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Gemeinderat, 46. Sitzung vom 20.12.2018, Wörtliches Protokoll  -  Seite 9 von 90

 

sich an den Bedürfnissen und Interessen und auch zu fördernden Talenten von Kindern orientieren und nicht umgekehrt voraussetzen, dass sich die Kinder an die Kindergärten, Schulen, et cetera anpassen.

 

Daher ist im Mittelpunkt von Bildung - und dafür stehe ich mit all meiner Überzeugung - nicht die einzelne Bildungseinrichtung, nicht die Volksschule, der Kindergarten, die NMS, was auch immer, zu sehen, nicht ein Verein, nicht eine Erwachsenenbildungseinrichtung, sondern im Mittelpunkt steht der lernende Mensch. Um ihn herum, um sie herum sollen sich Bildungseinrichtungen organisieren und zusammenarbeiten.

 

Um diese Form des Lernens zu fördern, brauchen wir eine Öffnung der bestehenden Bildungsangebote und vor allem auch eine Vernetzung. Das ist der Grundgedanke hinter unseren bildungspolitischen Maßnahmen und Schritten, hinter allem, was wir tun. Das ist auch der Grundgedanke hinter dem großen - ja, das kann man sicher so sagen - Flaggschiffmodell von Campusschulen, Campusbildungseinrichtungen, die eben genau nicht nur Schulen sind, sondern über die Schule hinaus, vom Kindergarten über die Schullaufbahn und die außerschulischen Bildungseinrichtungen, an einem Standort Kinder begleiten. Ein Kind lernt an einem Bildungscampus eben von null oder drei weg, bis es den Bildungscampus verlässt.

 

Diese Öffnung, diese Vernetzung und die verstärkte Kooperation zwischen den verschiedenen Bildungseinrichtungen eines Stadtteils sollen mit der Idee des Bildungsgrätzls jetzt in die ganze Stadt getragen werden. Nicht immer haben wir auf Grund eines Stadterweiterungsgebietes oder sonst einer riesengroßen Gstätten die Möglichkeit, die wir sonst zur Verfügung haben, einen Bildungscampus als Flaggschiff hinzustellen. Was wir aber haben, sind die Möglichkeiten eines urbanen Raums. Bildungseinrichtungen in einem urbanen Raum sind immer mit besonderen Herausforderungen konfrontiert, das werden wir ganz sicher heute in der Aktuellen Stunde noch einmal diskutieren. Das betrifft natürlich räumliche Einschränkungen an Platz, das betrifft natürlich auch soziale Themen, die sich in den Städten verdichten, und, und, und. Aber ein urbaner Raum bietet auch Möglichkeiten und Chancen.

 

Es ist so, dass in unheimlich vielen Gegenden in Wien, also in unheimlich vielen Gassen, Straßen, Grätzln, wo Kinder wohnen, in unmittelbarer Umgebung Bildungseinrichtungen, wenn man so will, in Patschengehweite voneinander sind, wo ein Kindergarten, eine Schule, ein Sportverein, eine VHS, eine Bücherei, was auch immer, in direkter Nachbarschaft sind. Diese Stärke des urbanen Raums wollen wir nutzen.

 

Ein Kind, das in einem kleinen Dorf wohnt, muss teilweise eine halbe Stunde, eine dreiviertel Stunde mit dem Bus in die jeweils andere Bildungseinrichtung fahren, ein Wiener Kind hat sie ums Eck. Das Ziel ist das Entstehen von Bildungsgrätzln, die ein Ort gemeinsam organisierter - das wesentliche Wort ist gemeinsam - elementarpädagogischer, schulischer, außerschulischer Bildung sind, aber gleichzeitig auch die Freiräume und Strukturen für Bildung und Lernen in andere Form bereitstellen, die also von der Nachbarschaft profitieren.

 

Mittelfristig sind wir überzeugt, dass diese Kooperationen die Umsetzung gemeinsamer pädagogischer Schwerpunkte ermöglichen, also nicht nur eine Sache, die das Team der Volksschule oder der NMS verfolgt, sondern eben gemeinsame pädagogische Schwerpunkte im Grätzl. Das stärkt auch das Vertrauen und die Beziehung zwischen den Bildungspartnern, also den Kindern, den Eltern und den Schülern, die ja auch im jeweiligen Grätzl zu Hause sind. Dieses Vertrauen und die gute Beziehung sind zugleich eine Grundvoraussetzung für Pädagogik. Überhaupt braucht Bildung zuallererst Beziehung. Bildung kann nur durch Vertrauen hochwertig vermittelt werden, und die verstärkte Kooperation zwischen Kindergarten und Schule und außerschulischen Bildungseinrichtungen, diese etablierte Vertrauensbasis ermöglicht den Kindern auch einen besseren Übergang. Jetzt ist es ja oft so, dass der Übergang von der einen Bildungseinrichtung zur anderen von einem Kind wie das Überspringen einer Mauer empfunden wird. Dann gibt es halt Eltern, die beim Rucksackhalten helfen, beim Drüberspringen oder die die Hühnerleiter machen, und Kinder, die damit allein gelassen werden. Wenn es so ist, dass wir Bildung so denken, dass es im Idealfall gar keine Mauern gibt, sondern Übergänge, die funktionieren, dann ist das ein wesentlicher Beitrag.

 

Zusammengefasst: Bildungsgrätzl sollen als stadtteilorientierte Bildungslandschaft die Wirkung von Bildungsarbeit erhöhen. Es geht uns darum, dass wir es einfach besser machen und zugleich positiv auf das Zusammenleben in Stadtteilen einwirken. Daher lautet auch das Motto der Bildungsgrätzl so ähnlich wie ein afrikanisches Sprichwort: „It takes a Grätzl to raise a child.“

 

Langfristig zielt das Konzept darauf ab, dass wir die Wiener Bildungsgrätzl überall dort, wo möglich, nutzen, überall dort, wo Bildungseinrichtungen in Patschengehweite zueinander sind. Da gibt es, wenn man sich die Stadt anschaut, mindestens 90 solcher Potenziale, wo das der Fall ist. Wir wollen aber auch die Ausbildungsquote und die Ausbildungsqualität erhöhen und damit einen Beitrag zur Chancengerechtigkeit und sozialen Gerechtigkeit in einer urbanen Gesellschaft leisten.

 

Wo stehen wir gerade? - Es gibt mit Ende 2018 - das ist ja dann so gut wie fix der Fall, es kommt jetzt auch nichts dazu bis Ende 2018 - sechs Bildungsgrätzl, das Bildungsgrätzl Schönbrunn, das Bildungsgrätzl LeoMitte, also in der Leopoldstadt, das Bildungsgrätzl Ebner-inklusiv-Eschenbach in Währing, das Bildungsgrätzl Spielmanngasse, das Bildungsgrätzl Kaisermühlen und das Bildungsgrätzl Fünfter mobil! in Margareten. In den bestehenden Bildungsgrätzln arbeiten derzeit rund 40 Bildungseinrichtungen in unterschiedlicher Intensität zusammen. Ich freue mich jetzt schon auf die vielen weiteren Schritte, die wir im nächsten Jahr gehen werden. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Die 1. Zusatzfrage kommt von NEOS, Herr GR Wiederkehr.

 

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