Gemeinderat, 49. Sitzung vom 28.03.2019, Wörtliches Protokoll - Seite 55 von 82
ner fragen: Wollt ihr das Weltkulturerbe verlieren oder nicht? Dann wird wahrscheinlich eine breite Mehrheit sicher dafür plädieren, es zu behalten. Nur, was bedeutet das auch, wenn man ihnen dann nachher sagt, dass es damit verbunden ist, dass wir Souveränität abgegeben? Und ich erzähle Ihnen jetzt eine Erfahrung und das würde ich wirklich sehr gerne mit Ihnen teilen: Als ich in Bahrain in der Hauptstadt Manama war, haben wir mit der ICOMOS ein Gespräch geführt, um rechtzeitig den Umbau und die Realisierung des Wien-Museums zu besprechen. Sie wissen, es hat einen Architekturwettbewerb gegeben. Wir haben uns für die sanfteste Variante entschieden. Es ging ja darum, dass man das Winterthur-Gebäude, dieses Versicherungsgebäude, das dort steht, umgestaltet, ein bissel abreißt, von der Karlskirche abrückt und dafür sich aber an der Silhouette der Gebäude dort orientiert. Wir sitzen dort in einer Kammer und da sitzen eine Dame von der UNESCO und zwei Architekten, eine Architektin aus Italien und ein Architekt aus Australien von der ICOMOS, die Wien wahrscheinlich nicht wirklich so kennen, wie es ist. Man sitzt dort wie ein Bittsteller und muss ihnen mit Visualisierungen, mit Bildern, mit 3Ds, mit ich weiß nicht, was und mit einem Haufen von Studien nachweisen, dass das dort nicht schaden wird, die Karlskirche viel schöner ausschauen wird und von hinten, also von der Maschekseite, von der Französischen Botschaft aus erkennbar wäre, und dass es historisch ganz anders ausgeschaut hat. Wollen wir das wirklich, dass im Endeffekt jede Entwicklung in der Stadt Wien für die Zukunft so passieren wird, dass irgendwelche zwei Architekten, die weder eine demokratische Legitimation haben noch von irgendwem ausgesucht worden sind, sondern einfach über Entscheidungen eines Bezirksparlamentes, eines Gemeinderates, der von den Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt gewählt worden ist, die Entscheidung treffen, wie eine Stadt auszusehen hat? (GR Mag. Dietbert Kowarik: Sie haben aber schon einen Staatsvertrag abgeschlossen! Eine rechtliche Grundlage!) Oder wir lagern das aus und sagen, na ja, eine NGO, die ICOMOS ist eine NGO, die hat das irgendwie geschafft, dass sie dort ist (GR Mag. Dietbert Kowarik: Das ist keine NGO!) und hat das gemacht. Ich zitiere am Ende wirklich zum Nachdenken. (GR Mag. Dietbert Kowarik: Das ist keine NGO! Das ist ein Staatsvertrag!) Okay, das ist ja das Problem, dass wir die ganze Diskussion immer so hinunterbrechen, als ginge es da um einen völkerrechtlichen Vertrag. Natürlich ist es jetzt rein juristisch, wenn man so will, ja. (GR Mag. Dietbert Kowarik: No na ned!) Die Frage ist, wenn man jetzt … Ja, das ist ja das. (GR Mag. Dietbert Kowarik: Das hätten Sie sich vorher überlegen müssen!) Deswegen sage ich ja, man müsste mit den Bürgerinnen und Bürgern auch wirklich Tacheles reden und ihnen (GR Mag. Dietbert Kowarik: Wer hat es denn abgeschlossen?) das auch einmal erklären. Wenn Sie natürlich mit Juristinnen und Juristen sitzen (GR Mag. Dietbert Kowarik: Hättet ihr es nicht gemacht!), sehen Sie es nur aus der Warte des rein rechtlichen Rahmens.
Wir haben ja genug Sitzungen durch das Bundeskanzleramt gehabt, wo dann ein Völkerrechtsexperte sitzt. Und dem ist es wurscht, wie jetzt die Stadt ausschauen wird und wie die Entscheidungen kommen werden und wie die Entwicklung ist, Hauptsache, nach dem Papier haben wir das gemacht. (GR Mag. Dietbert Kowarik: Herr Kollege! Das nennt man Rechtsstaat! Willkommen!) Ja, aber auch in einem Rechtsstaat gibt es auch die Möglichkeiten, nachzudenken, nachzuschärfen und zu schauen, wo es eine ... (GR Mag. Dietbert Kowarik: Richtig! Die Politik macht das Recht! - Heiterkeit bei der FPÖ.) Ja, aber, Herr Kollege (GR Mag. Dietbert Kowarik: Na schau!), Sie wissen doch ganz genau, wäre diese Kernzone um ein paar Meter daneben, wäre das kein Thema!
Ich rede hier in meiner Funktion als Stadtentwicklungssprecher, wie man die Stadt entwickelt und wie wir sie weiterbringen. Um das geht‘s im Endeffekt, und das sollten auch die Bürgerinnen und Bürger wissen, was das bedeutet. Wenn ich mich nur auf das zurückziehe, okay. Aber wenn es so wäre, dann hätten wir keine Verhandlungen über den Brexit und dann hätten wir keine Verhandlungen über alles Mögliche. Es verschieben sich manchmal Bezirksgrenzen. Also so zu tun, als wäre jetzt die Welt untergegangen, das ist wirklich, wirklich schade. (GR Mag. Dietbert Kowarik: Die Politik macht das Recht!)
Mich hat ein Kommentar von Eric Frey im „Standard“ sehr bewegt, sehr interessiert. Ich teile nicht alles, was drinnensteht. Es waren auch kritische Passagen gegenüber der Stadt und der SPÖ. Aber als wesentlich steht drinnen: „Weder braucht es die Kaiserstadt noch das Label als touristischer Anziehungspunkt noch braucht es die UNO, um Wiens Kulturgüter vor Zerstörung zu schützen. Und einer der schnellstwachsenden Großstädte Europas den Bau von Hochhäusern in Zentrumsnähe zu verbieten, wie es die UNESCO tut, ist weltfremd und kontraproduktiv. Niemand will neue Türme innerhalb des Ringes errichten. Aber auf dem ehemaligen Glacis braucht Wien dynamische Bauten und spannende Architektur und das schließt auch Hochhäuser ein. Es wird diskutiert, dann geht jedes neue Gebäude in die Breite, was zwar den berühmten Canaletto-Blick vom Oberen Belvedere auf die Innenstadt bewahrt, aber das Stadtbild ansonsten verunziert.“
Aber, Herr Gemeinderatsvorsitzender, wenn wir vom rechtlichen Level und vom Rechtsstaat reden, auch Flächenwidmungen und Bauherrenverträge sind auch ein Teil des Rechtsstaates!
Wir werden in diesen zwei Jahren alles unternehmen, eine Lösung zu finden, um im Endeffekt als Stadt unsere Reputation für Investoren nicht zu gefährden. Wir werden alles unternehmen, dass die Stadt dieses Label des Weltkulturerbes nicht verliert, und dass die Stadt trotzdem eine dynamische, interessante Entwicklung im Finale haben wird! Danke schön. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Zum Wort gemeldet ist zum zweiten Mal Herr Bezirksvorsteher MMag. Figl. Die Restredezeit ist 18 Minuten maximal, sage ich einmal.
BV MMag. Markus Figl: Hoher Gemeinderat! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
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