Gemeinderat, 29. Sitzung vom 20.11.2017, Wörtliches Protokoll - Seite 43 von 135
hören, da kriegt man schon einen kalten Schauer. Wenn von Rot-Grün davon gesprochen wird, dass es da Privatisierer gibt, ist das etwas ganz, ganz Schlimmes.
Nun, kein Mensch wird ernsthaft davon ausgehen oder Interesse daran haben, dass wir in unserer Stadt Krankenhäuser privatisieren, obgleich es natürlich private Krankenhäuser gibt, die oftmals sehr effizient agieren. Kein vernünftiger Mensch würde auf die Idee kommen, dass wir jetzt den kompletten öffentlichen Verkehr privatisieren. Das waren schon die Sozialdemokraten, die teilweise Straßenbahngarnituren an amerikanische Investoren veräußert haben. Ich sage es aber auch hier: Niemand will den öffentlichen Verkehr privatisieren, obwohl es auch hier Private gibt, die im Auftrag der Wiener Linien sehr effizient agieren.
Wenn dann immer dieses Schreckensszenario an die Wand gemalt wird, dann heißt es: Wir Sozialdemokraten - das ist meistens die federführend derartig agierende und argumentierende Partei - sichern die Daseinsvorsorge. Ich habe leider Gottes, obwohl ich es immer wieder probiert habe, nie eine Antwort bekommen, was wir denn in der Stadt wirklich als Daseinsvorsorge sehen. Unsere Wiener Anteile an der burgenländischen Tierkörperverwertung? - Wahrscheinlich nicht. Eine in der Wiener Holding geparkte Werbeagentur, die am freien Markt agiert? - Wahrscheinlich auch nicht. Dass wir als Stadt Wien einen eigenen Fernsehsender haben, ist das Daseinsvorsorge? - Ich weiß es nicht. Ich glaube eher, es sind unmittelbare Bereiche wie Müllabfuhr und vieles mehr. Wie gesagt, da kann ich Sie beruhigen, da will niemand so - ich zitiere die SPÖ - neoliberal sein und privatisieren.
Überlegen wir uns aber dennoch einmal, wie gut eigentlich der Private beim Wirtschaften im Vergleich mit der öffentlichen Hand ist. Wie schaut denn dieser Vergleich dort aus, wo er sich wirklich stellt? Ich habe da ein bisschen in den Archiven gekramt, und da gab es einen tollen - damals noch - Kontrollamtsbericht aus dem Jahr 2001 über ein eigenartiges Missverhältnis bei den Kosten im öffentlichen Verkehr, nämlich bei den Autobuslinien der Wiener Linien und den Autobuslinien im Auftragsverkehr. Sie wissen, das sind oftmals von Dr. Richard oder anderen privaten Firmen gestellte Autobusse, die eben auch eine Autobuslinie befahren. 2001 kam man plötzlich drauf, dass im Eigenbetrieb der Wiener Linien der Nutzkilometer 5,85 EUR kostet und im Auftragsverkehr der Nutzkilometer 3,41 EUR kostet. Das heißt, der öffentliche Betrieb war um 71 Prozent teurer als der private Betrieb. Das sagt dieser Kontrollamtsbericht aus dem Jahr 2001 auf Seite 1.278.
Jetzt kann man sich denken, vielleicht war es eine einmalige Unschärfe, aber nein, dann gibt es den Bundesrechnungshof, der im Mai 2016 feststellt - ich verknappe jetzt schon wirklich -, dass die Kostennachteile des Eigenbetriebs bei den Wiener Linien im Durchschnitt der Jahre 2010 bis 2014 je nach Berechnungsmethode zwischen 43,5 und 14,8 Prozent schwankt. Das Resümee des Rechnungshofes 2016 ist, dass die „von den Wiener Linien in dem Bereich der Busverkehrsleistungen ergriffenen Maßnahmen zur Steigerung von Effizienz und Wirtschaftlichkeit mittelfristig nicht ausreichen werden, bestehende Kostennachteile gegenüber privaten Busbetreibern zu kompensieren.“ Sieh an, sieh an, vielleicht gar nicht so effektiv, die öffentliche Hand.
Schauen wir uns einen anderen Bereich an, die Gesundheit. Jetzt weiß ich, dass das besonders schwer zu vergleichen ist. Ich weiß, da hängt es auch sehr oft davon ab, welche Geräte angeschafft werden und vieles mehr. Wenn Sie aber die Zahlen im Vergleich lesen, werden Sie feststellen: Na ja, ein bisschen seltsam mutet das schon an. Was meine ich? - Ich rede einfach vom Abgang, sprich, Defizit pro Bett in Euro, und da haben wir bei den Wiener Ordensspitälern einen Abgang pro Bett von 27.467 EUR, beim KAV derzeit einen Abgang pro Bett von 63.776 EUR, also etwa das Dreifache, und beim Hanusch-Krankenhaus, ein Spezialfall, wie wir wissen, aber auch einer, der in Wahrheit in der öffentlichen Verwaltung steht, 231.410 EUR pro Bett. Da stellt sich schon die Frage: Wie schaffen das die Wiener Ordensspitäler? Sind die Privaten vielleicht doch die besseren Wirtschafter?
Nehmen wir einen dritten Bereich, Wohnen in dieser Stadt. Wir haben einen sehr großen Bereich des sozialen Wohnens. Wir haben auch einen sehr großen Bereich des im unmittelbaren Eigentum der Stadt stehenden Wohnbereichs. Wir wissen alle, wovon die Rede ist, Wiener Wohnen. Keine andere Stadt der Welt besitzt so viel Wohnraum, wie das die Stadt tut. Diese Diskussion haben wir immer wieder geführt. Es wollte auch nie jemand Gemeindebauten an irgendwelche Finanz- oder Immobilienhaie veräußern, keine Sorge. Was wir einmal angeregt haben, und dazu stehen wir weiter, war, den Menschen Eigentum an den eigenen vier Wänden zu ermöglichen.
Aber auch darum soll es gar nicht gehen. Es geht einfach darum, wer es besser macht, die öffentliche Hand oder die Privaten. Wenn man sich da die Betriebskosten anschaut: Sieh an, sieh an, die liegen bei den Gemeindewohnungen bei 2,30 EUR/m² und bei allen privaten Vermietern zusammen macht der Schnitt 2,10 EUR/m² aus. Das wird noch spektakulärer, wenn man das in Relation zu den Mieten setzt. Hier ist nämlich der Anteil der Betriebskosten der Gemeindebaumieter 37,6 Prozent, private Mieter zahlen gerade 26,4 Prozent. (GR Peter Kraus, BSc: Die Prozente rechnen sich aber schon von den Mieten!) - Sie können sich gerne zu Wort melden. Meine Damen und Herren, ich finde es schon ganz interessant, welchen Reflex man da sofort bedient. (Zwischenrufe bei SPÖ und GRÜNEN.)
Kommen wir zum Kulturbereich. Hier werden pro Jahr bei einer Vielzahl von Kulturförderungen rund 20 Millionen EUR Subventionen an die Vereinigten Bühnen Wien für die Musicalsparte weitergegeben. Jetzt halten wir es, glaube ich, alle Fraktionen, mit unterschiedlicher Sichtweise, prinzipiell notwendig, im Kulturbereich Subventionen zu geben und wahrscheinlich hier auch eine sehr große Vielfalt zu fördern. Die Musicalsparte ist beispielsweise in Deutschland, aber auch in vielen anderen Ländern der Welt, die einzige Sparte im Kulturbereich, die gewinnträchtig ist und die nicht von der öffentlichen
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