Gemeinderat, 17. Sitzung vom 12.12.2016, Wörtliches Protokoll - Seite 13 von 129
scheiter Wiener Weg. - Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)
Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Die Restredezeit für NEOS ist 21 Minuten. Zu Wort gemeldet ist Herr StR Mag. Blümel. Ich erteile es ihm. Selbstgewählte Redezeit ist 20 Minuten.
StR Mag. Gernot Blümel, MBA: Herr Vorsitzender! Frau Stadträtin!
Dank auch an meine Vorrednerin, die den Versuch unternommen hat, das Auditorium nach einer 40-minütigen Leseübung wieder aufzuwecken. Frau Stadträtin, man kann auch bei bestem Willen nicht attestieren, dass Sie das mit Verve und Überzeugung vorgetragen haben. Das hat eher gewirkt, als ob Sie selbst nicht glauben würden, was Sie sagen. (Beifall bei der ÖVP.)
Mir ist es ein bisserl so gegangen wie meiner Vorrednerin. Ich habe mir überlegt, dass man eigentlich dieselbe Rede vom letzten Jahr noch einmal halten hätte können, denn es ist zwar erst das zweite Mal, dass ich mir das anhören darf, aber vieles hat sich sehr ähnlich angehört wie letztes Jahr. Es waren wieder mehr Schulden und es war wieder eine ähnliche Begründung dafür.
Jetzt ist zwei Mal noch keine Serie und man kann kein Gesetz daraus ableiten, aber wenn man sich die Budgets der letzten Jahre ansieht, seitdem die berühmte Krise entstanden ist: Sie haben gesagt, wir seien - und das haben Sie ganz liebevoll gesagt - im neunten Jahr der Krise - als ob das ein Liebkinderlein wäre. Da kann man schon einen roten Faden erkennen und der lässt sich auf eine Brauner-Budgetformel herunterbrechen, die lautet: Budget ist gleich mehr Schulden wegen Krise. Das ist fast mathematisch exakt auf jede Ihrer Budgetreden anzuwenden und daher lohnt es sich auch kaum, wirklich aufmerksam zuzuhören, da es sowieso immer wieder dieselbe Begründung auf Grund derselben Tatsachen ist.
Aus diesem Grund haben wir allen hoffentlich einen Gefallen getan und ein eigenes Brauner-Blödsinn-Bingo entworfen, das wir vor der Rede an die Oppositionsparteien ausgeteilt haben. Wir haben auch schon ein entsprechendes Bingo bekommen - einfach, weil klar war, was Sie sagen werden. Das sollte Ihnen allen zu denken geben! - Übrigens haben alle, die das Bingo gehabt haben, ein paar Wehsely-Pickerl gewonnen, die haben wir noch im Repertoire.
Wir sind in einer Phase, in der wir diese Stehsätze einfach nicht mehr hören können. Jahr für Jahr dasselbe: nicht kaputt sparen, nicht in die Krise hinein sparen, böse Austeritätspolitik, maßvolle Verschuldung, et cetera. Eine Phrase, die seit 2009 fast jedes Mal kommt und die ich deswegen besonders hervorheben möchte, ist die des „antizyklischen Investierens“ oder das „aus der Krise heraus Investieren“. Seit vielen Jahren investieren Sie uns in Wahrheit in die nächste Krise hinein, nämlich in eine Schuldenkrise. Seit Sie uns aus der Krise heraus investieren, seit 2008, sind nämlich die Schulden der Stadt um mehr als das Vierfache gestiegen. 2008 waren es noch 1,4 Milliarden EUR, Ende 2017 werden es 6,5 Milliarden EUR sein. Und dieses beherzte heraus Investieren führt dazu, dass wir in die nächste Schuldenkrise hineinkommen, und das in einer Zeit, in der wir erlebt haben, dass Staaten und Bundesländer bankrottgehen können, wenn sie sich überschulden. Sie rechtfertigen das alles mit Ihrer geliebten Krise.
Wenn Sie, Frau Stadträtin, betonen, Sie sind kein Spar-Taliban, dann muss ich Ihnen recht geben. Wahrscheinlich sind Sie so etwas wie ein verkannter keynesianischer Investier-Taliban, denn natürlich muss der arme Herr Keynes für alles herhalten, was Rot-Grün in Ihrer Schuldenpolitik aufführt. Sie übersehen dabei offenbar ganz absichtlich, dass es der Anspruch von Keynes beim antizyklischen Investieren, beim Schuldenmachen war, dass die Schuldenzuwächse dazu führen sollten, dass es mehr Wachstum geben wird.
Genau das ist in Wien aber nicht der Fall, denn trotz Rekordbelastung und trotz Rekordschulden herrschen in Wien Rekordarbeitslosigkeit und unterdurchschnittliches Wirtschaftswachstum. Seit Langem hat Wien ein unterdurchschnittliches Wirtschaftswachstum im Vergleich zu allen anderen Bundesländern. Und das liegt nicht daran, wie Sie gemeint haben, dass es weniger Einnahmen gibt, sondern Wien hat regelmäßig mehr Einnahmen. Gerade dieser von Ihnen viel zitierte Finanzausgleich hat dazu geführt, dass es seit 2008 - gegenüber dem Rechnungsabschluss - mittlerweile 53 Prozent, sprich, 2,1 Milliarden EUR mehr Anteil aus diesen Gemeinschaftlichen Bundesabgaben gibt, und die landeseigenen Steuern sind sowieso um 24 Prozent gestiegen.
Frau Stadträtin, Sie investieren und investieren und investieren, und die Krise geht nicht weg, und Wachstum kommt nicht. Was ist da nur los? Ich meine ganz ehrlich, im achten Jahr des heraus Investierens aus der Wirtschaftskrise sollten Sie von Rot-Grün sich einmal fragen: Was stimmt da nicht? Was ist das Problem? Was ist schiefgelaufen? - Und bitte sagen Sie mir jetzt nicht, die Krise ist global und ganz Europa ist davon betroffen und wir sind zu klein, um etwas dagegen zu tun. Der Grund dafür, dass es nicht funktioniert, liegt ganz woanders. Der Grund liegt darin, dass Sie einfach Ihre strukturellen Hausaufgaben in Wien nicht gemacht haben. (Beifall bei der ÖVP.)
Die Lösung liegt darin, dass man zuerst die strukturellen Probleme in den Griff bekommen muss, die Ausgabenseite in Ordnung bringen muss, und dann erst kann das heraus Investieren gelingen. Das hat aber Rot-Grün nie getan. Sie investieren auf Pump und hoffen, Wachstum zu generieren. Das wird aber nicht funktionieren, wenn Sie die Hausaufgaben nicht machen. Genau das zeigen nämlich Beispiele wie Deutschland oder Schweden, die mit einem Anstieg der Neuverschuldung ein sehr effizientes Wirtschaftswachstum produziert haben. Rot-Grün missbraucht den armen Herrn Keynes ständig, um sich um Reformen herumzudrücken, weil Sie diese Hausaufgaben schlicht nicht machen wollen. (GR Mag. Marcus Schober: Reden Sie auch mit dem Finanzminister?!)
Solange Sie die Krise heraus investieren wollen, da können Sie auf- und abspringen wie ein Rumpelstilzchen und sagen, herausinvestieren, herausinvestieren, herausinvestieren, es wird nicht gelingen, die Krise wird
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