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Gemeinderat, 29. Sitzung vom 20.11.2017, Wörtliches Protokoll  -  Seite 16 von 135

 

Tatsache verehren: In Wien beispielsweise steigt der Schuldenstand extrem, in München ist der Schuldenstand kontinuierlich gesunken, genauso wie auch in Berlin. In Berlin ist überhaupt die Tatsache, dass, obwohl Rot-Rot-Grün regiert, seit 2012 die Schulden kontinuierlich sinken, aber auch die Arbeitslosigkeit. In den letzten 10 Jahren hat Berlin die Arbeitslosigkeit halbiert, wenn auch von hohem Niveau, von 17 Prozent auf zirka 9 Prozent, aber in Wien ist sie im selben Zeitraum um 4 Prozent gestiegen, von 9 Prozent auf 13 Prozent. Und das ist ausschließlich Ihrer Realitätsverweigerung und dem ständigen Anbeten der Krise zu verdanken, Frau Stadträtin.

 

Während in anderen Großstädten die Budgets konsolidiert werden, ist innerhalb von Österreich Wien Rekordmeister der Realitätsverweigerung. Nur drei kurze Beispiele dazu:

 

Erstens die Mindestsicherung: In Wien leben 20 Prozent der Einwohner bei 60 Prozent der Mindestsicherungsbezieher, über 200.000 Menschen beziehen in Wien die Mindestsicherung. Und bei den Ausgaben haben Sie sich wieder einmal grob verschätzt. Wir wissen, dass sie um 30 Millionen EUR höher sein werden und nachdotiert werden müssen im Vergleich zum Voranschlag.

 

Damit betragen die Kosten für die Mindestsicherung pro Tag fast 2 Millionen EUR. Das heißt, während wir hier reden, werden 2 Millionen EUR für die Mindestsicherung ausgeben. Wenn wir diese ganze Plenarwoche hinter uns sehen, dann haben wir 8 Millionen EUR mehr für die Mindestsicherung ausgegeben. Und wenn wir das hochrechnen, dann wird 2021 die Bezieherzahl auf rund 300.000 explodiert sein und die Kosten werden rund 1 Milliarde EUR im Jahr betragen.

 

Warum das so ist, liegt auf der Hand. Zitat: „Die Sogwirkung muss beendet werden.“ Das ist kein Zitat von uns, sondern von Herrn Troch. Ich bin sehr froh, dass auch innerhalb der rot-grünen Koalition mittlerweile diese Erkenntnis Einzug gehalten hat, dass die Wiener Mindestsicherung ein Pull-Faktor für Leute ist, die möglichst viel Geld für möglichst weniges Arbeiten bekommen wollen. Und das, obwohl wir von Anfang an darauf hingewiesen haben, seitdem ich hier im Gemeinderat tätig sein darf, dass die Mindestsicherung in Wien ein großes Problem ist. Was hat Rot-Grün gemacht? Die haben uns angegriffen, haben gesagt, das stimmt ja alles nicht, das ist ja so etwas wie Verhetzung, et cetera. Nur, das Problem ist, der Stadtrechnungshof hat das Ganze belegt und bewiesen. Was hat Rot-Grün getan? Gesagt, da müssen wir was tun, wir machen eine Reform. Nur, die Reform verkommt zum Reförmchen. Nicht einmal alle innerhalb von Rot-Grün trauen sich zu sagen, dass diese Reform eine wirkliche ist. Lediglich 5 Millionen EUR Kostenersparnis pro Jahr, das kann es wohl wirklich nicht sein. In Wien ist die Bedarfsorientierte Mindestsicherung zu einem bedingungslosen Grundeinkommen verkommen. Und das, obwohl ja eigentlich die angebliche Arbeiterpartei SPÖ hier das Wort führen sollte. Sie sind von einer Arbeiternehmerinnen- und Arbeiternehmerpartei zu einer Arbeitslosenpartei verkommen. Und das ganz bewusst. Da haben Sie sich von den GRÜNEN über den Tisch ziehen lassen. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Die Frühpensionierungen, ein altbekanntes Phänomen auch in Wien: 2017 werden voraussichtlich 700 Beamte mit einem durchschnittlichen Antrittsalter von 54 Jahren in den Ruhestand gehen. Das kostet pro Jahr zirka 200 Millionen EUR. Eine interessante Zahl aus einer Anfragebeantwortung: Bei den Wiener Stadtwerken gehen überhaupt nur 1 Prozent der Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer mit 65 Jahren in Pension. Alle anderen gehen wesentlich früher, ein Drittel sogar aus organisatorischen Gründen. Tun, was richtig ist. - Fehlanzeige bei Rot-Grün.

 

Die Gebührenbelastung ist das nächste große Problem, die Rekordverschuldung bei gleichzeitiger Rekordeinnahme an Gebühren. 2017 ist ein Überschuss von 171 Millionen EUR prognostiziert worden, für 2018 ein Überschuss von 177 Millionen EUR. Und anstatt, dass Sie bei so hohen Gebühreneinnahmen, bei Überschüssen die Gebühren reduzieren, erhöhen Sie sie auch noch durch das Valorisierungsgesetz, das der Herr Margulies selbst noch, als er in Opposition war, als unsoziale Abzocke bezeichnet hat. Jetzt macht er ordentlich mit, so viel zur Standhaftigkeit auch der GRÜNEN. (Beifall bei der ÖVP.) Natürlich macht gerade diese Gebührenbelastung auch das Wohnen in Wien teuer und das Wirtschaften in Wien schwierig.

 

Aber, um zum Schluss zu kommen: Politik mit Hausverstand ist etwas, was wir uns eigentlich wünschen würden. Dieser Budgetvoranschlag ist kein Beitrag dazu. Wien würde sich eine Stadtregierung verdienen, die sich vorrangig mit den Herausforderungen dieser Stadt beschäftigt. In Wirklichkeit geht es bei beiden Regierungsparteien nur um interne Nachfolgekämpfe, Nachfolgeregelungen. Das hat sich Wien nicht verdient. Gehen Sie den ehrlichen Weg. Machen Sie Wien frei für Neuwahlen. Dann können die Wienerinnen und Wiener entscheiden, wie es weitergehen soll. Das wäre der ehrliche Weg, dann könnten wir tun, was richtig ist, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

 

Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Die Redezeit betrug 11 Minuten. Nächster Redner ist Herr GR Ellensohn. Die selbstgewählte Redezeit beträgt 12 Minuten. - Bitte.

 

10.34.17

GR David Ellensohn (GRÜNE)|: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren!

 

Es wiederholt sich vieles im Leben. Eindeutig. Die Rechnungsabschlussdebatten und die Budgetwochen sind sehr ähnlich. Ich versuche es ein bisschen anders. Man könnte natürlich auf die Angriffe gegen die Ärmeren der Bevölkerung eingehen, Mindestsicherung, man könnten auch über die Paradise Papers reden, man könnte über Steuerflüchtlinge reden, man könnte auch darüber reden, wie Reiche und Superreiche das Geld außer Landes schaffen, damit sie in Österreich keinen Beitrag zur sozialen Sicherheit, für ein Zusammenleben leisten. Das ist nämlich das wesentlich größere Problem der Europäischen Union, aber kein Wort dazu. Nur, das können wir leider sowieso hier nicht lösen. Lassen wir es.

 

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