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Gemeinderat, 66. Sitzung vom 24.04.2015, Wörtliches Protokoll  -  Seite 36 von 86

 

Ja zu einer humanitären Verpflichtung. Das ist doch gar keine Frage! Aber das Konzept, das jetzt schreckartig überall herumgeht, alle nach Europa zu lassen, kann mit Sicherheit nicht funktionieren! (Beifall bei der FPÖ und von GR Dr Wolfgang Aigner.)

 

Ein weiteres Beispiel, das am Rande den Gemeinderat hier trifft, ist die Ukraine. Sie erinnern sich zurück an die Revolution, an die Wirrnisse, an den Putsch, egal, wie man es bezeichnen mag, am Maidan, wo Janukowitsch quasi fluchtartig das Land verlassen musste und in weiterer Folge eine Friedensbewegung mit Sturm- und Maschinengewehren am Maidan einen Regimewechsel herbeigeführt hat. Interessant ist, dass dieser Herr Janukowitsch, der damalige Regierungschef der Ukraine, von einer Minute auf die nächste, nachdem die Amerikaner das so vorgegeben haben, zur Unperson erklärt wurde. Dass er zwei Monate vorher bei Ihnen hier im Rathaus war, Gast von Bgm Häupl war, vom rot-grünen System empfangen wurde, vom Bundeskanzler empfangen wurde, vom Wirtschaftsminister empfangen wurde, will man nicht mehr wissen. Mein Vorwurf an Sie ist derjenige, dass Sie sich von US-amerikanischen Interessen lenken lassen. Ab dem Zeitpunkt, wo es heißt, Sie müssen ihn für böse erklären, ist es Ihnen völlig wurscht, wenn ein Regime ans Ruder kommt, in dem erklärte Antisemiten und Rechtsextremisten hocken. Das ist alles unerheblich! Das ist die neue Demokratiebewegung! In Wahrheit erklären Sie auch die, sage ich, über Jahre und Jahrzehnte gelebte Partnerschaft mit den Russen von einem Tag auf den anderen für beendet und es ist Ihnen völlig egal, ob das Arbeitsplätze kostet, ob Unternehmen zusperren müssen. Sie stimmen einfach in dieses internationale Russen-Bashing mit ein, anstatt nach außen als Vertreter eines neutralen Landes zu sagen, setzen wir uns an den Verhandlungstisch, versuchen wir, einen tripolaren Weg zwischen den Russen, zwischen der Europäischen Union und den Ukrainern zu finden, wie wir auf Dauer Frieden absichern und die Situation wieder so deeskalieren lassen können, dass es zum Vorteil der Menschen ist und nicht dem Interesse US-amerikanischer oder sonstiger europäischer Einflussträger dient, sondern Arbeitsplätze absichert, Frieden absichert und für alle Beteiligten das Beste schafft. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren, meine Vorrednerin hat die Bankenrettung und generell die Rettungspolitik angesprochen. Erinnern wir uns zurück an das Jahr 2008 und Lehman Brothers. Ich möchte jetzt nicht im Detail darauf eingehen, was verantwortlich war. Aus meiner Sicht gibt es einen erklärten und unzweifelhaft Schuldigen an dem Ganzen. Dieser unzweifelhaft Schuldige ist die Gier, die leider weit verbreitet ist. Aber, wie auch immer, Lehman Brothers ging den Bach hinab und hat das europäische Bankensystem ins Schleudern gebracht. Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten, wie man damit umgehen kann: Möglichkeit Nummer 1 wäre gewesen, auf Grund der Irritationen im Finanzsektor Geld in die Hand zu nehmen, in den mittelständischen Wirtschaftssektor zu überführen, damit die Wirtschaft bei uns wieder mehr ins Laufen kommt und damit diesen Bewegungen entgegenwirken kann. Die andere Variante ist eine, die seit 2008 in Permanenz beibehalten wird. Man hat nie Geld in die Hand genommen, um die Wirtschaft zu stärken, nämlich die kleine und mittelständische, nie Geld in die Hand genommen, um den Menschen zu helfen, man hat den Bondmarkt, das sind die Anleihen, mit Geld der Europäischen Zentralbank abgesichert, damit diejenigen, die über die Griechenanleihen verfügt haben - das waren große Banken und große Versicherer -, nicht in Verluste überführt werden mussten. Wissen Sie, wie das Spiel war? Die Europäische Zentralbank hat damals um einen Prozentpunkt Geld zur Verfügung gestellt, das abgerufen werden konnte, damit dann Spekulanten im Banken- und Versicherungsbereich und in großen Hedgefonds um 7, 8, 9 Prozent, es waren zeitweise bis 15 Prozent, Griechenland-Anleihen, portugiesische Anleihen erwerben konnten und 14 Prozent Schnitt ohne irgendein Risiko machen, ohne irgendetwas zu tun, während die europäischen Völker immer ärmer werden, während die Arbeitslosigkeit in Portugal, in Spanien, in Italien und in Griechenland immer mehr explodiert, während Sie all die Herzschmerz-Geschichten erzählen, die ich genauso als solche erachte und sehe, dass junge Mütter in Griechenland ihre Kinder abgeben müssen, weil sie es finanziell nicht mehr schaffen, diese großzuziehen, weil in Norditalien die Suizidrate nach oben klettert, und so weiter, und so fort. Es ist doch eine Politik, wo Sie nur sehr schwer erklären können, dass das im Interesse der Völker Europas und seiner Menschen liegt! (Beifall bei der FPÖ.)

 

Das liegt einzig und allein im Interesse von Banken, von Versicherern, von Big Playern, die fetter und immer fetter werden. Dann gibt es Versuche der Sozialdemokratie - Herr Leichtfried, vielleicht sagen Sie dann auch etwas dazu -, indem gesagt wird, probieren wir es mit einer Finanztransaktionssteuer. Im Prinzip kann man darüber reden. Aber die Finanztransaktionssteuer heißt nicht, dass ich dann jeden, der mit wenigen Euros Aktien kauft, diesbezüglich auch zur Kassa bitte. Eine Finanztransaktionssteuer müsste bedeuten, dass ich den ganzen Bereich des Hochfrequenzhandels, des „Over the counter“-Handels, der sogenannten „Dark Pools“ in den Börsen, heranziehen muss. Dort rennt das große Geschäft. Dort werden finanziell gigantische Volumina bewegt. An diese, Herr Leichtfried, hat man nie gedacht. Den Hochfrequenzhandel könnte ich regulieren, indem ich mit einer Finanztransaktionssteuer nur diesen zur Kassa bitte und nicht den kleinen Investor, der ein paar Aktien kauft, um sie wieder in die Wirtschaft hineinzupumpen.

 

Diese Politik der Europäischen Union, diese Politik der Europäischen Zentralbank ist eine Unanständige. Ich lasse mich bei dieser Kritik nicht beirren. Ich bleibe da auf Kurs, auch wenn sie mir zehn Mal erklären, das ist schiach, ist böse und ich bekenne mich nicht zu alldem. Ich bekenne mich auch nicht dazu. Ich will ein anderes Europa. Ich hätte gerne ein Europa, das auf Frieden, auf sozialen Absicherungen, auf Prosperität, auf einer Völkerfreundschaft zueinander fußt und nicht eines, das unseren Kontinent immer mehr den Interessen der

 

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