Gemeinderat, 23. Sitzung vom 05.05.2017, Wörtliches Protokoll - Seite 86 von 102
Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Ich eröffne die Debatte. Zum Wort gemeldet ist Herr GR Unger. Ich erteile es ihm.
GR Christian Unger (FPÖ): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Frau Berichterstatterin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen!
Ich habe mich wieder gefangen von dem Schock: Als ich soeben gehört habe, dass der amts- und stadtbekannte Realo Margulies unserem Herrn GR Jung Fundamentalismus vorwirft, war das eine sehr spannende Erfahrung. (GR Prof. Harry Kopietz: Er war sogar stolz darauf, der Kollege Jung! - Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)
Aber nun zum Geschäftsstück, bitte. Wie schon einreferiert worden ist, geht es um die Dotierung des Altstadterhaltungsfonds in Höhe von 2,76 Millionen EUR. Das ist gut, das ist richtig. Wir werden dem natürlich auch unsere Zustimmung erteilen, wobei ich schon, so wie alle Jahre, anmerken darf, dass wir natürlich eine Aufstockung dieses Betrages fordern.
In diesem Bereich ist sehr viel Potenzial enthalten und auch sehr viel zu tun. Daher meinen wir, dass bei all diesen Förderungen der Stadt Wien, ob sie sinnvoll sind oder in unseren Augen vielleicht auch nicht sinnvoll sind, es wirklich eine grundlegende Aufgabe ist, unsere gewachsene Stadt zu schützen, zu bewahren und dementsprechend auch zu erhalten. Ja, wir denken auch, dass es wichtig wäre, die komplette Subventionspolitik zu überdenken, manche Förderungen zu streichen und das Geld besser auszugeben, zum Beispiel für eine bessere Dotierung des Altstadterhaltungsfonds.
Wie nämlich in dieser Stadt mit der Altstadt - speziell, aber nicht nur in der Innenstadt - umgegangen wird, möchte ich jetzt an zwei Beispielen sichtbar machen. In jenem Teil des Fleischmarktes zwischen Rotenturmstraße und Bauernmarkt existiert ein Gründerzeitensemble über drei Häuserblocks hinweg. Der aktuelle Eigentümer, der stadtbekannte, sagen wir jetzt einmal, Immobilieninvestor Martin Lenikus hat es günstig erworben und dann augenscheinlich lieber darauf gewartet, bis die Bestandsmieter verstorben oder ausgezogen sind, statt dass er in die Erhaltung des Hauses investiert hat.
Er hat sehr schnell einen rechtskräftigen Abbruchbescheid bekommen, wobei, wenn man sich diese Aktennotiz im Behördenakt ansieht, eines auffällt: Er hat diesen Abbruchbescheid nach Intervention Faymanns bekommen. Es ist die letzte Mieterin endgültig ausgezogen. Sie hat am längsten durchgehalten, aber nun hat auch die Madame Nina, die bekannt ist, ihre Bar geschlossen.
Dann hat es nur noch eine Frage gegeben: Wann kommt die Abrissbirne? Ich kann Sie enttäuschen: Sie war schon da! Es wird dort wieder ein Hotel gebaut. Sie werden es erkannt haben: Das ist das Haus Bauernmarkt 21.
Jetzt gehen wir zum Haus Bauernmarkt Numero 1: ein ähnlicher Fall, allerdings nicht so leicht abzureißen wie das vorherige Haus. Das ist das sogenannte Oppenheimer‘sche Stiftungshaus „Zur Brieftaube“ aus dem 17. Jahrhundert, ein barockes Bürgerhaus mit einem mittelalterlichen Kern. Dieses Wohnhaus war im Besitz der Stadt Wien, es wurde ihr gestiftet. 2001 hat die Stadt das Gebäude verkauft an Herrn Martin Lenikus um umgerechnet 4 Millionen EUR.
14 Parteien haben damals in dem Haus gewohnt. Der Bauträger hat sofort gesagt, er plant einen Umbau in Wohnungen, in Geschäftslokale, et cetera. Das Ziel war natürlich auch klar: Die Liegenschaft muss so schnell wie möglich bestandsfrei werden. Das hat nämlich auch der Unternehmenssprecher und Geschäftsführer der Martin Lenikus Immobilien GmbH gesagt - das ist ein gewisser Herr Pius Strobl, auch ein bekannter, nahestehender Freund der GRÜNEN -: Dieser Umbau geht natürlich einfacher, wenn keine Mieter mehr in dem Haus sind. Es wird selbstverständlich bestritten, dass da unrechtmäßige Mittel eingesetzt worden sind; aber dazu kommen wir ein bisschen später.
Kurze Zeit später, wie gesagt, haben die Mieter begonnen, sich zu beklagen. Sie haben sich beklagt über Müll, schlechte Instandhaltung, sprich, über eine Verwahrlosung des Hauses. 2009 wurde dann der Lift kaputt. (GRin Mag. Sybille Straubinger, MBA: Hat das was mit dem Altstadterhaltungsfonds zu tun?) Ja, das ist Altstadterhaltung. Entschuldigung, wenn ein Haus saniert wird, abgerissen wird, gehört das zur Altstadterhaltung, bitte!
Der Vermieter hat 2013 ein Gerichtsverfahren beim OGH verloren. 2014 hat es noch immer keinen Lift gegeben. Dann hat es lustigerweise Brände gegeben, es wurde wieder einmal geflämmt. Ich glaube, das kennen wir schon von den Sophiensälen, das kennen wir unter anderem auch von der Bank-Austria-Zentrale. Immer dann, wenn umgebaut wird, wenn etwas neu gemacht wird, kommt der Flämmbrand dazu. Es wäre einmal interessant eine Studie von der TU, ob es da einen besonderen Zusammenhang mit Immobilienentwicklung gibt. (GR Erich Valentin: Was wollen Sie damit sagen, Kollege?)
Die Stadt Wien sagt treuherzig - jetzt sind wir wieder bei der Altstadt -, sich für den Schutz bestehender Gebäude einzusetzen. Allerdings sehen das die Denkmalschützer nicht so. Es gibt zwei Stadträte, die besonders dafür verantwortlich sind; das sind der Wohnbaustadtrat Ludwig und die Frau Vassilakou. Frau Vassilakou hat vor ein paar Jahren angekündigt: Kein Altbauabriss ohne mein Okay! Okay, nachher ist sie natürlich wieder zurückgerudert, und sie hat gesagt, das war ja nur ein langfristiges Ziel, das kann man so schnell nicht machen.
Herr Ludwig ist für die Schutzzonen verantwortlich - da geht es wieder um Altstadt - und meint dazu, das ist eigentlich gar nicht so wahr, dass jetzt so viele Häuser abgerissen werden, das ist nur eine andere Wahrnehmung in diesem Punkt.
Stadtbild und Gründerzeithäuser: In allen Epochen der kaiserlichen, liberalen oder christlich-sozialen Stadtverwaltung sind zum Beispiel die Höhenlimitierungen genau eingehalten worden. Die Attraktivität Wiens ist mit Sicherheit einzig der Tatsache zu verdanken, dass die Sozialisten erst 1918 an die Macht gekommen sind. (Beifall bei der FPÖ.)
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