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Gemeinderat, 23. Sitzung vom 05.05.2017, Wörtliches Protokoll  -  Seite 36 von 102

 

diesem Projekt einem Großkapitalisten und Hedgefondsmanager ausgeliefert haben.

 

Was aus dem 4.000 m² weitgehend konsumfreien gewonnenen Raum - angeblich konsumfrei - werden soll, ist auch zu hinterfragen. Als ich noch Bezirksvorsteherin war, habe ich bereits von vier Restaurants an diesem Ort gehört. Und dass nun im Herzen Wiens zwischen der Inneren Stadt und dem 3. Bezirk ein neuer großer Event-Platz für Veranstaltungen aller Art gewonnen wird, darf zumindest aus der Sicht von Bewohnern und Bewohnerinnen - einige gibt es ja noch im 1. Bezirk, mehr aber im 3. Bezirk - hinterfragt werden. So schöne Programme können vom Konzerthaus open air gar nicht angeboten werden, dass dies nicht zu einer Belastung für die Anrainer führt, die zum Mithören gezwungen werden. Dass man den Eislaufplatz rettet, die Pawlatschen abbaut und die Seitenfront des Konzerthauses öffnet, ja, warum nicht? - Das ist gut und schön, aber wäre das nicht auch bei einem anderen Entwurf möglich gewesen? Muss es deshalb zu diesem massiven Eingriff in die Stadtsilhouette mit Sichtachsendurchbrechungen kommen? Deshalb haben übrigens auch namhafte Architekten, Architekturkritiker und Raumplaner das kooperative Verfahren verlassen, was von Ihnen konsequent verschwiegen wird.

 

Sie haben in diesem Verfahren dafür gesorgt, dass willfährige, dem Weisungsrecht unterliegende Beamte eingebunden sind, was an Inkompatibilität grenzt. Als Alibi haben Sie den Chef von Icomos, dem Welterbe-Rat, zwar am Tisch dabei gehabt, aber seine Stellungnahmen bewusst und geflissentlich ignoriert.

 

Dass die Sichtachsen gebrochen werden, ist auch den Stellungnahmen zur Stellungnahme in diesem riesigen Bericht, in dem viele Bürger sich zu Wort gemeldet haben, zu entnehmen, wo es sinngemäß heißt, dass der Stephansdom durch den Tojner-Turm - ich nenne ihn einmal so - vom Oberen Belvedere aus gesehen Konkurrenz bekommt. Das Wahrzeichen Wiens bekommt also Konkurrenz und dominiert nicht mehr diesen Blick vom Oberen Belvedere aus. So ein Blick ist nicht lächerlich! Apropos lächerlich, das Abwerten des Canaletto-Blicks durch verschiedene Gemeinderäte, zuletzt Al-Rawi, gestern von Ihnen, Herr Woller, vor allem, weil Sie Kulturausschussvorsitzender sind, ist für mich ein Zeichen besonderer Kulturlosigkeit. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Dieser Blick, den der Barockmaler Bernardo Belotto in seiner historischen Vedute festgehalten hat - er hat sich den Künstlernamen Canaletto gegeben -, ist mehr als nur eine schöne Aussicht, es ist ein Blick auf eine historisch gewachsene Stadtmorphologie. Diesen zu opfern, ist schlicht und einfach kulturlos, und zwar unabhängig davon, ob Wien Welterbe-Status hat oder nicht.

 

Auch ohne diesen Titel wäre das Hineinpfropfen einer Baumasse eines etwas abgeschlankten Heumarkt-Hochhauses und eines noch klobiger ausgestalteten Neubaus des Hotels InterContinental in die bestehende Baumasse unverträglich. Die Wientalumfriedung von Otto Wagner am Stadtpark, die wunderbare Grünfläche in der Mitte der Lothringerstraße, das unmittelbare Umfeld der Ringstraße, vor allem aber die Nachbarschaft des Jugendstiljuwels Konzerthaus vertragen in der Masse eine solche massive Bebauung einer Fläche durch ein Hochhaus dieser Höhe und durch eine Masse des neuen Hotels InterContinental nicht. Wenn man Massestudien berücksichtigt hätte, bevor man in die Verhandlungen mit Herrn Tojner trat und bevor man all diese Wettbewerbsbedingungen machte und bevor man die internationalen Experten zuzog, dann wäre es nicht zu so einer Fehlplanung gekommen.

 

Icomos, Frau Kickert hat es gesagt, hat schon gestern einen dramatischen Appell an uns alle, an die verantwortlichen Gemeinderätinnen und Gemeinderäte gerichtet, von dieser Flächenwidmung doch Abstand zu nehmen. Ich halte es für eines jeden Mandatars in diesem Haus unwürdig, egal, wer es jetzt ist, ob ein Grüner oder ein Sozialdemokrat, IComos und den Vertreter von IComos lächerlich zu machen. Herr Prof. Lipp mag ein älterer Herr einer früheren Generation sein, aber IComos ist seit 1965 die Welterbe-Beratungsinstitution der UNESCO. Sie ist eine von der Staatengemeinschaft legitimierte NGO, die sich weltweit für Denkmalschutz und Bewahrung des historischen Kulturguts einsetzt. Sie verfügt über einen Experten-Pool und es ist in keiner Weise ihre Rechtmäßigkeit, dieses Projekt zu beurteilen, zu hinterfragen.

 

Es sind übrigens auch ältere Männer und vor allem schon Has-beens oder fast Has-beens, die sich für dieses Projekt, ich glaube, es war am 14. Dezember 2016, stark gemacht haben. Und zwar war das der Herr Bgm Häupl, es war die Frau VBgm.in Vassilakou und es waren flankierend der neue Chef des Wiener Eislaufvereins - der alte Chef ist vorher zurückgetreten, ich weiß nicht, aus welchem Grund - und der Intendant des Konzerthauses und, einen Has-been muss man ja auch nennen, der Chef einer der führenden Bankinstitutionen des Landes, aber Has-beens allemal. Has-been der Bankensektorchef, der hier als Ehrenpräsident des Konzerthauses mitgesprochen hat, Has-been eigentlich der Bgm Häupl, der, wie man jetzt sieht, einige Monate später von den eigenen Genossen angezweifelt wird, und auch ein Has-been der Frau VBgm.in Vassilakou. Ich bezweifle die Legitimation dieser Landesregierung, der ich, in diesem Fall muss ich fast sagen, Gott sei Dank, als Stadträtin ohne Portefeuille angehöre. Ich bezweifle die Legitimation dieser Stadt- und Landesregierung, ich bezweifle die Berechtigung dieses Gemeinderates und des vorherigen Fachausschusses, diesen Flächenwidmungsplan noch zu verabschieden. Sie sind, meiner Ansicht nach, dank der von Ihnen verursachten politischen Krise innerhalb der Koalition und innerhalb der SPÖ-Wien nicht berechtigt, ein so schwerwiegendes Projekt durchzuboxen. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Es ist nämlich - das muss man auch klar sehen - eine falsche Fragestellung, zu sagen, ja, was bringt uns der Welterbe-Titel, was bringt das dem Tourismus? - Fragen Sie einen Touristen, hat Herr Al-Rawi gesagt, ob er weiß, was das ist, und ob wir das überhaupt haben. - Oh nein, es ist, wie Frau Gabriele Eschig vor Monaten in einem sehr beachtlichen „Standard“-Interview gesagt hat: Das Welterbe ist kein Tourismus-Guide. Aber natürlich ist so ein Prädikat werbewirksam, wie wenn man ein Buch mit

 

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