Gemeinderat, 29. Sitzung vom 21.11.2017, Wörtliches Protokoll - Seite 11 von 71
Wir haben uns auch immer für ein verstärktes Anbieten von Sachleistungen ausgesprochen, um mehr Treffsicherheit zu erreichen, um mehr den Anreiz als Sprungbrett zum Arbeitsmarkt hin zu sehen. Es gibt verschiedene Studien, die Sachleistungen als bestens geeignet sehen, um die Basisversorgung zu gewährleisten, aber auch, um die Nachhaltigkeit der Leistung sicherzustellen, vor allem im Bereich von Kinderbetreuung, Bildung, Wohnen, Mobilität.
Ein Punkt der Sachleistung ist der höhere Betrag, der in Wien an Kinder ausbezahlt wird - wunderbar, aber diesen bitte in Form eines Bildungsschecks, um besonders sozial benachteiligten Kindern eine Möglichkeit zu geben. Wir wissen, gerade Kinder mit hoher sozialer Benachteiligung profitieren von zusätzlichen Bildungsangeboten, die sie vielleicht von ihrem Elternhaus nicht mitbekommen. Das wäre auch für Wien eine Möglichkeit, zu sagen, ja, wir stehen dazu, da gibt es mehr für Kinder. - Aber natürlich ist ein bisschen pragmatisch an die Sache heranzugehen, vor allem, wenn man bedenkt, was da für ein Gegenwind kommt. Hier ist vielleicht nicht die Fundamentalopposition zu bilden, sondern ein bisschen pragmatischer und konstruktiver mehr in Sachleistung oder, für die Kinder, in einen Bildungsscheck zu gehen. (Beifall bei den NEOS.)
Zum letzten Punkt: Ich weiß, dass das viele hier im Raum auch befürworten, nämlich diejenigen, die keine Deckelung oder Kürzung der Mindestsicherung wollen, und da verbitte ich es mir bitte wirklich, uns mit den anderen Parteien in einen Topf zu werfen, dass wir bei einer Nivellierung nach unten mitmachen, denn das ist es nicht. Aber es braucht ein Instrument zur fairen Verteilung innerhalb der Bundesländer (Beifall bei den NEOS.), sowohl aus integrationspolitischen als auch aus fiskalpolitischen Gründen. 70 Prozent der anerkannten Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigten ziehen aus den Bundesländern nach Wien. 70 Prozent sind das! Wien wird immer eine Sogwirkung haben, egal, wie hoch die Mindestsicherungssätze sind. Das spielt natürlich auch eine Rolle, aber Wien wird trotzdem diese Sogwirkung haben. Deswegen sind wir, und ich glaube, das wird auch von vielen Kreisen hier durchaus befürwortet - Ihr Klubobmann im Parlament und zukünftiger Kandidat hat es auch erwähnt - für die Einführung einer Wartefrist. Er spricht sogar von einem Jahr, unser Vorschlag sieht jetzt einmal drei Monate vor. Ich weiß, bei den GRÜNEN verteufelt man diese Wartefrist. Ich glaube, es ist notwendig, da einen sinnvollen pragmatischen Weg einzuschlagen. Ich würde nichts lieber als einer sinnvollen Wiener Lösung zustimmen, keine Frage, einer Lösung, die auch ohne Kürzungen und Deckelungen auskommt, aber verantwortungsvoll, nachhaltig und lösungsorientiert, und das ist in unseren Augen leider nicht passiert. (Beifall bei den NEOS.)
Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Damit ist die Redezeit von NEOS erschöpft. Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau GRin Mag. Hungerländer. Selbstgewählte Redezeit ist 10 Minuten.
GRin Mag. Caroline Hungerländer (ÖVP): Guten Morgen! Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Frau Stadträtin! Geschätzte Kollegen!
Bevor ich mich dem Budgetentwurf im Sozialbereich zuwende, darf ich wiederum einige Grundannahmen treffen. Ich bin mir sicher, dass wir bei diesen übereinstimmen werden, nur, damit das Fundament klar ist. Die Grundannahmen lauten wie folgt:
Erstens: Zu viel Ungleichheit in einer Gesellschaft kann sozialen Unfrieden zur Folge haben.
Zweitens: Arbeit erfüllt mehrere individuelle wie gesellschaftliche Funktionen, nämlich: Arbeit bringt Verantwortung mit sich und ist deswegen sinnstiftend. Erwerbsarbeit ist ein wichtiger Faktor für ein selbstbestimmtes und vom Staat unabhängiges Leben. Weiters: Arbeit bietet eine Möglichkeit, sich im hierarchisch-sozialen Gefüge einer Gesellschaft einen Platz zu schaffen und ist wichtig für das Selbstbewusstsein einer Person. Schließlich: Arbeitskraft und Arbeitszeit sind Ressourcen, persönliche Ressourcen, die angemessen entgolten werden müssen.
Drittens: Solidarität ohne Subsidiarität ist nicht möglich. Wer kann, hat eine moralische Pflicht, einen Beitrag im Rahmen seiner Fähigkeiten zu leisten.
Ich denke, bei diesen Punkten herrscht Konsens. Lassen Sie mich diese Punkte also in praktische Politik gießen. Ich werde in dieser Rede das Thema der Mindestsicherung behandeln. Ich weiß, dass die Wiener Sozialpolitik weit über die Mindestsicherung hinausgeht. Ich freue mich auch, dass ich die Gelegenheit haben werde, bei weiteren Reden auf andere Bereiche der Sozialpolitik einzugehen. Jetzt geht es einmal um die Mindestsicherung.
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Stadt Wien da ein gewisses Problembewusstsein entwickelt hat und mit der Novelle des Wiener Mindestsicherungsgesetzes zu Änderungen, Verbesserungen bereit ist. Nur leider gehen diese Änderungen, Verbesserungen bei Weitem nicht weit genug. Was meine ich damit? - Sehen wir uns das Budget an: Im Jahr 2003 betrug die damalige Sozialhilfe 129,8 Millionen EUR, im Jahr 2010, also 6 Jahre später, waren es 290 Millionen EUR, also etwas mehr als die Hälfte. Sie wissen, 2010 wurde die Mindestsicherung eingeführt. Wiederum 6 Jahre später betrug die Mindestsicherung bereits 659 Millionen EUR. Sie sehen also, wie rasant dieser Anstieg ab 2010 war. Auch für das nächste Jahr wurde bereits saftig nachdotiert, nämlich um 30,5 Millionen EUR. Das sind jetzt Ausgaben von 1,9 Millionen EUR pro Tag im Jahr 2017. Das heißt, es wurden gestern 1,9 Millionen EUR ausgegeben, und es werden heute 1,9 Millionen EUR ausgegeben, und es werden morgen 1,9 Millionen EUR ausgegeben, und es werden übermorgen 1,9 Millionen EUR ausgegeben. So ging das das gesamte Jahr, und so geht es auch den Rest dieses Jahres weiter. Insgesamt haben 208.000 Menschen in diesem Jahr Mindestsicherung erhalten, das sind mehr als 10 Prozent der Wiener Bevölkerung, die damit in einem Abhängigkeitsverhältnis zur Allgemeinheit sind. Die Aussicht für die Zukunft sieht ebensowenig rosig aus. Laut einem Bericht des Rechnungsho
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