Gemeinderat, 70. Sitzung vom 23.09.2015, Wörtliches Protokoll - Seite 32 von 94
beschreibt, wie ihm ein Deutschlehrer geholfen hat. Unterstützende Lehrer und Lehrerinnen können erste Wegbegleiter und Wegbegleiterinnen sein, wie es sie zum Glück auch heute wieder gibt.
Es gibt zahlreiche weitere Menschen, die als Flüchtlinge zu uns nach Wien kamen und unsere Gesellschaft heute unheimlich bereichern. Wir sollten ihre Fähigkeiten und Talente nutzen, weil das für diese Menschen gut ist und weil das für uns gut ist, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Es muss uns gelingen, die besten Köpfe nach Wien zu holen. Es muss uns gelingen, offen zu sein für Menschen in Not. Es muss uns gelingen, im Neuen eine Chance zu sehen und uns auf die Herausforderungen von morgen einzustellen. Nur dann wird es uns auch gelingen, die Top-Stadt zu bleiben, die wir sind. Mit der vorliegenden neuen FTI-Strategie bekennen wir uns dazu, eine pulsierende, menschliche, bunte Metropole zu sein und bleiben zu wollen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe es eingangs erwähnt: Wien muss und Wien wird technische und soziale Innovation verbinden. Wettbewerbsfähigkeit und soziale Verantwortung sind kein Widerspruch. Im Gegenteil: Diese Kombination stellt den wesentlichen Standortvorteil unserer Stadt dar! Dazu haben wir uns in der Smart-City-Rahmenstrategie bekannt, und dazu bekennen wir uns heute. Innovation muss den Menschen dienen!
Ein herausragendes historisches Beispiel sind etwa die Antworten des Roten Wien auf Wohnungsnot, aber auch der Umgang mit der sogenannten „Wiener Krankheit“, der Tuberkulose. Man hat innovative Lösungen für bestehende Probleme gefunden. Die Errungenschaften der 20er Jahre im städtischen Wohnbau, bei der Kinderbetreuung, im Zusammenhang mit Hilfsleistungen wie Windelpaketen und der Schaffung von Waschanstalten sind Meilensteine der sozialen Innovation, von denen wir noch heute profitieren.
Wie aber sehen solche Meilensteine in Zeiten der digitalen Revolution aus? Wie können wir über Datensicherheit sprechen? Wie können wir die Teilhabe aller an modernen Prozessen sicherstellen? Wie hilft Technologie tatsächlich, das Leben der Menschen zu verbessern? Letzteres ist dem Roten Wien ohne Zweifel ganz vorbildlich gelungen! – Wir müssen die Grenzen des Gewünschten gesellschaftlich diskutieren. Nicht alles, was technisch möglich ist, muss auch gesellschaftlich wünschenswert sein. Umgekehrt können technologische Lösungen sehr wohl unseren Lebensstandard steigern. Aber: Sind wir beispielsweise bereit, Privatheit für Bequemlichkeit aufzugeben?
Die Auswirkungen von Innovation auf die Menschen müssen berücksichtigt werden. Der Ausdruck Technikfolgenabschätzung klingt vielleicht nicht sehr aufregend, sondern sehr sperrig. Das ist aber zwingend notwendig.
Wenn wir immer produktiver werden, wenn künstliche Intelligenz uns Arbeit abnimmt, dann ist das erfreulich. Wenn Unfälle durch selbstfahrende Fahrzeuge reduziert und schwere Arbeiten durch Maschinen erleichtert werden, dann ist das wunderbar! Es ist ein Fortschritt, dass gerade viele Tätigkeiten, die weniger sinnstiftend sind, maschinell erledigt werden können. Daran muss jedoch unmittelbar die Frage anknüpfen, wie wir sinnstiftende menschliche Arbeit und Einkommen verteilen. Wir müssen uns fragen: Welche Konsequenzen haben die technologischen Veränderungen, und wie können und wollen wir diese gestalten? Wir müssen einer technologischen Spaltung unserer Gesellschaft entgegentreten. Das gute Leben der einen darf nicht zu Lasten der anderen verwirklicht werden. Und wir müssen dafür Sorge tragen, dass moderne, individualisierte „Produzenten-Konsumenten-Beziehungen“ – Stichwort „Sharing Economy“ – nicht zu Lasten von arbeitsrechtlichen Regelungen und kollektivvertraglichen Löhnen gehen. Sozialrechtliche Absicherungen sind eben keine altmodischen Marotten, sondern hart erkämpfte Standards, die für eine gerechtere und lebenswertere Gesellschaft unabdingbar sind. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Das heißt nicht, dass der Fortschritt aufgehalten werden soll. Im Gegenteil: Wir wollen ihn gestalten, und wir wollen ihn für alle nutzbar machen! Wir wollen den Menschen unbegründete Ängste vor Neuem nehmen, wir wollen aber begründete Ängste auch sehr ernst nehmen.
Wir wollen technologische Innovation, wir wollen „das gute Leben“, wir wollen eine Entlastung der Menschen, wir genießen den Luxus mobiler Kommunikation, wir freuen uns an medizinischen Fortschritten, und wir nutzen jeden Tag ganz selbstverständlich eine Vielzahl digitaler Technologien. Den Fortschritt gestalten heißt allerdings, Chancen und Risiken kennen und abwägen. Den Fortschritt gestalten heißt auch, dass jedem Menschen das Recht eingeräumt wird, am Fortschritt zu partizipieren.
Wir bekennen uns ohne Wenn und Aber zum Forschungsstandort Wien, aber genauso auch zum Wirtschaftsstandort Wien. Wir bewundern Menschen, die mit Unternehmensgeist und Forschungsinteresse nach neuen, besseren Lösungen suchen, und wir werden auch künftig Forschung und Innovation im bestmöglichen Rahmen unterstützen.
Ein wunderbares Beispiel dafür, sehr geehrte Damen und Herren, dass Innovation nicht immer nur technologisch sein muss, sondern auch kreative Aspekte haben kann, hängt heute um meinen Hals. Sehen Sie: Mein Schmuckstück lebt! – Leonhard Peschta, ein Wiener Juwelier und Schmuckdesigner in dritter Generation, hat im Jahr 2013 – übrigens mit Unterstützung der Wirtschaftsagentur Wien – über die Förderschiene departure sein Unternehmen gegründet und seine ersten beweglichen Schmuckteile entwickelt. So ist aus solider, handwerklicher Tradition ein modernes innovatives Design „Made in Vienna“ entstanden, das auch schon international für Furore sorgt.
Sehr geehrte Damen und Herren! Mit der neuen FTI-Strategie „Innovatives Wien 2020“ ist es meines Erachtens sehr gut gelungen, einen Rahmen zu formulieren, der deutlich macht, wie die Stadt Wien ihre Forschungs-, Technologie- und Innovationspolitik betreiben wird.
Ich darf mich herzlich bei allen bedanken, die an der Erstellung dieser Strategie mitgewirkt haben, insbeson
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