf das umschwenken wollen – linke Parteien neigen ja dann immer zur Tendenz, gewisse Quoten und Förderungsprogramme einzuführen – und wenn es jetzt, wie auf Facebook zum Beispiel, schon 70 Geschlechter gibt, wie schauen dann Ihre Quotenregelungen aus? Wird es dann für jedes Identitätsgeschlecht eine eigene Quote geben, einen eigenen Beauftragen, möglicherweise mit grüner Beteiligung? Oder welche Pläne haben Sie da?
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Bitte, Frau Stadträtin.
Amtsf StRin Sandra Frauenberger: Herr Abgeordneter, in Ihrer ideologischen Positionierung kann ich mir schon gut vorstellen, dass Sie mit Mehrfachidentitäten ein großes Problem haben. Es ist nur die reale Welt. (Zwischenruf von GR Armin Blind.) Oder wie sie Ihnen gefällt. Die Stadt setzt nicht dort an, Menschen zu unterscheiden, sondern die Stadt setzt dort an, Menschen in ihrer gesamten Individualität zu unterstützen. Der Ansatz der Stadt ist, dass jeder Mensch in einer Menschrechtsstadt das Recht darauf hat, diskriminierungsfrei zu leben und selbst zu entscheiden, in welcher Form und ich welchem Geschlecht ein Mensch leben möchte. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.) Diese Entscheidung obliegt den Menschen selbst, und darüber kann niemand urteilen, schon gar nicht in einer Menschenrechtsstadt Stadt Wien.
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Sehr geehrter Frau Stadträtin, ich danke Ihnen ganz ausdrücklich für die Beantwortung dieser Frage.
Die 4. Anfrage (FSP - 00477-2015/0001 - KSP/GM) wurde von Frau GRin Mag Jischa gestellt und ist an die Frau amtsführende Stadträtin der Geschäftsgruppe Integration Frauenfragen, KonsumentInnenschutz und Personal gerichtet. (Am 8. März feiern wir den Internationalen Frauentag 2015, wo auch das Dialogforum Gleichstellung endet. Sehr geehrte Frau Stadträtin, können Sie uns etwas über die Ergebnisse der Workshops zum Gleichstellungsmonitor berichten?)
Bitte, Frau Stadträtin
Amtsf StRin Sandra Frauenberger: Ja, kommen wir weiter zur Geschlechterfrage. Das ist ja heute die 4. Frage, die sich sowohl mit dem biologischen, aber auch mit der Frage des sozialen Geschlechts der Frau auseinandersetzt.
Der 8. März, der Internationale Frauentag, ist ein Tag, an dem wir immer wiederum die Gelegenheit wahrnehmen, auf der einen Seite die Frauen zu feiern, aber auf der anderen Seite auch entsprechende Forderungen für Frauen aufzustellen, damit Frauen gleichgestellt leben können. Wir haben im Vorfeld dazu – auch im rot-grünen Regierungsprogramm miteinander vereinbart – den Gleichstellungsmonitor entworfen, und dieser Gleichstellungsmonitor wird nun alle drei Jahre den Grad der Gleichstellung messen.
Jedenfalls ist es aber so, dass wir nicht nur ein statistisches Zahlenwerk haben wollten, nicht nur ein Analysewerk in der Hand haben wollten, sondern wir wollten in einen Dialogforum mit den Frauen gemeinsam darauf schauen, wie sie die Ergebnisse des Gleichstellungsmonitors bewerten, wo sie besondere Punkte haben, wo sie sagen, in ihrer Lebensrealität haben sie hier oder da Diskriminierungserfahrung gemacht oder braucht es eine entsprechende Gleichstellung. Dafür haben wir eben eine ganz neue Methode entwickelt. Wir haben letzte Woche am Freitag dazu einen Bürgerinnenrat gemacht, wo wir nach dem Zufallsprinzip Frauen eingeladen haben und mit ihnen dann diesen Monitor so durchgearbeitet haben, dass wir abgewogen haben, wo denn hier von ihnen besondere Betroffenheit in ihrem Alltag gesehen wird. Wir haben uns natürlich in den unterschiedlichsten Lebensrealitäten anschauen wollen, wo denn die Frauen, auch an Hand dieses Zahlenwerks - Gleichstellungsmonitor -, der Schuh drückt, und wir sind einmal mehr draufgekommen, dass es natürlich so ist, dass gerade diese stereotypen Rollenbilder, die immer noch die Zuordnungen „typisch weiblich“, „typisch männlich“ generieren, eine sehr, sehr große Herausforderung sind. Wenn wir uns mit 11- bis 16-jährigen Mädchen darüber unterhalten haben, was sie einmal werden wollen, und Mädchen mit ihren 13 Jahren dann dort sagen, ich möchte gerne Automechanikerin werden, obwohl ich ein Mädchen bin, da kann man schon selbst sehen, wie reflektiert ein Mädchen in diesem Alter schon ist und welche Rollenbilder dieses Mädchen da auch schon mitdenkt. Man muss aber dann auch sehen, dass man genau gegen diese Bilder dann auch entsprechend ankämpfen muss. Das heißt, es braucht auch immer ein Stück weit Mut, und es braucht auch eine große Portion Selbstbewusstsein.
Das sehen wir bei den Kleinen, und das zieht sich dann natürlich weiter fort im Leben einer Frau, wo man dann auch sieht, dass natürlich gerade auch die Rahmenbedingungen, wie Frauen leben, wie bezahlte und unbezahlte Arbeit ungerecht verteilt sind, Ausschließungsgründe dafür sind, dass Frauen Karrieren machen, die sie sich vielleicht irgendwann einmal erträumt haben, oder auch Ausschließungsgründe dafür sind, dass sie sagen, okay, diesen Beruf kann ich nicht machen, weil ich mir einfach mit diesen Rollenzuschreibungen nicht
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