«  1  »

 

Gemeinderat, 70. Sitzung vom 23.09.2015, Wörtliches Protokoll  -  Seite 35 von 94

 

Informations- und Kommunikationstechnologie. Und gerade in den letzten Tagen habe ich auch in einem deutschen Medium gelesen, wie dringend sozusagen Systemdesigner für diesen Bereich, ob sie eine mathematische Ausbildung oder eine Ausbildung in Informatik haben, gesucht werden.

 

Darüber können wir lange nachdenken, und ich spreche jetzt die Frau Vizebürgermeisterin mit der schwierigen, nicht leicht zu beantwortenden Frage an: Wie können wir auch mehr junge Frauen mit 17, 18 Jahren motivieren, sich für einen technischen, mathematischen Zweig zu entscheiden? Wieso ist das noch immer nicht wirklich möglich?

 

Wenn ich sozusagen eine Bemerkung beziehungsweise einen Wunsch an die Schule in diesem Kontext frei hätte, dann würde ich sagen, es ist eigentlich beschämend für uns alle, dass für viele die Erinnerung an Mathematik in der Schule primär mit Angst behaftet ist und nicht mit Lust! (GR Dkfm Dr Fritz Aichinger: Nein!)

 

Manche versuchen – das sieht man zum Beispiel am „math.space“ – zu zeigen, dass kreatives Nachdenken über mathematische Lösungen eben nicht mit Drill und Angst zu tun hat, sondern dass es nahezu eine Kunst ist, etwas mit Staunen und dem Aha-Erlebnis auszuprobieren. Ich verhehle nicht, dass ich das riesige Aha-Erlebnis erst in einer hervorragenden Vorlesung auf der Uni hatte, als mir klar geworden ist, was ein Integral eigentlich ist. Ich musste Integrieren lernen und konnte es leidlich, stand in meiner Schullaufbahn irgendwo zwischen Befriedigend und Genügend, aber ich wusste nicht, was eigentlich ein Integral ist.

 

Ich kann mich an dieses Aha-Erlebnis erinnern, das ich mit 19 an der Uni hatte. Ich habe mir gedacht, vielleicht wäre das auch schon früher möglich gewesen! Und es macht mir Spaß, heute Statistik begreifen zu können. Ich leiste mir immer eine Allgemeinwissensfrage geschwind zwischen Tür und Angel beim Abendessen: Sagt mir doch einmal ganz geschwind: Wie viel sind 14 Prozent von 40? Darauf lautet die Antwort meist: Na na, mit Statistik kenne ich mich nicht aus!

 

Ich bringe das jetzt vordergründig mit ein bisserl Spaß: Ich glaube, dass wir als Verantwortliche für Kultur in Wien wirklich darüber nachdenken müssen, Anreize zu geben, um hoffentlich gar nicht wenige, sondern viele Mathematiklehrerinnen und -lehrer und Statistiklehrerinnen und -lehrer entsprechend zu motivieren. Ich habe einmal den Vorschlag gemacht, sozusagen die Verleihung eines Mathematik- und Statistik-Oscars vielleicht durch die MA 23 anzudenken, um jene Lehrerinnen und Lehrer in die Auslage zu stellen, die einen Unterricht machen, der Lust darauf macht, gewisse Erkenntnisse zu gewinnen.

 

Ich glaube, dass da ein ganz wesentlicher Hemmschuh liegt. Gehen Sie einmal in sich und erinnern Sie sich daran, wie das mit Mathematik war! Wenn ich heute ein Mathematiklehrbuch aufmache, dann habe ich nicht das Gefühl, dass mich da etwas mit Interesse hineinzieht, sondern dass mich etwas abstößt. (Zwischenruf von GR Dipl-Ing Roman Stiftner!) Sie sagen, dass das ein Blödsinn ist. Ich rede aber über mich! Wenn Sie das anzieht, dann gratuliere ich Ihnen! Ich versuche jetzt gerade, keine Wahlkampfrede zu halten, vielleicht fällt Ihnen das auf! Ich glaube wirklich, dass wir in diesem Bereich Nachholbedarf haben.

 

Positiv dazu ist zu vermerken, dass unsere Informatikfakultät im internationalen Vergleich wirklich hervorragend abschneidet. (GR Mag Wolfgang Jung: Ohne langweilige Mathematik kann man aber Informatik nicht lernen!) Ich habe gerade zu erklären versucht, wie wichtig Mathematik ist! Nicht alles kann Spaß machen. Aber vielleicht könnte es doch ein bisschen Spaß machen und damit auch Leute erreichen, die nicht auf den ersten Blick einen autonomen Zugang dazu haben!

 

Ich finde übrigens die Gedanken des Kollegen Taschner sehr spannend, dessen gesellschaftspolitischen Anschauungen ich tendenziell nicht teile, der aber richtige Überlegungen betreffend den Mathematikunterricht angestellt hat, worüber ich viel nachgedacht habe: Man soll Rechnen und Mathematik unterscheiden. (Beifall von GR Dkfm Dr Fritz Aichinger.) Das sind zwei vollkommen getrennte Bereiche. Mathematik ist eher bei der Kunst, während das Rechnen etwas ganz anderes ist. Darüber habe mit ihm einmal lange diskutiert. Das ist ein sehr interessanter Ansatz, über welchen zu diskutieren es sich im Zuge einer Innovations- und Technologiestrategie wirklich lohnt.

 

Ich möchte jetzt aber noch zur Informatikfakultät kommen, die – wie Sie wissen und wie auch die Frau Vizebürgermeisterin weiß – sehr daran interessiert ist, gemeinsam mit der Stadt und mit Unternehmen einen entsprechenden Cluster zu entwickeln, wobei ich noch einmal ins Bewusstsein rufe, dass der Umsatz dieses Bereiches das Vierfache des Tourismus ausmacht.

 

Laut einer Untersuchung, die von Herrn Prof Van der Bellen mit in Auftrag gegeben wurde, gibt es faktisch zwei universitätsnahe Branchen, wenn ich das so ausdrücken darf, nämlich einerseits die Biotechnologie und andererseits den IKT-Bereich. Während die Biotechnologie regional in Wien verteilt ist, konzentriert sich der IKT-Cluster sehr stark rund um die TU. – Ich finde das übrigens auch originell, wenn ich mit den Leuten diskutiere. Einerseits ist immer die Rede von „Death of Distance“, dass es also, wenn man hinter dem Computer sitzt, eigentlich egal ist, wo man wohnt. Diese Leute meinen allerdings, dass drei U-Bahn-Stationen Entfernung schon zu weit sind. Sie meinen, dass das Entschiedenste wirklich physische Nähe zueinander ist. Und das ist eigentlich auch klar: Man tauscht sich aus. Oft kommen die besten Ideen bei einem saloppen Plausch bei der Kaffeemaschine und nicht nur in einem ernst zu nehmenden Seminar.

 

Ich glaube, diesen Bereich sollten wir wirklich unterstützen und vielleicht in der nächsten Periode darüber nachdenken, ob nicht speziell diese Branche, die vergleichbar ist mit der Tourismusbranche, doch auch einen entsprechende Aufbaubedarf hat. Ich denke dabei de facto im räumlichen Sinn an ein Haus der lustvollen Mathematik, wo sich auch Schülerinnen und Schüler treffen können, um das entsprechend umzusetzen.

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular