Gemeinderat, 70. Sitzung vom 23.09.2015, Wörtliches Protokoll - Seite 61 von 94
persönlichen Vorteil zu schauen! Dann zeigt eine Stadt wie Wien, wozu sie fähig ist, sich ins Zeug zu hauen, wenn schwierige Herausforderungen anstehen, Menschen als Menschen behandeln, teilen und respektvoll miteinander umgehen! Das ist mein Wien! Und wenn sich dieses Wien in Zukunft nicht mehr als bisher in diesem Gemeinderat widerspiegelt, dann wird er, dann wird die politische Zunft irgendwann einmal ihre Legitimation verlieren!
Jetzt aber doch noch etwas Versöhnliches: Dass sich Rote und Grüne jetzt im Wahlkampf auf einmal streiten, wer die besseren FlüchtlingshelferInnen sind, gegessen. Es soll nichts Schlimmeres passieren. Ich würde mir nur ehrlich wünschen, dass wir dieses Engagement, dieses Bekenntnis zu einem offenen Wien, die Solidarität mit Hilfsbedürftigen und die respektvolle Kooperation mit der Zivilgesellschaft auch über den Wahltag hinaus tragen. Diese Stadt, unsere Stadt, hat die Refugees auf den Bahnhöfen mit einem Satz begrüßt, den ich nie vergessen werde: „Welcome! You are save now. The City of Vienna.“ Ich wünsche mir, dass wir diesen Satz in Zukunft nicht nur allen Menschen vermitteln, die bei uns Schutz suchen, sondern auch jenen, die bereits hier leben, dass wir gemeinsam dafür Sorge tragen, dass man sich hier sicher, frei und glücklich fühlen kann. Wenn wir das gemeinsam und selbstbewusst tun, dann brauchen wir uns weder vor fremden Kulturen noch vor rechten Hetzern fürchten!
Ich glaube, dass viele von uns immer noch die Möglichkeiten unterschätzen, was eine gute Kulturpolitik dazu beitragen kann. Kunst und Kultur ist viel mehr als eine willkommene Abwechslung zum Alltag. Das große gesellschaftliche Potenzial von Kunst und Kultur liegt in ihrer bedingungslosen Freiheit, in der Freiheit der KünstlerInnen, Konventionen zu brechen, Utopien sicht- und angreifbar zu machen, Kritik zu formulieren und Konflikte auf die Bühne zu bringen, statt sie unter den Teppich zu kehren. Diese Freiheit muss eine gute Kulturpolitik schützen, indem sie Künstlerinnen und Künstler ohne Verwertungsdruck sozial absichert, sie von der Abhängigkeit von kommerziellen Markt- und vor politischen Machtinteressen schützt, indem sie frei zugängliche Räume schafft und vor allem, indem sie Kritik aushält, auch dann, wenn sie sich gegen einen selbst richtet. Dann wird das passieren, was wir jetzt schon in Ansätzen beobachten können. Freie Künstlerinnen und Künstler, Projekte, wie diverCITYLAB, „Wienwoche“, Brunnenpassage, und in Zukunft vermutlich auch etablierte Institutionen wie das Wien Museum, das Volkstheater oder die Festwochen werden gemeinsam mit sozialen Bewegungen in der Zivilgesellschaft diese Stadt mitgestalten und zu einem besseren Zusammenleben beitragen.
Ich glaube, es ist uns in den letzten Jahren gemeinsam gelungen, die Weichen dafür zu stellen und die Sensibilität für dieses Potenzial zu wecken. Ich wünsche mir, dass wir da weiter machen, dass ihr, rote und grüne Politikerinnen und Politiker, da weiter macht.
Ich möchte mich zum Abschluss meiner Abschiedsrede nun doch noch bedanken, zuallererst bei all jenen, die immer schon Widerstand gegen die herrschenden Verhältnisse geleistet und neue Möglichkeiten aufgezeigt haben, bei allen aktiven und solidarischen Menschen dieser Stadt und bei den zum Teil prekär lebenden und arbeitenden KünstlerInnen und AktivistInnen.
Ich bedanke mich bei Kulturstadtrat Mailath-Pokorny, der es, glaube ich, nicht immer leicht mit mir hatte. Wir haben manchmal ein bisschen gestritten. Das Ergebnis unserer Auseinandersetzungen waren aber nicht nur viele gemeinsame Projekte, sondern auch, so hoffe ich zumindest, ein großer gegenseitiger Respekt. Danke, lieber Andi, dafür, dass du all unsere Konflikte ausgehalten hast und dass wir immer wieder gemeinsam versucht haben, das Beste für die Stadt und ihr kulturelles Leben daraus zu machen. Ich habe viel von dir gelernt. Es hat oft richtig Spaß gemacht, mit dir zu arbeiten.
Ich möchte mich auch bei deinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedanken, all den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der MA 7 und all jenen aus deinem Büro, allen voran bei Dieter Boyer und bei Patricio Canete. Ihr habt bei aller gebotenen Loyalität immer das Maximum an Offenheit, Engagement und Reflexion auch mit mir und den Kulturschaffenden dieser Stadt aufgebracht, das eine Zusammenarbeit nicht nur konstruktiv, sondern auch vergnüglich gemacht hat.
Danke auch dem Ernst Woller und der Sybille Straubinger, die beide immer aktiv daran gearbeitet haben, eine gemeinsame rot-grüne Kulturpolitik, abseits von parteipolitischen Interessen, zuwege zu bringen.
Danke allen anderen, die, so wie ihr beiden, echte SozialdemokratInnen sind. Da möchte ich besonders die StRin Frauenberger herausstreichen, mit der ich eine besonders gute Zusammenarbeit hatte. Ich danke euch dafür, dass ihr in Zeiten wie diesen immer noch versucht, sozialdemokratische Politik zu machen. Traut euch ruhig! Wir brauchen das! Wir brauchen euch!
Es gibt auch einen Menschen, bei dem ich mich entschuldigen muss. Isabella Leeb, ich war nicht immer fair zu dir. Uns trennt ideologisch vieles, aber du bist eine echte Hacklerin und ich verstehe ehrlich gesagt nicht, warum deine Partei auf jemanden verzichtet, der sich so für sie ins Zeug gelegt hat.
Dann gibt es noch einen, dem gegenüber ich mein Scheitern eingestehen muss. Ich habe 2010/2011 allen Ernstes geglaubt, Gerald Ebinger sei resozialisierbar (Allgemeine Heiterkeit.), weil er eigentlich ein lieber und engagierter Mensch ist. Aber, dass ich geglaubt habe, es würde mir innerhalb von fünf Jahren gelingen, ihn herauszukriegen, ihn vom Umgang mit seinem schlechten Freundeskreis zu befreien, beweist nur, dass ich wahrscheinlich wirklich zu naiv für Politik bin. (GR Mag Wolfgang Jung: Das ist der erste richtige Satz!)
Dafür kann ich mich bei meinen grünen Freunden und Freundinnen in- und außerhalb des Gemeinderates bedanken, nicht nur dafür, dass ihr mich wieder von der Bürde dieses Amtes in die Freiheit entlassen habt. Auch ihr habt es nicht immer leicht mit mir gehabt. Manchen von euch war ich dann wahrscheinlich doch zu schwierig. Macht nichts, mir geht es ganz hervorragend und ich bleibe euch weiter solidarisch verbunden. Ich bedanke mich vor allem bei Birgit Hebein. Du bist eine großartige
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