Gemeinderat, 23. Sitzung vom 05.05.2017, Wörtliches Protokoll - Seite 21 von 102
Aber wir in Wien, Rot-Grün in Wien geht es natürlich anders an. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Da gibt es beispielsweise die Möglichkeit, man gründet einen Arbeitskreis, um zu analysieren, weshalb das Pferd tot ist. In Wien hat das den Arbeitstitel „Sesselkreis Harmonie“.
Oder man besucht andere Orte, um zu sehen, wie man dort tote Pferde reitet. Die Berliner Freunde sind leider nicht mehr da.
Oder man macht es wie der Herr Bürgermeister. Er stellt sich hin und sagt in die Fernsehkamera: Wir haben unsere Pferde immer so geritten, warum funktioniert das plötzlich nicht? (Heiterkeit bei der ÖVP.)
Meine Damen und Herren! Vom Zustand dieser Stadtregierung komme ich jetzt wieder zum ernsten Teil der Sache, denn es geht um die Menschen, die in dieser Stadt keine Arbeit finden. Es geht um die Menschen in dieser Stadt, die in der Mindestsicherung hängen und keine Perspektiven haben.
Meine Damen und Herren, wir haben eine Rekordarbeitslosigkeit von 15 Prozent! Und seit zehn Jahren sagt uns die zuständige Finanz- und Wirtschaftsstadträtin, das wäre so wegen der Weltwirtschaftslage. Bayern hat aktuell eine Arbeitslosenquote von 3,2 Prozent - nur so viel dazu. Und wir haben eine Wirtschaftsstadträtin, der ein Drittel der eigenen Leute ganz offensichtlich nicht mehr zutraut, dass sie uns aus dieser Misere herausholt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Wir haben ganz notwendigerweise eine Wohnbauoffensive zu fahren - und wir haben einen Wohnbaustadtrat, der anscheinend nicht mehr das Vertrauen eines Drittels seiner Leute hat, weil er den Fehler gemacht hat, sich zu bewegen. Im Beamtenmikado der Stadtregierung kommt das offensichtlich nicht gut an.
Und wir haben eine Vizebürgermeisterin - sie ist jetzt leider nicht mehr da -, die würde ja sonst von solchen Ergebnissen träumen. Die hat nicht einmal eine einfache Mehrheit in ihrer Partei hinter sich!
Und wir haben einen Bürgermeister, der von sich aus selbst in die Kamera sagt, eigentlich ist er ja nur noch da, weil er es jemand anderem versprochen hat.
Meine Damen und Herren! Nehmen Sie sich ein Beispiel an dem Dakota-Indianer: Entdecken Sie, dass Sie ein totes Pferd reiten, und haben Sie den Mut, abzusteigen! Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Vorsitzender GR Mag. Dietbert Kowarik: Als nächster Redner zum Wort gemeldet ist Frau GRin Meinhard-Schiebel. Ich erteile ihr das Wort.
GRin Brigitte Meinhard-Schiebel (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Gemeinderätinnen und Gemeinderäte! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher!
Wer einen Notstand ausruft, sollte vorsichtig sein! Immerhin steht die Reputation einer ganzen Stadt auf dem Spiel, und zwar einer Stadt, von der auch Sie behaupten, dass sie eine der lebenswertesten Städte der Welt ist.
Wenn Sie unter „Notstand“ im Internet googeln, finden Sie an ganz prominenter Stelle zum Beispiel die drastische Verschärfung des Asylrechts. Der Vorwand des Notstandes wird in totalitären Staaten genutzt, um sich unliebsamer Regimegegner zu entledigen. So viel zum Begriff Notstand, den Sie ausrufen (GR Mag. Wolfgang Jung: Wer hat den definiert?), um ihn zu definieren.
Dass Sie ihn im Zusammenhang (GR Mag. Wolfgang Jung: Rechtlich schaut das anders aus!) mit dem Begriff Gesundheit in Wien ins Spiel bringen, zeugt entweder von Unwissenheit über das Gesundheitswesen oder von der Willkür, um die Bevölkerung zu verunsichern und um das einzufordern, was ein Notstand erfordert. Die gesetzlichen Regelungen außer Kraft zu setzen, das ist in totalitären Staaten wie in der Türkei und in Ungarn passiert. (GR Dominik Nepp: Ungarn ist jetzt totalitär?)
Zur Gesundheitsversorgung in Wien ein Zitat: Solange der Wiener am Sonntag mit einer Verkühlung ins AKH gehen kann, ist er wohl zufrieden. 88 Prozent sagen im Eurobarometer, sie wären mit der Gesundheitsversorgung in Wien zufrieden. Damit nimmt Wien unter den europäischen Hauptstädten Platz 3 hinter Amsterdam und Brüssel ein. Eine Studie der Stadt Wien zeichnet ein ähnliches Bild - auch ein Zeichen, dass Wien offenbar vieles richtig macht. Die Zufriedenheit bezüglich der Nähe von Gesundheitseinrichtungen schwankt manchmal bei den Bezirken.
Dieses Gesundheitsbarometer wird seit 2009 mehrmals jährlich mit rund tausend TeilnehmerInnen durchgeführt. (GR Mag. Wolfgang Jung: Ausgewählten!) Verantwortlich ist das Institut für Strategieanalysen. Damit Sie sich einen guten Überblick über die Gesundheitsförderung in Wien machen können, genügt ja ein einfacher Blick in das WHO-Projekt „Wien - Gesunde Stadt“, an dem ExpertInnen im Zusammenspiel von Stadtplanung und Gesundheitsförderung arbeiten.
Wo also orten Sie den Notstand? Was meinen Sie, wozu es das Programm „Gesunde Bezirke“ gibt, an dem mehrere Bezirke teilnehmen? Und falls Sie mit „Notstand“ auf die großen Programme des Spitalskonzepts 2030 und auf das Konzept „Pflege und Betreuung 2020“ anspielen, stellt sich die einfache Frage, was daran notstandsfördernd wäre. (GR Dominik Nepp: Gangbetten zum Beispiel! Notärztemangel!) Dass es eine Gesundheitsnummer mit 1450 gibt, die im Triage-Verfahren Notendienste durch das Gesundheitswesen macht, scheint Ihnen noch nicht wirklich geläufig zu sein.
Ja, es gibt Probleme - und das bestreitet niemand -, Probleme, die in einer Stadt keinen Platz behalten sollen und die Schritt für Schritt gelöst werden müssen. Probleme, die auch Strukturveränderungen brauchen - und das ist schwierig. Das erzeugt Ärger, das braucht seine Zeit, bis alles im richtigen Gleis läuft.
Ja, es gibt auch Missstände, und es ist wichtig, dass sie aufgezeigt und behoben werden. Aber „Notstand“ zu schreien und so zu tun, als ob alles am Zusammenbrechen wäre und niemand mehr in dieser Stadt seines Lebens und seiner Gesundheit sicher sein könnte, das ist unverantwortlich und schürt den sogenannten Volkszorn - etwas, was man sehr einfach erreichen kann: Da eine Prise, dort eine Prise, und schon ist die Höllensuppe fertig.
Was übrig bleibt, sind Menschen, die dann nicht mehr wissen, wem sie trauen sollen: Ihnen, die den
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