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Gemeinderat, 49. Sitzung vom 28.03.2019, Wörtliches Protokoll  -  Seite 63 von 82

 

und daran arbeiten. Aber wir können diese Herausforderungen auch meistern. Deshalb glaube ich, die Angst ist unbegründet. Nein, ich bin überzeugt, die Angst ist unbegründet, weil das haben wir in Wien schon zeigen können. Wir in Wien haben es zum zehnten Mal in Folge geschafft, als Stadt mit der höchsten Lebensqualität ausgezeichnet zu werden, eine kleinteilige Arbeit an vielen vielteiligen Projekten, die funktioniert. Und sie zeigt Früchte. Wien ist solidarisch. Wien ist sozial und umweltbewusst. Wien widersteht den destruktiven Angriffen der Bundesregierung. Wir stellen uns gegen Sozialabbau und gegen Ausgrenzung in jedem Fall. Wer hier ist, gehört dazu. Die Vielfältigkeit ist unsere Stärke. Das ist die moderne, die diverse, die kreative, die liebenswerte, die lebenswerte Stadt, für die ich gerne arbeite, weil ich gerne hier lebe wie Sie wahrscheinlich auch. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Weil ich zutiefst davon überzeugt bin, dass ein Zusammenleben in gegenseitigem Respekt möglich ist und dass ein gutes Leben für möglichst alle erhaltbar ist. Lassen Sie mich dazu eine kleine Geschichte erzählen. Zirka 2010 habe ich damit begonnen, mich für die Benennung einer zentralen Straßenkreuzung in Wien einzusetzen. Es geht um die Einfahrt in die Mariahilfer Straße, ein Ort, an dem am Tag 80.000 Personen vorbeigehen. Damals stellte ich gemeinsam mit meiner Fraktion das erste Mal den Antrag, den Ort dort „Platz der Menschenrechte“ zu nennen. Niemals hätte ich gedacht, dass es in einer Stadt, in einem Land, dessen Verfassung auf der Menschenrechtskonvention beruht, dass es hier in Wien doch einige Jahre dauern kann und viel Diskussion und Überzeugungskraft notwendig ist, um das Bekenntnis zu den Menschenrechten auch in den öffentlichen Raum einzuschreiben. Es hat gedauert. Aber 2014 ist es gelungen und Wien ist heute nicht nur Menschenrechtstaat, Wien hat das auch im öffentlichen Raum an einer zentralen Stelle manifestiert. Mitten in der Stadt prangt der Platz der Menschenrechte. Alle 30 Artikel der Internationalen Menschenrechtskonvention von 1948 sind hier aufgeschrieben und nachzulesen, öffentlich zugänglich und in eine Tischplatte eingebrannt. Eine lange Tafel steht an diesem Platz, die einlädt, gemeinsam zu essen, zu schwatzen, zu diskutieren und die Grundrechte aller Menschen kennen zu lernen. Und er wird genutzt, dieser gemeinsame Tisch. Ständig von früh bis spät kommen hier Leute zusammen. Sie können es mir glauben, weil ich fast täglich daran vorbeigehe. Dieser Tisch und dieser Platz sind ein Symbol dafür, wie gut das Leben hier in der Stadt funktionieren kann und auch noch heute funktioniert. Vielleicht sollte sich ja die Bundesregierung auch mal hier für ihre Gesetzesvorbereitungen treffen. Dieser Platz wurde noch vor dem Krieg in Syrien benannt. Heute, 2019, mit einer Bundesregierung, die ständig neue menschenverachtende und vor allem auch die Menschenrechtskonvention verachtende Gesetzesvorschläge präsentiert, ist es wichtiger denn je.

 

Heute am Beginn des 21. Jahrhundert ist es notwendig geworden, dass sich Wien als demokratisches Bollwerk präsentiert. Wir sind Menschenrechtsstadt. Wir achten die Grundrechte für alle Menschen. Wir stellen das Gemeinsame vor das Trennende. Wir kümmern uns um die in Not Geratenen. Wir schaffen Brücken und Verständigung statt Ausgrenzung. Wir stellen uns gegen Zwangsarbeit um 1,50 EUR die Stunde und gegen Sozialhilfe, die Kinder mit 43 EUR im Monat abspeisen will und damit auch in die Armut treibt. Hier im Gemeinderat sehe ich uns alle in der Verantwortung, bessere Lösungen zu finden, als der Bund sie uns vorschlägt. Wir sind aufgerufen, verantwortungsvoll das gemeinsame Leben in dieser Stadt zu verbessern, weil es ein möglichst gutes Leben braucht, um die Lebensqualität in dieser Stadt auch zu halten und zu erhalten.

 

Es gab schon eine Reihe guter Interventionen dazu. Eine neue Intervention darf ich mit dem Projekt vorstellen, das wir gerade diskutieren. Der neue One Stop Shop, eine Einrichtung zur Wiener Jugendunterstützung für 15- bis 25-Jährige in der Mindestsicherung, die auf Suche nach einer Lehrstelle oder nach einem Arbeitsplatz sind. Wir haben längst gelernt, dass Armut vererbt ist. Dass Kinder und Jugendliche aus schwierigen Verhältnissen deutlich größere Schwierigkeiten haben, ihre Schule zu beenden, eine Berufsausbildung durchzuhalten. Dass viele von ihnen schon als Jugendliche in die Mindestsicherung geraten und kaum mehr davon wegkommen können. Deshalb war die Frage: Wie schaffen wir es, dass Jugendliche doch aus der Mindestsicherung herauskommen können und damit auch aus der Armutsspirale? Wie schaffen wir es, dass sie später im Leben eigenständig werden, mehr Freude am eigenen Leben haben, weniger krankheitsgefährdet sind, und für die, die menschliches Leid als Kostenfaktor lesen, auch weniger Kosten verursachen? Das war der Ausgangspunkt, um neue Wege der Unterstützung zu suchen, Wege, die ein nachhaltiges Empowerment ermöglichen. Der neue One Stop Shop, ich muss mich immer ein bissel anstrengen, was das angeht, aber der neue One Stop Shop ist ein solcher Weg. Hier bringen unterschiedliche Institutionen wie das AMS und die MA 40 ihre Kompetenzen zusammen, um Jugendliche nicht nur finanziell zu stützen. Hier werden sie außerdem auch auf ihrem Weg professionell unterstützt. Sie bekommen eine soziale Orientierungshilfe, einen Schulabschluss und eine Ausbildung. Und was ist das Neue daran, werden sie jetzt fragen. Im One Stop Shop werden Jugendliche individuell beraten und begleitet. Jeder und jede werden dort abgeholt, wo sie stehen, immer mit dem Ziel, dass die Einzelnen nachhaltig eine Perspektive bekommen. Am Ende des Weges steht im besten Fall ein Job, mit dem man sich erhalten kann. Dadurch, dass das Angebots-Package im One Stop Shop Finanzielles und Ausbildung und Sozialarbeiterisches alles an einem Ort konzentriert, können mehr Kontinuität und mehr individuelle Betreuung garantiert werden. Das ist ein einschneidender Schnitt, um Armutsvererbung aufzulösen. Dass das gelingt und auch damit das gelingt, zeigen viele Erfahrungen aus ähnlichen Projekten in der Schweiz und in den Niederlanden. Wir wissen, dass Menschen mit Problemen ihr Verhalten nicht alleine ändern können, noch dazu, wenn sie zusätzlich unter Druck geraten. Ganz im Gegenteil. Menschen brauchen Perspektiven

 

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