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Gemeinderat, 17. Sitzung vom 12.12.2016, Wörtliches Protokoll  -  Seite 100 von 129

 

und ich kenne den Krankenanstaltenverbund schon sehr lange - nicht die Verantwortung des Krankenanstaltenverbundes selber, der jahrzehntelang für die Patienten als auch für die Arbeitnehmer sehr gute Arbeit gemacht hat, es ist die Verantwortung der politischen Führung.

 

Ich beginne mit dem Jahr 2010, zwei Jahre nachdem der Bau des Krankenhauses Nord geplant war. Grundsätzlich ist es an sich durchaus wirtschaftlich und logistisch sinnhaft, sich die Reinvestitionskosten eines alten Spitals zu sparen und in ein günstigeres neues Spital zu investieren. Nur hat man sich da die Latte relativ hoch gelegt und nicht nur ein neues Spital gebaut, sondern zusätzlich auch eine erhebliche infrastrukturelle Änderung vorgenommen. Das bedeutet, man kann das als eine Art Staffellauf sehen: Man hat Abteilungen, die in alten Spitälern auf Grund der hohen Reinvestitionskosten geschlossen werden müssen, sozusagen im fliegenden Wechsel für das Spital Nord vorgesehen. Das ist eine sehr aufwendige logistische Planung, die von der Europäischen Investmentbank mit einem sehr günstigen Kredit von 300 Millionen EUR sozusagen belohnt wird.

 

Möglicherweise hat man die Zielvereinbarung dieses Vertrages mit der Europäischen Investitionsbank nicht gelesen oder vergessen, da steht nämlich dezidiert drin, dass zu diesem Vertrag zu diesem Kredit auch eine Verbesserung der medizinischen Versorgung im Norden Wiens gehört. Was wir jetzt erleben, ist genau das Gegenteil. Die medizinische Versorgung im Norden Wiens ist schlecht wie noch nie, die Herabstufung des Donauspitals bei Nichtverfügbarkeit des Krankenhauses Nord ist zumindest ein Bruch der Zielvereinbarung mit der Europäischen Investitionsbank. Es ist außerdem auch eine erhebliche gesundheitspolitische Konsequenz, die bei uns, ich gehöre zum 21. Bezirk, sicherlich zu entsprechenden Protestmaßnahmen führen wird. Diese Protestmaßnahmen des 21. und des 22. Bezirks im Norden Wiens werden sicherlich parteiübergreifend zu sehen sein. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Dass das Krankenhaus Nord in seinem Management suboptimal - ich sage es vornehm - geführt wurde, das will ich nicht noch extra wiederholen, das haben schon sehr viele erwähnt. Nur, was sind die Konsequenzen? - Zunächst einmal bleiben da noch zusätzlich zu den gesteigerten Kosten des Spitals selber die Reinvestitionen, die wir noch gar nicht abschätzen können, weil wir noch nicht wissen, wann das Krankenhaus in Betrieb geht. Das bedeutet, wir wissen nicht, da diese Reinvestitionen ja nicht linear, sondern an sich zyklisch passieren, bedarfsorientiert, welche Investitionen, welche Ausbauten man im Krankenhaus überhaupt machen kann, wenn die Reinvestitionen in den alten Spitälern hoch ausgefallen sind. Das bedeutet, wir brauchen zumindest einen Plan B. Es wäre sehr weise, wenn man in diesem Plan B oder bei der Bearbeitung dieses Plans B endlich auch die Opposition, die sich durchaus auskennt und durchaus als kompetent zu bezeichnen ist, einbindet, was man bis jetzt nicht getan hat.

 

Die Zeit, die man an sich gut gebraucht hätte, um den Baufortschritt des Spitals Nord akribisch zu überwachen, hat man mit der Idee eines Spitalskonzepts 2030 verbracht. Ein Konzept, das zwar global gesehen dem Versorgungsauftrag nicht widerspricht, aber erhebliche Mängel im Bereich der Krisenstabilität und der Ausfallssicherheit hat. Man darf eines nicht vergessen, wenn Sie medizinische Leistung zur Verfügung stellen, haben Sie auf zwei Punkte zu achten:

 

Der eine Punkt ist der Versorgungsauftrag - ein ausreichendes Angebot an medizinischer und pflegerischer Leistung. Beim anderen Punkt haben Sie im Bereich unter anderem auch der Zivilschutznotwendigkeit auf eine ausreichende Ausfallssicherheit zu achten, und die ist bei Aufbau dieser monolithischen Abteilungen - eine Augenabteilung beziehungsweise eine dermatologische Abteilung im Zentrum Wiens - in keiner Weise gegeben. Schon relativ banale Vorkommnisse, das kann ein EDV-Ausfall sein, das kann ein Wasserrohrbruch sein oder überhaupt ganz banal ein Stau bei den Zufahrtsstraßen dieser monolithischen Abteilung, werden die Versorgung massiv zusammenbrechen lassen. Abgesehen davon, das weiß man mittlerweile aus Erfahrungen der USA, sind die Errichtungskosten beziehungsweise die Aufwandskosten dieser Großabteilungen so hoch, dass die Ersparnis durch die kürzere Liegezeit wieder aufgehoben wird.

 

Jetzt müssen Sie natürlich beachten, da Wien die am schnellsten wachsende Millionenstadt Europas ist, dass Sie die medizinische Versorgung nicht nur im Spital, sondern auch im extramuralen Bereich umsetzen müssen. Hier wurde das uralte politische Konzept der PHC, der Primary Health Care, aus dem Jahr 1978 wieder aufgewärmt, obwohl dieses Projekt an sich gescheitert ist. Primary Health Care war die gezielte, unmittelbare, staatlich kontrollierte Primärversorgung, und man hat sich davon eine Verbesserung der Lebenserwartung versprochen.

 

Das ist nicht umgesetzt worden, konnte nicht umgesetzt werden, da die Lebenserwartung von Begleitmaßnahmen, von den Lebensumständen stärker beeinflusst wurde. Vor einem ähnlichen Phänomen stehen wir jetzt. Sie werden sicher schon gemerkt haben, dass in den westlichen Staaten die Lebenserwartung wieder zurückgeht. Das wissen wir eigentlich schon seit einigen Jahren, mittlerweile trauen sich auch schon die großen Zeitungen zu berichten, dass zum Beispiel in den USA bestimmte Bevölkerungssegmente eine kürzere Lebenserwartung haben, und das trotz der Antiraucherkampagne. Sie haben sich jetzt in Wien - ich sage das jetzt ein bisschen salopp, obwohl das nicht meine Art ist - ein paar Apokalyptische Reiter eingeladen, das ist eine steigende Arbeitslosigkeit. Arbeitslosigkeit ist gleich kürzere Lebenserwartung. Sie haben prekäre Beschäftigungsformen, auch hier gilt, schlecht bezahlte berufliche Tätigkeiten entsprechen einer verkürzten Lebenserwartung, und Sie haben - und das ist leider ein Zeichen für die Entmachtung der Gewerkschaft - die Umwandlung der Nachtarbeit zur Normalarbeit. Wir wissen vor allem von den Krankenschwestern, von den Tätigen in den Pflegeberufen, die über 15 Jahre Nachtarbeit machen, dass sich das sowohl auf die Mobilität als auch auf die Lebenserwartung massiv auswirkt.

 

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