Gemeinderat, 11. Sitzung vom 29.06.2016, Wörtliches Protokoll - Seite 18 von 102
ker auseinander? Und stimmen die Zahlen, von denen Sie eigentlich ausgehen?
Ich möchte hier eine Quelle zitieren, und selbstverständlich bleiben die Personen, die mir Informationen geschickt haben, absolut anonym. Ich zitiere: „Von unseren Transformationsgesprächen, bei denen wir unsere massiven Bedenken, die mannigfaltige Unsinnigkeit der Abteilungszusammenlegungen, die Zahlen der dadurch stattfindenden Leistungsreduktionen und Verschlechterungen der Versorgung geäußert haben, bekamen wir ein interessantes Protokoll zurück. Unsere Einwände, Widerstände und Argumente wurden nicht einmal erwähnt.“ - Und das ist kein Einzelfall. Das nenne ich eigentlich Zensur. (Beifall bei den NEOS.)
Ich bin sehr erstaunt, sehr geehrte Damen und Herren von Rot und auch von Grün: Wo bleiben da eigentlich die sozialen Werte? Meinungen werden unterdrückt und mit Maulkorbsperren verhängt. Ein weiteres Beispiel: Es ist evident, dass der Wiener Krankenanstaltenverbund - und ich habe Ihnen dazu heute schon eine Frage gestellt - eigentlich kein Geld mehr hat, um die Überstunden zu bezahlen. Daher werden auch Schattendienstpläne aufgestellt, Mitarbeiter kurzfristig nach Hause geschickt oder zum Dienst beordert. Volle Flexibilität rund um die Uhr. Zahlentricksereien, die arbeits- und sozialrechtlich höchst bedenklich sind. - Das sagen viele MitarbeiterInnen im Wiener Krankenanstaltenverbund. (Beifall bei den NEOS.)
Ich möchte Ihnen nur eines dazu sagen: Wenn das ein Privatunternehmen machen würde, dann wäre das schon längst vor dem Kadi. Ich möchte hier nur ein Beispiel zitieren: Ich erinnere mich noch an den Aufschrei der Gewerkschaft gegen den Caterer Henry, der auf Grund von Arbeitszeitüberschreitungen Millionen an Strafe zahlen musste. Ich sage nur: Willkommen im Reich der Tagelöhner und der Fließbandmediziner! (Beifall bei den NEOS.)
Ich zitiere eine weitere konkrete Aussage eines Mitarbeiters des Wiener Krankenanstaltenverbundes: „Da manche Führungsebenen versuchen, sich über sämtliche Vereinbarungen und das Dienstrecht hinwegzusetzen, sollten wir alle unbedingt auf schriftliche Anweisungen bestehen. Diese einzufordern, mag zwar Zivilcourage kosten, aber diese müssten wir langsam aufbringen.“ - Aussage eines Mitarbeiters im Wiener Krankenanstaltenverbund. Und ich sage, diese Notfallprogramme sind in Wirklichkeit an der Tagesordnung. Die Folgen sind schon jetzt sichtbar. Sie werden sich an das Beispiel der überfüllten Kinderambulanz im Donauspital erinnern, damals war der politische und mediale Aufschrei riesig, und es gab Forderungen nach mehr Kinderarztfachstellen, nach längeren Öffnungszeiten, nach mehr Ausbau des niedergelassenen Bereiches; alle haben danach verlangt. Die rot-grüne Politik hat sich mit Forderungen überschlagen, vom Bürgermeister über sie, die Gesundheitsstadträtin, und auch die Patientenanwältin. Heute, vier Monate später, ist die Versorgung in der Kinder- und Jugendheilkunde weiter ausgedünnt, und dahinter stecken massive Organisationsmängel. Die ambulante Versorgung ist nach wie vor völlig unstrukturiert. Das kritisieren auch Gesundheitsökonomen. Es gibt ja nicht einmal genaue Statistiken, wie viele Kinder wann und wo behandelt werden.
Mehr Kassenarztstellen war Ihre Forderung - im April wurden drei Kassenarztstellen von der Ärztekammer ausgeschrieben. Wissen Sie, wie viele Ärzte sich dafür beworben haben? - Kein einziger! Kein einziger! Also Ihre Forderung nach mehr Kassenarztstellen geht völlig ins Leere, da es überhaupt nicht der Realität entspricht, weil die Vernetzung zwischen dem Spitalsbereich und dem niedergelassenen Bereich nach wie vor nicht konkret in die Gänge gekommen ist; und das ist Realität. Das ärztliche Personal und das Pflegepersonal versuchen bis zur Erschöpfung, einen teils unerträglichen Zustand aufrechtzuerhalten, weil dies für die Gesundheitsversorgung dieser Stadt extrem wichtig ist und weil sie diese Verantwortung auch übernehmen. Diese Verantwortung erwarte ich mir allerdings auch von der rot-grünen Regierung.
Noch ein Zitat: „Hochrangige Führungskräfte erwägen allen Ernstes ganz eigentümliche Sparvorschläge. Im Kurztext: Wer krank ist, soll doch die Stunden nacharbeiten. Das ist nicht nur arbeitsrechtlich völlig absurd. Ist das etwa der Zugang der neuen sozialen Politik der Sozialdemokratie?“ (Beifall bei den NEOS.)
Verstehen Sie mich nicht falsch, natürlich ist uns allen klar, dass unser Gesundheitssystem ineffizient ist, dass wir umstrukturieren müssen, dass wir uns nach den Bedürfnissen der Zukunft ausrichten müssen, dass wir die Bettenzahlen reduzieren müssen, die Ambulanzen entlasten müssen. Das jetzige System ist sehr teuer, das wissen wir, und bringt oftmals nicht den gewünschten Effekt.
Wir müssen sparen, aber der Fehler liegt in der Art, wie gespart wird: einfach über alles drüberfahren, und das teilweise konzeptlos. Gerade Integration aus dem niedergelassenen und dem Spitalsbereich, da einfach über alles drüberzufahren und drauflos zu sparen, so wird das in der Realität auch nicht funktionieren. Die Transformation, mit der man sich im Moment beschäftigt, bedeutet, die alten Strukturen aufzubrechen und die neuen überzuleiten. Aber es gibt noch keine klaren neuen Strukturen für dieses System, das Sie sich vorstellen. Und ohne Finanzierung aus einer Hand wird es auch nicht funktionieren. Und das wissen Sie. (Beifall bei den NEOS.)
Sehr geehrte Damen und Herren, noch einmal: Durch das neue Arbeitszeitgesetz wurde über Nacht ein Drittel der Arbeitsleistung der Ärzte reduziert. Ich weiß, dass Sie darauf eine andere Antwort haben, wenn man sich das allerdings im Detail anschaut, hält es einer kritischen Überprüfung nicht stand. Und ich muss Ihnen sagen, mit der Realitätsverweigerung befeuern Sie den Vertrauensverlust in die Politik. Und das ist eine Tragödie, da dadurch das Vertrauen der Menschen in das Gesundheitssystem stetig sinkt. Und Durchhalteparolen à la Kollege Wagner, zufriedene Mitarbeiter stehen für die beste Versorgung, werden so nicht mehr ausreichen. Die Realität sieht anders aus. Kritik ist unerwünscht. Zu starke öffentliche Kritik führt zum Jobverlust, und um das
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