«  1  »

 

Gemeinderat, 23. Sitzung vom 05.05.2017, Wörtliches Protokoll  -  Seite 27 von 102

 

Exponenten dagegen geriert: Die Vertreter, die von der Architektenkammer entsandt wurden, haben dieses Projekt auch unterstützt. Im Hinblick darauf frage ich: Wer bin ich mit meiner persönlichen Meinung? - Ich sehe politische Planungsstrategien so, dass man ein Verfahren einsetzt und dass wir das auch vertreten, wenn eine Jury sagt, dass dieses Projekt nach Abwägung aller Argumente das beste Projekt ist.

 

Insofern sage ich: Ja. Ich habe mich in der Jury für ein anderes eingesetzt, habe mich dann aber für das Siegerprojekt eingesetzt, weil die Frage, ob etwas über oder unter 43 m hoch ist, nicht das einzige Qualitätskriterium sein kann, um das es bei Projekten geht.

 

Ein Letztes, was ich sehr interessant finde, ich glaube, das ist erst heute erschienen: Ich kenne den Herrn namens Georg Eisenberger nicht, er ist Universitätsprofessor für öffentliches Recht der Universität Graz. Er hat heute eine meines Erachtens sehr interessante rechtliche Auseinandersetzung rund ums Weltkulturerbe veröffentlicht, und weil wir das immer wieder diskutiert haben, werde ich Ihnen ein paar neue Argumente bringen.

 

Sein Hauptargument ist, dass man sich von den Drohungen der UNESCO nicht fürchten soll, und er begründet das wie folgt: Es gibt weltweit 1.052 Welterbe-Stätten in 165 Ländern, also nahezu überall. 55 Stätten davon sind auf der sogenannten Roten Liste, bisher wurde aber nur zwei Stätten der Status „Welterbe“ aberkannt.

 

Eisenberger argumentiert sehr schlüssig, dass es auch ein großes Interesse der UNESCO daran gibt, dass eine Welterbe-Stätte eben Welterbe-Stätte bleibt, denn wenn sie nämlich rausfliegt, dann haben sie dort überhaupt nichts mehr mitzugestalten. Der Autor meint also, dass manche Welterbe-Stätten sich schon länger als zehn Jahre auf der Roten Liste befinden und dort gut ruhen werden, dass sie keinerlei Einfluss auf irgendwelche Entscheidungen, et cetera haben, dass aber ihr Status nie aberkannt werden wird. Seine Einschätzung ist, dass solche Projekte weder in Wien noch in Salzburg noch in Graz dazu führen werden, dass wir das Welterbe verlieren.

 

Um Neues zu bringen, möchte ich jetzt ausnahmsweise - ich tue das selten - länger und ausführlicher zitieren. - Eisenberger schreibt: „Umgekehrt begibt man sich mit einer Aufnahme in eine problematische Abhängigkeit fern jeglicher rechtsstaatlichen Kontrolle.“ - Das ist ein spannender Punkt! Wir sind ein Rechtsstaat, und was immer geschieht, man kann dagegen berufen, und Prof. Eisenberger zeigt auf, inwiefern eine Entscheidung der UNESCO rechtsstaatlich verankert ist.

 

Ich setze fort: „Mit dem Entzug des Welterbe-Status von Dresden hat die UNESCO äußerst geschickt den Druck insbesondere auf touristisch motivierte ‚Gerade-noch-Welterbe-Stätten‘“ - quasi als PR-Instrument - „erhöht. Unter Hinweis auf Dresden tendiert die Politik dazu, sich beinahe hinter jeder noch so realpolitisch und städteplanerisch verfehlten Forderung des UNESCO-Sachverständigen zu Lasten des Bewilligungswerbers zu beugen. Die Beispiele Graz, Salzburg und Wien verdeutlichen dieses Dilemma. Eine vor allem für den Bewilligungswerber weitgehend gesichtslose Personengruppe ohne staatliche Autorität und ohne nachprüfende Kontrollinstanzen entscheidet nach nicht nachvollziehbaren Regeln darüber, ob geplante Projekte außerhalb des geschützten Bereiches sich neutral oder negativ auf die Weltkulturerbe-Stätte auswirken.“

 

Ich halte das für ein wichtiges Argument. Ich habe gestern vorgelesen - und wiederhole das nicht -, dass die Kriterien, gemäß welchen wir Welterbe-Stätte geworden sind, keinerlei Höhenmaß erhalten, und dass sozusagen erst im Laufe der Jahre diese 43 m aufgetaucht sind.

 

Es entscheidet also eine gesichtslose Personengruppe ohne nachprüfende Kontrollinstanzen nach nicht nachvollziehbaren Regeln darüber. - Ich zitiere: „Die zur Prüfung der Vorhaben entsandten Sachverständigen sind meist pensionierte Denkmalschützer.“ - Das stimmt! Eisenberger zitiert hier den in Salzburg tätigen Gutachter, der 1933 geboren ist, also ein Jahr jünger als mein sehr geschätzter Vater ist. „Sie fordern als ‚Gegenleistung‘ für ihre gutachterliche Wohlmeinung sachlich nicht begründete und wirtschaftlich kaum zu rechtfertigende Projektverkleinerungen. Die Stadtentwicklung wird auf diese Weise weit über den eigentlich unter Schutz gestellten Bereich hinaus in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise in die Hände von Einzelpersonen gelegt, die selbst nicht in der Stadt leben und die strukturellen Themen, mit denen die Stadt konfrontiert ist, nicht kennen.“

 

Ich habe das jetzt hier zitiert, weil ich die Argumente für überlegenswert halte, da sie wirklich darstellen, dass das Weltkulturerbe, so wie es ursprünglich gemeint war, etwas zu Unterstützendes ist, dass aber die jetzige Argumentation in der Tat fragwürdig ist.

 

Lange Rede kurzer Sinn: Wien war im Verständnis der Wienerinnen und Wiener oder der Touristen in dem Sinn immer Weltkultur und Weltkulturerbe. Das spürt man, wenn man durch diese Stadt geht und fährt. Und unabhängig davon, ob wir jetzt auf diese Rote Liste kommen oder nicht, wird Wien Weltkultur und Weltkulturerbe sein und bleiben. Wir waren es, bevor wir beigetreten sind, und wir werden es auch weiterhin sein. (GR Mag. Wolfgang Jung: Weil das der Chorherr sagt!)

 

Worauf wir achten sollen, sind vielmehr die Objekte, die wir heute bauen! Überall in Wien, nicht nur in der Kernzone, sondern auch im 22. Bezirk, im 10. Bezirk, in Favoriten, und auch im 23. Bezirk sollen die Gebäude eine Qualität haben, die in 100 Jahren zur Weltkultur der Stadt Wien beiträgt. Darum fürchten wir uns nicht vor der UNESCO, sondern sagen selbstbewusst, dass hier in einer demokratisch legitimierten Stadt entsprechende Entscheidungen fallen und wir gut und auch schön und gerecht bauen sollen. - Danke schön. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Vorsitzender GR Mag. Dietbert Kowarik: Als nächster Redner zum Wort gemeldet ist GR Nepp. Ich erteile ihm das Wort.

 

11.39.02

GR Dominik Nepp (FPÖ)|: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Chorherr!

 

Sie haben jetzt einen Vergleich zum Beschluss von 1905 gezogen. Sie haben diesen Beschluss von 1905 vielleicht gelesen, aber Sie haben ihn anscheinend nicht verstanden, denn gleich am Anfang steht in diesem

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular