«  1  »

 

Gemeinderat, 28. Sitzung vom 25.10.2017, Wörtliches Protokoll  -  Seite 15 von 57

 

Zahlen dazu nennen -, dass sie auch den sozialen Wohnraum nahezu verunmöglichen.

 

Das führt derzeit dazu, dass viele soziale Wohnbauträger beginnen, außerhalb von Wien Grundstücke zu kaufen, denn der richtige Wert, den es immer schon gibt, begrenzt die Grundstückskosten auf rund 250 EUR/m² Nutzfläche, was dazu führt, dass es dazu kaum mehr gewidmete Grundstücke gibt.

 

Und jetzt sage ich Ihnen die zentralen Zahlen, denn ich habe mir in den letzten Wochen, Monaten und Jahren, aber auch extra für diese Aktuelle Stunde ein paar Transaktionen angeschaut. In gewidmeten Bereichen werden den Grundstückseignern Grundstückskosten bezahlt, die höher als die Errichtungskosten eines Hauses sind. Wir sehen dann Eigentumsbauten, die im 15., im 16., im 17. Bezirk sind, wo die Bauträger, die ja teilweise auch bei der Planung kooperieren, sagen: Wir machen ja eh günstige Eigentumswohnungen! Aber wenn ich dann frage, was ist günstig, kommt: Na ja, viel über 4.000 EUR/m² kosten die nicht, es gibt auch teurere. - Also man kann rechnen, 4.000 EUR, eine 60-m²-Wohnung, diese Rechnung schafft jeder.

 

Das heißt, dass es für zwei Drittel bis drei Viertel der Wiener Bevölkerung - es sei denn, sie erben - unmöglich ist, sich eine Wohnung in diesem Bereich zu leisten. Noch leben wir von den richtigen Entscheidungen der Vergangenheit. Wir haben einen Wohnfonds, der in Zeiten gekauft hat, als die Grundstückskosten noch günstig waren, der noch Vorräte hat, die noch einige Jahre reichen. Wir haben gemeinnützige Wohnbauträger, die im 10., im 23., im 21., im 11. Bezirk noch Grundstücke haben, die noch einige Jahre reichen.

 

Es ist meine Aufgabe als Planungssprecher der GRÜNEN, nicht an die nächsten zwei, drei Jahre zu denken, sondern zu fragen, was mittel- bis langfristig passiert. Und da sehe ich eine enorme Gefahr, die realisiert ist in Paris, die realisiert ist in London, die realisiert ist in München, dass sich jemand mit einem durchschnittlichen Einkommen keine Wohnung mehr leisten kann.

 

Herumdiskutiert wird über: Sind die Energiestandards zu hoch? Sollen wir vielleicht statt Holzfenster Plastikfenster machen? Das kommt mir so vor, als würde man bei einem Schwerverletzten ein Pickerl draufgeben mit: „Der Patient Grundstücksmarkt, Bodenmarkt ist völlig danieder!“ Und das ist eine zutiefst politische Frage. Ich verhehle nicht, es ist eine politische Frage, die mir von unserem Koalitionspartner, dessen Wohnpolitik wir sehr unterstützen - und das weißt du, Herr Wohnbaustadtrat, selbstverständlich -, aber zu wenig thematisiert wird.

 

Es ist mir ein persönliches Anliegen, die Zeit bis zur nächsten Wahl zu nützen, um hier Druck zu machen und Sensibilität zu bekommen, da auch die Antwort nicht einfach ist. Die lautet nämlich: Wenn Wien weiter wächst - und alles deutet darauf hin -, wird ein Gut, nämlich Grund und Boden, wo man Häuser draufstellen kann, immer teurer. Der Kapitalismus, der viel kann - wenn mein Handy entsprechend nachgefragt wird, stellen mehr Leute Handys her, wenn meine Lesebrille entsprechend nachgefragt wird, gibt es mehr Firmen, die Lesebrillen herstellen -, kann, wenn die Nachfrage nach Boden in einer Stadt steigt, nicht zusätzlichen Boden produzieren, es steigt der Preis des Bodens.

 

Damit Sie ein Gefühl bekommen: Der soziale Wohnbau erlaubt 250 EUR für den Quadratmeter, die realisierten Transaktionen sind beim Fünf- bis Zehnfachen. Alarm, Alarm, Alarm. Und jetzt kommt eine schwierige, unglaublich ideologische, gesellschaftlich tiefe Frage. Ist Grund und Boden in einer Stadt ein Gut wie das Handy oder eine Brille oder muss man gewisse Formen einer Bewirtschaftung - ich sage das jetzt allgemein -, die in Deutschland, in Holland, in vielen zivilisierten Ländern Usus ist, umsetzen?

 

Also nein, hier gibt es Eingriffe in den freien Markt. So, jetzt ist es mit unserer Bundesverfassung nicht ganz einfach, aber möglich. Und jetzt lese ich Ihnen eine Verfassung eines anderen Staates vor. Das schaffe ich jetzt noch in der kurzen Zeit. In dieser Verfassung steht:

 

„Eigentum verpflichtet gegenüber der Gesamtheit. Steigerungen des Bodenwerts, die ohne besonderen Arbeits- und Kapitalaufwand des Eigentümers entstehen, sind für die Allgemeinheit nutzbar zu machen.“

 

Bodenwertsteigerung bedeutet: Bei uns können zum Beispiel, wenn im 22. Bezirk eine U-Bahn gebaut wird, seien es die Landwirte oder jene Kapitalanleger, die das längst gekauft haben, bei kleinen Feldern 15 Millionen EUR zu Lasten der Öffentlichkeit erzielen, ohne irgendetwas für die Gesellschaft beizutragen.

 

Jetzt frage ich Sie: Welches Land ist das? Ist das Kuba, das diese Verfassung hat? Ist es Venezuela? Ich sage Ihnen, welches Land das ist: Das ist der Freistaat Bayern. Der Wirtschaftsstaat, ewig konservativ regierte Freistaat Bayern erkennt, dass es wichtig ist, Bodenwerte abzuschöpfen.

 

Und jetzt beginnt eine große, relevante Diskussion, die wir heute in der Tiefe nicht führen können. Ich kann nur von uns, den GRÜNEN sagen, und appelliere jetzt ganz bewusst primär an die Sozialdemokratie, aber auch an alle, die an einer Stadt interessiert sind, wo nicht einige wenige das Privileg haben, Grund und Boden zu besitzen - und damit meine ich weder eine Eigentumswohnung noch meine ich damit ein Einfamilienhaus, sondern diejenigen, die eine große Fläche haben, auf denen 2.000 Wohnungen errichtet werden können. Ich habe Gespräche geführt, ich habe gesagt, hallo, wir wollen eine Stadt entwickeln! Dieser Liegenschaftseigentümer schaut mich an und sagt: „Herr Chorherr, ich habe schon so viele Gründe verkauft, wo soll ich das Geld anlegen? Ich hebe das lieber auf, ich lasse das lieber liegen!“

 

Wir bemühen uns jetzt, uns dem mit der Bauordnung, mit Umlegung anzunähern. Aber, ich sage mit aller Schärfe: Wir brauchen eine grundsätzlich neue Bodenpolitik. Es kann nicht sein, dass einige wenige Liegenschaftseigentümer enorme private Gewinne einstreifen, die dazu führen, dass sozialer Wohnraum immer knapper wird, anstatt hier Bewirtschaftungsmöglichkeiten im Rahmen der Gesetze, im Rahmen der Möglichkeiten zu haben. Das Bodenbeschaffungsgesetz, ein Bundesgesetz, böte uns hier Möglichkeiten. Bisher habe ich wenig Signale von unserem Koalitionspartner gehört, dass Sie

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular