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Gemeinderat, 32. Sitzung vom 25.01.2018, Wörtliches Protokoll  -  Seite 43 von 102

 

Man sieht sehr deutlich, dass die Planer hinsichtlich dieses Neubauviertels sehr tolle Ideen hatten. Sie haben gesagt, wir schaffen eine Agora, einen Platz, an dem die Menschen zusammenkommen, wo soziales Leben stattfinden soll. Was ist dann aber mit diesen romantischen Phantasien in der Wirklichkeit passiert? Auf den Plätzen waren Bankerl, dort saßen natürlich am Abend die Jugendlichen, es war laut, die Anrainer haben sich beschwert, die Bankerl mussten weg, und mittlerweile sind das tote, leere Plätze, die eigentlich nicht mehr funktionieren, weil dort kein Leben stattfinden darf, weil es zu laut ist und das zu Konflikten führt.

 

Die gesamte Jugendarbeit wurde verlagert, sie findet nun außerhalb dieses Neubaugebiets auf der grünen Wiese, nämlich auf einer Forstamtswiese, statt, wo wir einen Jugendplatz, einen Gemeinschaftsgarten und auch eine Hundezone errichtet haben. Das soziale Leben findet also jetzt nicht im öffentlichen Raum, etwa am Osloplatz, statt, wie es geplant war. Dort ist jetzt gar nichts, und das soziale Leben findet daneben statt. - Nur an diesem einen Beispiel dafür, dass Planung nicht so geklappt hat, wie man sich das vorgestellt hat, sieht man, dass es extrem wichtig ist, sich mit dem öffentlichen Raum auseinanderzusetzen und zu schauen, wie man ihn so planen kann, dass er funktioniert.

 

Wir haben auch Beispiele für andere Bereiche. Dort haben wir sozusagen gesagt: Hallo, liebe Planer, wartet ein bisschen! Planen wir die Flächen gemeinsam sehr sensibel Schritt für Schritt, und bepflanzen wir langsam! Wir haben das am Beispiel des ersten Generationenspielplatzes in Wien, den wir damals in der Donaustadt gebaut haben, gesehen. Dort haben wir sozusagen ein Wohnzimmerkonzept ausprobiert. Es wurden im Park bestimmte Räume für bestimmte Zielgruppen gestaltet, also ein Kleinkinderbereich und auch ein Seniorenbereich. Wir haben im Hinblick auf alle Zielgruppen abgefragt, was diese brauchen, und das wurde dann so gestaltet, dass ein Miteinander möglich ist und dass das Wegesystem funktioniert.

 

Wir haben die BürgerInnen mit einbezogen, und auch in dieser Hinsicht ist zu differenzieren: Wir haben zuerst die Anrainer einbezogen, den Kindergarten, die Schule und Pensionistenklub, also alle Institutionen rundherum. Das ist aber gescheitert, denn da kamen natürlich alle Partikularinteressen zum Tragen. Die Pensionisten haben gesagt: Wozu brauchen wir da einen Spielplatz? Betoniert das zu und baut Parkplätze, denn wenn wir in den Pensionistenklub fahren wollen, dann brauchen wir davor Parkplätze! Seitens des Kindergartens hat man gesagt: Wir wollen eine eingezäunte Erweiterung, dann brauchen wir keinen Spielplatz!

 

Schließlich haben wir gesagt: Aus! Die laden wir nicht mehr ein, das ist sinnlos, denn jede Gruppe vertritt nur ihre eigenen Interessen! - Wir haben dann die Anrainer von Tür zu Tür in Interviews befragt, was sie sich wünschen, und so ist sehr sensibel Schritt für Schritt dieser öffentliche Raum entstanden.

 

Das ist jetzt zehn Jahre her, und ich gehe auch heute noch meist dorthin, wenn internationale Delegationen nach Wien kommen und sich etwas Städteplanerisches hier anschauen wollen. Ich erzähle den Leuten dann im Bus oder auf dem Fahrrad, wenn wir Touren machen, wie diese Planung stattgefunden hat, und wenn wir dann dort hinkommen, finden wir erfreulicherweise bestätigt, dass das auch nach zehn Jahren noch immer so funktioniert, wie wir das geplant haben, nämlich mit einem tollen Miteinander. Es gibt auf dem Platz kaum Verwüstung, es ist kaum etwas kaputt, und es ist nach zehn Jahren noch immer sehr schön.

 

Das ist jetzt sozusagen ein Plädoyer dafür, soziale Räume nicht fertigzuplanen, sondern sehr behutsam zu entwickeln. Das geht nicht am Reißbrett. Wir wissen ja nicht, wer dort mit welchen Interessen einziehen wird.

 

Siegfried Bernfeld war ein Wiener Psychoanalytiker, der sich mit dem sozialen Ort sehr intensiv beschäftigt hat. Er sagt, dass manche Menschen ihre neurotischen Tendenzen auch am sozialen Ort und nicht in der Psyche austragen. Sie werden sozusagen nicht psychisch krank, sondern leben ihre Probleme am sozialen Ort aus. Und deshalb ist es so wichtig, wie Orte gestaltet werden. Ein Platz kann Menschen verunsichern, sodass dort dann Aggressionen ausgetragen werden oder Verdrängungswettbewerbe stattfinden, und so weiter.

 

Auf all das müssen wir Acht geben. Das werden wir allein mit diesem Konzept nicht schaffen, aber dieses Konzept geht zumindest in die Richtung, dass wir den Wert des sozialen Raums genau beachten, an dem Menschen zusammenkommen und miteinander leben müssen beziehungsweise zuerst miteinander leben müssen, aber mit der Zeit vielleicht auch miteinander leben wollen, wodurch sich dann auch neue Nachbarschaften, Grätzel, Gemeinschaften und Freundschaften bilden.

 

Diese Grätzl sind wirklich soziale Orte, wo Menschen zusammenkommen. Kollege Baron hat von Orten gesprochen, die zum Teil wie unter der U-Bahn zubetoniert sind. Die Aussage ist richtig. Dass es zubetoniert ist, ist schade und falsch. Das sollte man anders gestalten. Da bin ich bei dir. Was aber diese Orte unterscheidet, ist ein sozialer Ort. Dort kommen Leute zusammen, weil sie miteinander etwas tun. In diesen sind auch viele Leute. Aber sie kommen dort nicht zusammen, sondern sie sind sozusagen nur Passagiere, die durch den Ort durchgehen. Sie wollen nichts miteinander zu tun haben. Sie wollen mit der U-Bahn fahren. Oder auf einem Bahnhof gehen sie nur durch. Sie wollen nicht zusammenkommen. Dort passiert kein Fest oder keine Kommunikation. Das heißt aber, die Orte müssen anders gestaltet werden, damit dort auch eine gewisse Aufenthaltsqualität entsteht und Leute sich auch gerne dort aufhalten. Wer sich dann dort aufhält, ist meist sozusagen wieder ein Thema der Bezirkspolitik, wenn irgendwer unzufrieden ist, weil es laut ist oder weil Skater darunter sind. Das schlägt dann nicht mehr bei den Planern auf, diese sind schon beim nächsten Planungsprojekt, sondern es schlägt dann meist in der Bezirksvorstehung durch Beschwerden und Beschwerdebriefe auf. Deswegen ganz wichtig, dass wir das Augenmerk auch auf diesen sozialen Ort lenken und wie das Miteinander dort entsteht.

 

Der zweite Aspekt, der mir wichtig ist, ist diese Urban Heat Island Strategy, dass wir auch beim öffentlichen

 

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