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Gemeinderat, 23. Sitzung vom 05.05.2017, Wörtliches Protokoll  -  Seite 57 von 102

 

gefordert wurden und kurzfristig erkämpft werden konnten, war das Petitionsrecht. Dieses Petitionsrecht ist dann 1867, ich wiederhole, 1867, in das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger eingeflossen. (GR Mag. Wolfgang Jung: Da haben wir einen Kaiser gehabt!)

 

Das Staatsgrundgesetz war 1848 und 1867. Schauen wir uns die Situation heute an, und heute, behaupte ich, wird mir auch immer wieder von Wienerinnen und Wienern bestätigt und erzählt, dass wir in eine Phase der Entmündigung der Menschen kommen, wir sind in einer Phase der Vorenthaltung jeder Form von seriöser. ernsthafter, verbindlicher Bürgerbeteiligung und Bürgermitbestimmung im rot-grünen Wien. Ich möchte nicht überspitzen, aber man stößt immer wieder auf Parallelen zu dem Revolutionsjahr 1848.

 

Jetzt können Sie sagen, er hat eh gesagt, dass er überspitzt, denn wir Rot-Grüne haben ja 2013 das Petitionsgesetz geschaffen und den Petitionsausschuss ins Leben gerufen. Dann sage ich, dazu fällt mir ein: Beachtliche Leistung, Respekt, dass ein verfassungsrechtlich seit 1867 gewährleistetes Recht 2013 in Wien gelandet ist.

 

Aber es kommt in Wirklichkeit noch viel schlimmer. Wie wir wissen, ist das Gesetz ein Husch-Pfusch-Gesetz. Man war schon in Verzug mit dem Versprechen im Regierungsprogramm und hat das dann 2013 nach dem Motto Tarnen und Täuschen aus der Hüfte geschossen. (GRin Dr. Jennifer Kickert: Der Kowarik war aber dabei!) - Wenn Sie mir zitieren, dass Kowarik gesagt hat, er hat keine anderen Forderungen an das eineinhalb Seiten lange Gesetz, werde ich ihn auch fragen, und er wird mir das bestätigen, weil wir dann auch ausführlich diskutiert haben, wo der Beginn der Bürgerbeteiligung ist, der ist im Petitionsbereich. Es ist richtig, dass eine Petition nicht mit einer Volksabstimmung verwechselt werden darf. Es ist eine gewisse Bandbreite, aber ich werde auch noch dazu kommen, dass das natürlich nicht heißt, dass das eine vollkommene beliebige Beschäftigungstherapie für die Bürger durch eine Stadtregierung sein kann. Wir sind uns also einig, das Gesetz - und seine Geschichte beweist es ja auch schon - hat ein enormes Entwicklungspotenzial, drücken wir es so aus.

 

Ich habe 2013 in Erinnerung: So wunderbar, wir haben Bürgerbeteiligung, wir haben Bürgermitbestimmung, wir haben ein sensationelles Gesetz. Große Hoffnungen sind geweckt worden, und in Wirklichkeit sagt man heute ehrlich, dass diese Hoffnungen nicht berechtigt waren und dass man ganz etwas anderes mit diesem Petitionsgesetz vorgehabt hat, so ein bisschen eine Strategie Tarnen und Täuschen.

 

Beim Tarnen und Täuschen zitiere ich jetzt den Kollegen Chorherr aus dem „Falter“ im Jahr 2013, da hat er in seinem Gastkommentar geschrieben: „Aufgabe der Politik ist es, den Bedenken der Bürger ein Trotzdem entgegenzusetzen.“ Ja, das ist genau das, wo wir sind, das ist eine bemerkenswerte Aussage, Herr „Trotzdem“. Die Botschaft an die Bürger kommt nämlich genau so an: Was kümmern mich eure Bedenken, denn ich mache es ja trotzdem. Gut, das Zitat geht aber weiter, es wird noch schlimmer, es geht dann weiter, er sagt, um das zu erreichen, den Bürgern ein „Trotzdem“ entgegenzustellen, „braucht es eine klare Vision.“ Da mache ich jetzt nur die Anmerkung, er hat nicht die Vision der Bürger gemeint, sondern er hat die Vision der Herrschenden gemeint. Man braucht also so eine klare Vision der Herrschenden „und eine phantasievolle und manchmal auch listige Taktik.“ Meine Damen und Herren, da steht wortwörtlich drinnen, dass man als Regierender nach rot-grünem Regierungsverständnis die Bürger mit phantasievoller Taktik überlisten muss.

 

Genau dieses Unterfangen ist mit dem Petitionsgesetz unternommen worden, als es damals eingeführt wurde und wie es in der Praxis ausgeübt wird. Was ist das Ergebnis? 2013, große Hoffnungen, alles wird wunderbar in Wien, die Bürger werden wirklich mitbestimmen und mitgestalten können. Das Ergebnis sind zerstörte Ensembles, zerstörte Ortskerne, zerstörtes Kulturgut, zerstörte Natur, Luxuswohnungen in Top-Lagen, Immobilienspekulationsgewinne dank rot-grüner Gefälligkeitswidmungen.

 

Ich sage es nur, weil es so markant ist, die Extrembeispiele reichen vom Otto-Wagner-Spital-Ensemble, wo drei Petitionen zur Rettung des Ensembles ohne jede Anhörung der Petitionswerber abgewürgt worden sind, bis zu den Danube Flats. Bei den Danube Flats hat der bereits genannte grüne Gemeinderat mit leitenden Beamten in einer Wettbewerbsjury gearbeitet mit dem Ergebnis, dass der Eigentümer dieses Grundstückes sehr gewinnträchtig ein Hochhaus auf Grundlage einer Anlass- und Gefälligkeitswidmung baut

 

Das ist die Situation in Wien, und auch dort war die Petition, da ist der Petitionswerber zwar gehört worden, aber es hat nichts genützt, weil das Projekt in der Phase der Jury oder schon vorher beschlossen war.

 

Mein Respekt gilt allen Petitionswerbern, die mit viel Aufwand, mit viel Engagement, mit viel Herzblut die Unterschriften für ihr Anliegen einsammeln, die das Ganze dann hoffnungsvoll an den Petitionsausschuss bringen, wo sie dann mehr oder weniger lieblos abgewürgt werden. Ich gebe aber auch an dieser Stelle zu, dass es positive Entwicklungen gibt, ich habe aber heute wieder einen Rückschlag erlebt, denn die positive Entwicklung ist, dass Petitionswerber jetzt tatsächlich öfter in den Ausschuss eingeladen werden, um ihr Anliegen den Mitgliedern des Petitionsausschusses zu präsentieren und verständlich zu machen.

 

Wenn aber heute die definitive Weigerung kommt, das zu einem verbrieften, gesetzlich verankerten Recht für die Petitionswerber zu machen, weil man sich mit seiner Ausschussmehrheit vorbehalten will, wen man einlädt und wen nicht, dann ist das eine verfassungswidrige Ungleichheit. Das ist nicht zu vertreten einem Petitionswerber gegenüber, der nicht weiß, ob er in die Gunst der Ausschussmehrheit fällt. Denn wer zu kritisch ist - es ist heute ja schon angeklungen, welche Petitionen man nicht haben will, nämlich kritische Petitionen zu Regierungsvorhaben -, der wird dann nicht eingeladen. Ich bin aber ein positiv denkender Mensch, immer optimistisch, und sage daher hinsichtlich der Entwicklung, da kann

 

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