Gemeinderat, 29. Sitzung vom 20.11.2017, Wörtliches Protokoll - Seite 21 von 135
letzten Jahren, das ist das Jahr 2015. Gerade von Seiten der ÖVP hätte man sich durchaus stolz dazu bekennen können. Weil man sich damals gemeinsam mit einer sozialdemokratischen Bundesregierung auf eine Steuerreform geeinigt hat - und auch deshalb wurden für alle Bundesländer die Spielregeln verändert. Und nicht zuletzt auch deshalb, weil - ja, auch im Jahr 2015 - die Flüchtlingskrise stattgefunden hat. Wien hat damals Verantwortung übernommen, die in vielen Bereichen - das haben wir mehrmals diskutiert - eigentlich in die Zuständigkeit des Bundes gefallen wäre. Viele Geldmittel wurden erst viel später ausbezahlt, und deshalb gibt es auch die Abweichung des Jahres 2015. Diese Steuerreform, davon bin ich überzeugt und das belegen auch alle seriösen Wirtschaftsuntersuchungen, hatte einen maßgeblichen Anteil am Wirtschaftsaufschwung. Man kann sich dazu bekennen, dass Gott sei Dank die Wirtschaft wieder in Schwung kommt, dass tatsächlich das österreichische Wirtschaftswachstum über dem europäischen Durchschnitt liegt. Da haben Rot und Schwarz in dieser Zeit etwas zusammengebracht, aber das hat natürlich Auswirkungen auf den Haushalt gehabt, den man 2015 gesehen hatte. Das soll man nicht kritisieren, dazu kann man sich auch aktiv bekennen, denn diese Steuerreform war eine wirtschaftspolitisch, arbeitsmarktpolitisch richtige Maßnahme, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch wenn es uns eine Neuverschuldung gebracht hat. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Last but not least möchte ich auf folgenden Punkt auch noch eingehen: Ja, man kann an einem Punkt tatsächlich einen wesentlichen Unterschied zwischen rot-grüner Politik der rot-grünen Stadtregierung und in erster Linie Schwarz-Blau in dieser Stadt sehen, nämlich dass es für Schwarz-Blau tatsächlich vom Grundsatz her ein kritisierenswertes Thema ist, dass die Stadt, ob jetzt pro Tag 2 Millionen EUR, ob insgesamt über 600 Millionen EUR für Armutsbekämpfung ausgibt. Das macht einen ganz wesentlichen Unterschied. Mindestsicherung ist Armutsbekämpfung. Mindestsicherung ist Bekämpfung von Obdachlosigkeit. Mindestsicherung ist auch Unterstützung von Kindern und Jugendlichen in dieser Stadt. Für uns ist das keine Belastung, sondern soziale Verantwortung in dieser Stadt, meine sehr verehrten Damen und Herren, und wir nehmen sie auch wahr. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Ich finde das mit dem Wort Zynismus ganz gut ausgedrückt. Die Stadt nimmt Geldmittel in die Hand - wir würden sie uns gern ersparen, denn würde es keine Arbeitslosigkeit geben, würde es keine Menschen geben, die tatsächlich Unterstützung und Hilfe brauchen. Ja, dann wäre es angenehm, gar keine Frage. Diese Stadt erträumen und erwünschen wir uns in der einen oder anderen Form wahrscheinlich alle. Nur: Es ist nicht so. Man weiß, gerade in Ballungsräumen, gerade in Städten brauchen viele Menschen diese Unterstützung. Das macht die soziale Verantwortung dieser Stadt aus. Kollege Ellensohn ist darauf eingegangen, aber nicht zuletzt auch die Frau Finanzstadträtin in ihrer Rede: Dass sich eine Stadt zu dieser sozialen Verantwortung bekennt, ist ein wesentlicher Unterschied. Und diesen Unterschied werden wir auch in Zukunft klar machen. Diese über 600 Millionen EUR, die die Stadt in die Mindestsicherung, in Armutsbekämpfung investiert, sind richtig angelegtes Geld und sind notwendiges Geld in dieser Stadt.
Wir hoffen, dass wir nicht zuletzt auch mit dem Mindestsicherungsgesetz, das wir in drei Tagen beschließen werden, eine gute Grundlage dafür schaffen, dass diese Mindestsicherung und die damit verknüpften Maßnahmen viele Menschen zu einem selbstständigeren Leben bringen können. Aber es wird nicht automatisch so sein. Ich sehe diese Konsequenz vor meinem Auge: Sollten all die Drohungen wahr sein, die man auch in der Rede meines Vorredners gehört hat, werden Sie die Ersten sein, die dann sagen: Wie kann es in einer Stadt passieren, dass Menschen wieder in einem Park leben? Sie werden die Ersten sein, die sagen: Warum fahren Leute in der Tramway 20 Runden, wie es in anderen Städten ist, nur damit sie es ein bisschen warm haben? Es gibt nur diese Variante oder die Variante, Menschen zu unterstützen. Wir bekennen uns zur Variante, die Menschen zu unterstützen, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Ich will nicht noch sonderlich auf den Vorwurf des Aufhetzens einer Gebietskörperschaft gegen eine andere eingehen. Gerade wenn wir uns die letzten Wochen und Monate ansehen, wie tatsächlich orchestriert und teilweise noch begleitet, auch von Vertreterinnen und Vertretern dieses Hauses, Meldungen über Wien - Horrormeldungen kann man ja fast schon dazu sagen - kreuz und quer über Österreich verstreut wurden. (VBgm Mag. Johann Gudenus, M.A.I.S.: Gegen Rot-Grün, nicht gegen Wien, das ist der Unterschied!) Ich bin auch in einer bundespolitischen Funktion tätig, und wenn man dann wo hinkommt, wird man gefragt: Sag einmal, wie ist denn das tatsächlich in Wien? Es werden Bilder erzeugt und produziert, sei es in der Frage der Kindergärten, sei es in der Frage der Verkehrspolitik, sei es in der Frage der Steuerpolitik dieser Stadt. Es sind viele Bereiche, wir haben sie alle, glaube ich, noch in unseren Ohren. Wenn man sich das anschaut, was da passiert ist, dann kann ich nur sagen: Wer da wen gegen wen aufgehetzt hat, möchte ich nicht wissen. Ich weiß auch nicht, was das wirkliche Ziel dabei war. Eines ist klar: Es ist eigentlich verwunderlich, dass es gerade auch auf Grund des guten Rufs von Wien, der ziemlich unzerstörbar in dieser Republik ist, gelingt, dass wir immer noch Tourismusrekorde haben, auch wegen der Touristinnen und Touristen und Menschen, die aus den Bundesländern nach Wien kommen. Das zeigt, es hat dieses Aufhetzen - so muss man es sagen - oder der Versuch des Aufhetzens nicht funktioniert. Das heute der Frau Stadträtin vorzuwerfen, finde ich mehr als absurd.
In diesem Zusammenhang, vielleicht auch, weil die Neuwahlforderung kommt, würde ich den Vorsitzenden ersuchen, zu überprüfen, ob der Vorwurf „Es gibt eben nur ein paar, die einem Antrag zustimmen, das sind die Vernunftbegabten und der Rest ist es nicht!“ nicht auch für einen Ordnungsruf reichen würde. Wir sind hier 100 Abgeordnete, die alle gewählt wurden, und ich gehe davon aus, dass wir alle vernunftbegabt sind.
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