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Gemeinderat, 23. Sitzung vom 05.05.2017, Wörtliches Protokoll  -  Seite 101 von 102

 

ESF in der Zentrale sind: Erstens: Förderung nachhaltiger und hochwertiger Beschäftigung, zweitens: Bekämpfung von Armut und Diskriminierung, drittens: Investition in Bildung.

 

Wenn man sich jetzt ansieht, wie diese Richtlinien - das sind ja Richtlinien und keine Leitlinien - in den verschiedenen Bundesländern gehandhabt werden und wie sich beispielsweise die Priorisierung in Wien darstellt, dann wird man überrascht feststellen, dass in Wien eine völlig andere Prioritätenreihung stattfindet, die ich gar nicht kommentieren will. Ich will jetzt gar nicht behaupten, dass die Wiener Prioritätenreihung besser oder schlechter ist! Sie ist nur völlig anders, und es ist natürlich schon ein bisschen interessant, wenn das Ministerium Richtlinien mit einer Priorisierung herausgibt und die Umsetzung in Wien völlig anders dargestellt wird!

 

Ich komme jetzt zum Antrag selber, in dem zwei Punkte hervorgehoben werden, nämlich ein gemeinnütziges Beschäftigungsprojekt mit Namen ArbeitsRaum und die Förderung beziehungsweise Finanzierung durch den ESF. - Bei Durchsicht der Unterlagen fällt einem auf, dass etwas ganz Wesentliches nicht erwähnt wurde, das an sich von großer arbeitsrechtlicher und auch menschlicher und sozialer Bedeutung ist: Es sind nämlich auch sozialökonomische Betriebe in diesem Antrag erwähnt, und da gibt es natürlich völlig andere Strukturen.

 

Ein gemeinnütziges Beschäftigungsprojekt findet beispielsweise praktisch in den Räumen einer öffentlichen Organisation beziehungsweise einer anerkannten NGO statt. Bei der Caritas wären das beispielsweise der Caritas-Shop oder eine entsprechende Möglichkeit zum Verkaufen im Hof. Hier gibt es keinerlei wirtschaftliche Interessen und keinerlei Möglichkeiten einer Konkurrenz zu Betrieben, vor allem zu Klein- und Mittelbetrieben.

 

Bei sozialökonomischen Betrieben sieht das völlig anders aus: Es handelt sich zwar auch hier um Transitarbeitsplätze, also um zeitlich befristete Arbeitsplätze, diese treten aber sehr wohl in Konkurrenz zu Klein- und Mittelbetrieben und müssen hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Privatwirtschaft doch sehr genau beachtet werden.

 

Ich habe mir die Arbeit gemacht, mehrere Arbeitslosen-Blogs und -Foren durchzulesen, um herauszufinden, was die Arbeitslosen über die Bedeutung von sozialökonomischen Betrieben sagen beziehungsweise wie diese sozialökonomischen Bertriebe sich aus ihrer Sicht darstellen. Da gibt es natürlich tatsächlich einige Schatten und einige Kritik. Es wird den sozialökonomischen Betrieben, die mehr oder weniger von normalen Firmen geleitet werden, die mit dem AMS zusammenarbeiten und Förderungsgelder beziehen, unter anderem vorgeworfen, dass sie ähnlich wie eine Leihfirma arbeiten. Es wird ihnen vorgeworfen, eine schlecht bezahlte befristete Transitarbeit zu erzwingen, und es wird ihnen vor allem vorgeworfen, durch die verschärfte Konkurrenz zu Klein- und Mittelbetrieben eine neue Stufe der Lohnabsenkungen zu erreichen.

 

Ich nehme an und hoffe, dass das sicherlich nur zu einem Teil auf die sozialökonomischen Betriebe zutreffen wird, aber es ist auf jeden Fall notwendig, hier Transparenz einzufordern. Deshalb ist es für mich etwas überraschend, dass zwar im gesamten Projekt „ArbeitsRaum“ ein sozialökonomischer Betrieb erwähnt wird, dass dies aber im Antrag nicht extra formuliert wird.

 

Diese sozialökonomischen Betriebe stellen sich in Österreich auch sehr unterschiedlich dar, es gibt in der Steiermark beispielsweise für technisch interessierte Frauen von 20 bis 40 die Möglichkeit, ein technisches Teilstudium nachzumachen. In Kärnten schaut es ganz anders aus, da gibt es Hilfsarbeiten, die eher diskriminierend sind. Es wurde vorher gesagt, dass weibliche Arbeitnehmer in diesem sozialökonomischen Betrieb automatisch für Küchenarbeit eingeteilt werden und Männer automatisch zur Gartenarbeit, das also zum Punkt Diskriminierung innerhalb des ESF.

 

Wenn man weiter das vorliegende Blatt, das dieses ArbeitsRaum - gemeinnütziges Beschäftigungsprojekt erklärt, durchliest, merkt man, dass es sich um 66 Arbeitsplätze handelt und dass es sich auch nicht um den vorgelegten Betrag von 958.000 EUR, sondern um 2,87 Millionen EUR auf 20 Monate handelt, und das, wie erwartet und üblich, zu 50 Prozent vom ESF gezahlt wird.

 

Ganz wichtig bei den Möglichkeiten und bei den Zielen, die Arbeitslosigkeit einzuschränken, zu lindern und zu verbessern, ist die Aus- und Weiterbildung während dieser Projekte und die schaut, ich meine, ich bewundere die Ehrlichkeit der Personen, die das Projekt „ArbeitsRaum“ umsetzen, eher karg aus. Bei den gemeinnützigen Beschäftigungsprojekten, bei den sozialökonomischen Betrieben handelt es sich um den sogenannten zweiten Arbeitsmarkt, und wenn jetzt jemand von diesem zweiten Arbeitsmarkt in den normalen ersten Arbeitsmarkt übertritt, wird es als Erfolg gesehen. Von diesen 66 Arbeitsplätzen haben es 10 Prozent geschafft, in den ersten Arbeitsmarkt überzutreten, 39 verbleiben im zweiten, und der Rest hat es scheinbar nicht so geschafft, wie es sich die Organisatoren vorstellen. Das bedeutet, dass eine doch erhebliche Summe für einen doch ziemlich kleinen Prozentsatz das erreicht hat, was sich eigentlich ursprünglich der Europäische Sozialfonds vorgestellt hat, dass durch die Gelder, durch die Logistik, durch die Richtlinie Arbeitslose so weitergebildet werden, dass sie nicht nur aus der Arbeitslosigkeit heraus eine Beschäftigung haben, sondern dass sie durch die Ausbildung und Fortbildung eine bessere Qualität an Arbeit umsetzen können.

 

Wenn ich jetzt die drei Punkte zusammenfasse, es sind keine zwei Punkte dieses Antrages, fällt auf, dass der erste Punkt, dieses gemeinnützige Beschäftigungsprojekt, das man vom sozialökonomischen Betrieb trennen muss, auf Grund der geringen qualitativen Leistung - es werden dort vor allem Handtaschen, Luster aus Recyclingmaterial hergestellt, und bei allem Wohlwollen für originelle Haushaltsartikel kann ich mir jetzt nicht vorstellen, dass das Herstellen von Lustern aus Getränkedosen einen besonderen Mehrwert an Wissen, Bildung und Arbeitsmotivation bringen kann - eigentlich eher im Grunde genommen den Anschein einer Säuberung der Arbeitslosenstatistik hat.

 

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