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Gemeinderat, 11. Sitzung vom 29.06.2016, Wörtliches Protokoll  -  Seite 29 von 102

 

entschlossen vorangehen und sagen, wir schaffen hier in Wien eine umfangreiche Open Data, wir schaffen ein Informationsfreiheitsgesetz, wir schaffen hier …

 

Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl (unterbrechend): Entschuldigen Sie, Frau Klubobfrau! Das Thema der Post 49 ist die Wahl einer Stadträtin, und ich darf Sie bitten, auch inhaltlich zur Wahl zu sprechen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Ich habe Ihren Ausflug in das Amtsgeheimnis im Zusammenhang mit der Wahl verstanden, aber ich darf Sie bitten, jetzt wieder zur Wahl zu sprechen. (GR Mag. Manfred Juraczka: Und der Kaiser Franz war auch interessant!)

 

GRin Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (fortsetzend): Ja genau, also, ich komme darauf zurück. Aber mein Punkt ist, und das möchte ich hier noch einmal sagen, argumentiert wird immer mit den Kontrollmöglichkeiten, und diese Kontrollmöglichkeiten nicht nur für die Opposition, sondern letztlich auch für jede Bürgerin und jeden Bürger, aber auch für die Opposition, wären gestärkt, weitaus gestärkter als durch nicht amtsführende Stadträte, würde man ein Informationsfreiheitsgesetz auf den Weg bringen. Vielleicht habe ich das jetzt so etwas besser erklärt, denn dieser Paradigmenwechsel ist wichtig.

 

Ich verstehe das, wir wollen auch umfangreiche Kontrollmöglichkeiten, aber das können wir ändern, das können wir schaffen, und ich will nicht, wie die FPÖ, zurück in die Zeit des Proporzes, dass ich sage, überall sitzt man drinnen. (GR Armin Blind: Frau Kollegin, Sie sind doch Juristin! Sie können doch nicht alles verdrängt haben!) Nein, warum? Saubere Trennung, Regierung und Opposition. (GR Mag. Dietbert Kowarik: Dann haben Sie niemand mehr in den Ausschüssen! Die sind mit Proporz aufgeblasen!) Ja, Ausschussarbeit, Herr Kollege das können Sie doch nicht vergleichen. Ausschuss ist das, wofür man bezahlt wird, dass man hier sitzt und sich wirklich inhaltlich auseinandersetzt. Das ist es etwas ganz anderes, als mit einem Posten, mit einem Titel, mit einem Chauffeur und mit einem Büro ausgestattet und mit einem Salär, eigentlich in einer wirklich völlig verstaubten und antiquierten Art. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Und die FPÖ hat hier selber vor einigen Zeiten noch dafür plädiert, das abzuschaffen, aber wenn es ums eigene Leiberl geht, dann ist die FPÖ halt doch ganz vorne dabei, wenn es darum geht zuzugreifen. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ)

 

Ich glaube, ich habe ausgeführt, warum wir der Meinung sind, dass es jetzt nach diesen 183 Jahren Untätigkeit höchst an der Zeit wäre, dass wir nicht noch weitere Jahre der Untätigkeit schaffen. Seien wir mutig in Wien, schaffen wir diesen Proporz und diesen unnötigen Versorgungsposten ab, weshalb ich erneut einen Beschlussantrag einbringe, der in die Richtung geht, dass die nicht amtsführenden Stadträte und Stadträtinnen in Wien abgeschafft werden. Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei NEOS und GRÜNEN.)

 

Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Als Nächster zum Wort gemeldet ist Herr GR Wiederkehr, ich erteile es ihm.

 

11.41.56

GR Christoph Wiederkehr, BA (NEOS)|: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Werte Damen und Herren! (GR Dominik Nepp: Aber Ihr könnt nicht 29 Stunden reden mit euren paar Abgeordneten! - GR Mag. Manfred Juraczka: Aber es kann einem so vorkommen.)

 

Nein, es werden keine 29 Stunden, aber ich glaube, dass es in diesem Haus auch wichtig ist, dass wir uns die Frage stellen, ob wir nicht amtsführende Stadträte wählen wollen, ob diese denn überhaupt sinnvoll sind. Dafür möchte ich auch einmal historisch und abstrakt, politisch-theoretisch Proporzsystem und Mehrheitssystem in Gegensatz stellen, weil das für mich ein entscheidender Punkt ist, um zu bewerten, ob es noch zeitgemäß ist, es noch sinnvoll ist, dass es nicht amtsführende Stadträte gibt, und ob es sinnvoll ist, dass wir heute Frau Stenzel in diese Funktion auch wählen werden. (Zwischenruf von GR Armin Blind.) Es hat auch direkten Einfluss auf uns hier in Wien, wenn Sie das meinen.

 

Historisch gesehen ist diese Diskussion um Proporzsystem oder Mehrheitssystem in Wien sehr stark mit zwei Denkern verbunden, die ich sehr bewundere, das ist einerseits Hans Kelsen und andererseits Karl Popper, zwei große Denker, die auch einen starken Bezug zu Wien haben und sich rechtstheoretisch mit dieser Frage intensiv auseinandergesetzt haben und so auch zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Hans Kelsen, der eher für das Proporzsystem ist, und Popper, der das Proporzsystem auch ablehnt. (GR Mag. Dietbert Kowarik: Kelsen hat die Bundesverfassung geschrieben, Herr Kollege! Der hat sich schon etwas überlegt dabei!)

 

Wie Hans Kelsen geschrieben hat: Es soll in der Volksvertretung und im Staatswillen nicht ein einseitiges Parteiinteresse zum Ausdruck kommen, da müssen Garantien dafür gegeben sein, dass möglichst alle Parteiinteressen sich äußern und miteinander in Konkurrenz treten können, damit es schließlich zu einem Kompromiss zwischen ihnen kommen kann. So hat Hans Kelsen geschrieben, schon appellierend an die damalige Verfassung. Das heißt, er ist der Auffassung, dass man möglichst alle Parteien zusammenbringen sollte, in einem Band zusammenknüpfen sollte, damit so gemeinsam die besten Ideen und Entscheidungen getroffen werden. Es ist die Frage, ob das jetzige System dazu führt, und das ist eindeutig nicht der Fall.

 

Popper im Gegensatz als Anhänger des Mehrheitswahlsystems hat sich die Frage gestellt, wie man denn eine Regierung am besten unter Druck setzen und auch kontrollieren kann. Und da ist die Antwort durch ein Mehrheitssystem, weil nur durch das Mehrheitssystem eine Regierung, die verantwortlich ist, für das, was geschieht, auch klar abwählbar ist. Das heißt, in seiner Sichtweise ist das Mehrheitssystem mit klarer Regierung und Opposition zu bevorzugen, weil dann die Bürgerinnen und Bürger entscheiden können, ob wir mit der Arbeit der Regierung zufrieden waren oder sie abwählen wollen. Seine Perspektive war, wir sind frei, wenn wir unsere Herrscher ohne Blutvergießen loswerden können. So hat es Popper auch in seiner offenen Gesellschaft definiert. Das heißt, in der Hinsicht ist es wichtig, dass es Regierung und Opposition und kein Proporzsystem gibt.

 

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