Gemeinderat, 23. Sitzung vom 05.05.2017, Wörtliches Protokoll - Seite 20 von 102
gern in dieser Stadt kaum etwas bringt, eine Selbstbeschäftigung der SPÖ seit mittlerweile über einem Jahr, und mittlerweile auch eine Selbstbeschäftigung der GRÜNEN mit sich selber und einer Riesenidentitätskrise.
Mir kommt vor, dass die GRÜNEN in eine pubertäre Phase gekommen sind, wo sie nicht mehr wissen, was die eigentlichen Werte und Gründungsgeschichte eigentlich waren. Ich sehe eher, dass die GRÜNEN sogar ihre Werte in dieser Stadt aufgegeben haben, dass um jeden Preis versucht wird, an der Macht zu bleiben, den Steigbügelhalter zu geben für alle Themen.
Das letzte Mal, wo Sie mutig waren, war vor der letzten Wahl, als es eine Wahlrechtsreform hätte geben sollen, als Sie das gegen den Koalitionspartner voranbringen wollten. Da hat die SPÖ auch einen Abgeordneten abgeworben. Seitdem ist wahrscheinlich ein Trauma da, dass man bei den großen Problemen, wo man eigentlich anderer Meinung ist, nichts mehr sagt. Im Bereich der Kindergärten zum Beispiel, im Bereich der Gesundheit: Maulkorb! (Beifall bei den NEOS.)
Da fehlt mir komplett die Stimme der GRÜNEN in dieser Stadtregierung, wenn es Probleme gibt. Mir kommt vor, dass die GRÜNEN mittlerweile der verlängerte Arm der SPÖ sind. Ich sehe keine grüne Handschrift in dieser Stadt, ich sehe alleinig einen Mehrheitsbeschaffer.
Problematisch ist vor allem, dass Prinzipien, die mir wichtig sind, die eigentlich auch der GRÜNEN-Geschichte wichtig sind, dafür aufgegeben werden, zum Beispiel das Prinzip der direkten Demokratie und der Beteiligung auch der eigenen Parteimitglieder. Das war eigentlich als Prinzip der GRÜNEN, geschichtlich gesehen, extrem wichtig. Jetzt wird in Interviews offen gesagt, zum Beispiel vom Kollegen Chorherr, dass er eigentlich ohnehin gegen die direkte Demokratie ist, dass man natürlich alles als Politiker selbst entscheiden sollte. Im Endeffekt ist es ein Drüberfahren über die Interessen von Bürgerinnen und Bürgern und auch von Parteimitgliedern.
Das wird damit legitimiert, dass man es mit dem freien Mandat ohnehin besser weiß. Ich frage mich: Wo bleibt bei Ihnen das freie Mandat, wenn es um Fragen wie die der Kürzung von Inseratenbudgets geht? Da gibt es kein freies Mandat. Das freie Mandat bei Ihnen ist sehr situationselastisch, situationselastisch dahin gehend, dass man es dann kalkuliert aufmacht, wenn es ohnehin kein Risiko gibt. Das sehe ich als höchst problematisch im Sinne einer politischen Wertehaltung, im Sinne einer Gestaltung dieser Stadt eigentlich auch mit grünen Idealen.
Diese grünen Ideale sehe ich gar nicht mehr. Ich sehe Politik von ganz altem Stil, ich sehe das Festhalten an der Macht um jeden Preis. Allein Ihre Stadträtin ist zehnfach rücktrittsreif! Erstens deshalb rücktrittsreif: Wenn man verspricht zurückzutreten, wenn man ein schlechteres Wahlergebnis einfährt, dann hat man zurückzutreten. Das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit in der Politik. Wenn ich etwas sage, dann muss ich auch die Konsequenzen daraus ziehen.
Der zweite große Rücktrittsgrund war die Befragung Heumarkt. Wenn man sagt, man nimmt Befragungen ernst, dann muss man sie auch ernst nehmen und zurücktreten. Denn genau dieses Verhalten schadet unserer Demokratie, schadet dem Glauben der Bürger an uns als gewählte Repräsentanten und schadet dieser Stadt.
Die GRÜNEN sind hier umgefallen. Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass Sie ihre Werte wiederfinden. (Beifall bei den NEOS.)
Vorsitzender GR Mag. Dietbert Kowarik: Als nächster Redner zum Wort gemeldet ist Herr GR Mag. Juraczka. Ich erteile ihm das Wort.
GR Mag. Manfred Juraczka (ÖVP): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
„Rot-Grün schadet Wien - Rekordarbeitslosigkeit, Planungsfiasko und Gesundheitsnotstand“, so der offizielle Titel dieser Aktuellen Stunde. Ich muss ganz ehrlich gestehen, so charmant kenne ich die Freiheitliche Partei gar nicht (GR Mag. Wolfgang Jung: Na bitte!), denn „Rot-Grün schadet Wien“ ist ja fast eine Untertreibung des derzeitigen Zustandes!
Wir sind nämlich in einer Situation, dass nicht nur alle Oppositionsparteien, sondern mittlerweile die gesamte Bevölkerung dieser Stadt fassungslos ob des Zustands dieser Stadtregierung ist. Das ist nicht mehr desolat, die Performance ist wohl mittlerweile als inferior zu bezeichnen.
Es war der 23. Februar 2016, also schon die berühmten 100 Tage nach der Neuauflage von Rot-Grün, von Rot-Grün II, als wir hier schon einmal - wie gesagt, im Februar letzten Jahres - eine Aktuelle Stunde mit dem Titel „Pleiten, Pech und Pannen - Rot-Grün II“ hatten. Wir haben uns damals völlig zu Recht darüber mokiert, dass diese Stadtregierung nicht einmal am Tag der Unterzeichnung des Koalitionspaktes einig war. Da haben der Herr Bürgermeister und die Frau Vizebürgermeisterin beim Chefredakteur Tesarek im Studio darüber gestritten, ob der Koalitionspakt jetzt der Bau des Lobau-Tunnels oder eben das exakte Gegenteil heißt.
Wir haben im Februar 2016 thematisiert, was in weiterer Folge noch ein viel größeres Thema werden sollte, nämlich die massiven Probleme im Gesundheitsressort, die massiven Probleme im damaligen Ressort von Sonja Wehsely. Weil Kollegin Tanja Wehsely heute hier draußen war und in einer Art von politischer Rempelei - das gehört auch dazu, ich nehme das gar nicht so tragisch - aber uns als Splittergruppe bezeichnet hat: Ich gebe schon zu, nicht jedes Wahlergebnis ist schön. Aber wissen Sie, was so richtig weh tut? Wenn man gefühlte 200 Jahre an der Macht ist und aus eigenem Unvermögen und aus hochherrschaftlichem Agieren plötzlich auf den harten Bänken der Opposition aufwacht. Genau das wird dieser SPÖ in Wien passieren, wenn sie so weiteragiert, wie Sie das tun! (Beifall bei ÖVP, FPÖ und NEOS.)
Meine Damen und Herren von Rot-Grün! Machen Sie es doch einfach mit der Weisheit der Dakota-Indianer, die haben dieses berühmte Sprichwort: „Wenn du entdeckst, dass du ein totes Pferd reitest, steig ab!“ So einfach ist das. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)
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