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Gemeinderat, 17. Sitzung vom 12.12.2016, Wörtliches Protokoll  -  Seite 43 von 129

 

Brüssel, auch wenn es sinnvoll ist. Ihnen sind die Zäune an jeder Grenze lieber, auch im Binnenmarkt, um so auch die europäische Integration in das letzte Jahrhundert zurückzuwerfen.

 

Das kann nicht die Antwort sein, wir brauchen mehr Europa beim Großen. Ich gebe Ihnen aber recht, im Bereich Subsidiarität ist viel zu tun, und hier ist es natürlich auch für uns als Gemeinde wichtig, dass auch Gemeindeaufgaben weiterhin subsidiär zu sehen sind, das heißt, die Ebene am geringsten sein sollte, wo Entscheidungen getroffen werden. Vor allem in kleinen Fragen sollte es der Fall sein.

 

Wo ich Ihnen auch zustimme, ist die Einschätzung zum Ausschuss für Europa der Stadt Wien. Ich sehe den als einen ziemlichen Scheinausschuss, weiß selber noch nicht genau, wofür der zuständig ist. Im Koalitionsübereinkommen steht, er sollte aufgewertet werden. Meine erste Frage im Ausschuss war, wie er denn aufgewertet werden soll, und die Antwort war: Ach so, soll er denn überhaupt aufgewertet werden? Das heißt, hier ist das Koalitionsübereinkommen noch nicht mal im Ausschuss angekommen, und da müsste man wirklich einmal daran arbeiten, denn was der Ausschuss zur Zeit ist, ist ein reines Abnicken von irgendwelchen fragwürdigen Auftragsstudien. Die letzten Auftragsstudien haben mich beide sehr geärgert, eine Auftragsstudie zu CETA von der Arbeiterkammer und eine zur Fiskalpolitik der Arbeiterkammer, beide in eine sehr fragwürdige Richtung. Fiskalpolitisch wünscht sich die Stadt Wien natürlich, dass Maastricht komplett aufgelöst wird, und Wien auch bis zu 200 Prozent des BIP Verschuldung machen kann. Genau hier wäre aber die Europäische Union ja wichtig, mit den harten Maastricht-Kriterien auch die Fiskalpolitik unter Kontrolle zu haben. Was Sie hier europapolitisch machen, ist, nur zu versuchen, eh schon weiche Kriterien weiter aufzuweichen, und das wäre fiskalpolitisch eine Katastrophe, wenn wir europaweit noch höhere Verschuldungen bekommen, und diese dann nicht mehr zu kontrollieren sind. Also hier ist ihr europapolitischer Ansatz auf jeden Fall der falsche

 

Auch im Bereich CETA war das ja eine grauenhafte Diskussion, sowohl im Ausschuss als auch hier im Plenum, eine Symbiose zwischen Grün und Blau, wer stärker gegen Freihandel ist und damit Errungenschaften unserer Demokratie auch zugrunde machen möchte, und eine SPÖ, die eigentlich mittlerweile noch immer nicht weiß, wo sie bei CETA eigentlich steht. Irgendwie müssen sie auf Bundesebene doch mitstimmen, sind aber irgendwie doch dagegen. Kern meldet sich da gar nicht zu Wort, obwohl er zugestimmt hat. Da fehlt mir auch die klare proeuropäische Verantwortung, die Sie eigentlich einnehmen sollten. (Beifall bei den NEOS.) Vor allem dann, wenn von Ihren Europaabgeordneten dann wieder ein starker Querschuss kommt, wie man auch letzte Woche gesehen hat.

 

Natürlich gibt es aber auch im Bereich der Europäischen Union viele sehr fragwürdige und zur Zeit auch besorgniserregende Tendenzen. Die allerbesorgniserregendste ist das Wiedererstarken des Nationalismus, und das sind Sie und Ihre Partner in ganz Europa, die das europäische Projekt zerstören könnten. Auch wenn die FPÖ da im Parteienlager zu ihren Schwesterparteien noch relativ gemäßigt ist, aber, wenn man sich Front National ansieht, oder auch Parteien in anderen Ländern wie Schweden oder mittlerweile auch in Italien, wo ein klarer antieuropäischer Kurs gefahren wird, und klar auch das Ziel ist, aus der Europäischen Union auszutreten, dann ist es eine unglaubliche Gefahr, diese Gefahr der Renationalisierung, die wir innerhalb Europas haben. Diese forcieren Sie natürlich als nationalpopulistische Partei, und das ist eine Gefahr, dass meine Generation, die dadurch Freiheiten und Rechte bekommen hat, dieser auch wieder abspenstig gemacht werden, wie man auch beim Brexit gesehen hat. (Beifall bei NEOS und GRÜNEN.)

 

Selbstverständlich gibt es aber Themenbereiche, die ich auch heikel sehe: Wenn man jetzt nach Italien sieht, die Krise um Renzi, wie es dort jetzt politisch weitergeht, ist es natürlich sehr unsicher. Ein Thema, das aber sehr wenig beachtet wird, ist dort eigentlich die Frage, ob europäisches Recht im Bereich der Bankenrettung und Bankeninsolvenzen auch eingehalten wird. Wenn sich die Europäische Union ein Regelwerk gibt, und das ein Jahr nach Inkrafttreten schon wieder bricht, dann ist das auch eine große Gefahr für die Stabilität eines Rechtsraumes Europas. Wenn die Banken in Italien pleitegehen, und dann wieder die Steuerzahler zum Handkuss gebeten werden, dann ist es auch ein Versagen von der europäischen Stärke und von der europäischen Ebene, wenn man sich nicht an das hält, was man eigentlich beschlossen hat. (GR Mag. Wolfgang Jung: Genau das sagen wir seit Jahren!) Hier brauchen wir mehr Rechtsprinzip innerhalb der Europäischen Union, und da bin ich auch bei Ihnen, wenn Sie das auch fordern.

 

Ein zweiter Punkt, der zu wenig beachtet wird, ist die Währungspolitik, die ja auch schon sehr absurde Ausmaße annimmt. Ein Jahrzehnt der Niedrigzinspolitik und ein Jahrzehnt unglaublichen Aufblähens von Geldmengen durch Ankaufen von Staatsanleihen der EZB, durch Quantitative Easing, ist eine unglaubliche Gefahr, weil das Geldvolumen so explosionsartig vergrößert wird, dass kaum mehr zu kontrollieren ist, was das dann in der Zukunft fiskalpolitisch eigentlich auslöst. Die EZB hat hier ihre Aufgabe missachtet, hat meines Erachtens auch viel zu weitgehend politisch agiert und hat nicht mehr ihre Hauptaufgabe, die Währungsstabilität einzuhalten, ausgefüllt. (Beifall bei den NEOS und von GR Mag. Wolfgang Jung.)

 

Ein Punkt der jahrzehntelangen Niedrigzinspolitik ist natürlich auch ein ganz problematischer, nämlich, dass die Sparsamen, die Sparer, der Mittelstand eigentlich über die Jahre kalt enteignet werden, weil vom Vermögen kaum mehr Zinsen anfallen, aber für die, die wirklich viel Vermögen angesammelt haben, durch die explodierende Geldmenge auch immer mehr Spekulationskapital da ist. Da sage auch ich als Liberaler klar, dass man finanzpolitisch und geldwertpolitisch das besser in den Griff bekommen muss. Vielen Dank! (Beifall bei den NEOS.)

 

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