Gemeinderat, 53. Sitzung vom 24.06.2019, Wörtliches Protokoll - Seite 45 von 99
nicht absehbar, bei der Schweiz wird die Frage des Rahmenabkommens die kommende Kommission beschäftigen und durchaus von Relevanz sein.
Meinen letzten Punkt möchte ich dem Thema Werte widmen. Ich habe da doch einen etwas anderen Ansatz als mein Vorredner, aber nichtsdestotrotz haben wir das Problem auseinanderdriftender europäischer Werte. Was meine ich damit? Dass ein- und dieselben Begriffe - und ich denke, im Kontrast von meinem Vorredner und mir sieht man das relativ deutlich - unterschiedlich verstanden werden, sei das individuelle Freiheit, sei das Menschenwürde - das hoffentlich nicht - oder Menschenrechte. Also wie definiere ich Freiheit, wie weit geht Freiheit, wie weit geht individuelle Freiheit? Und ich denke, wenn man diese Begriffe ohne eine historische und religiöse Einbettung sieht, dann läuft man ganz schnell Gefahr, sehr beliebig und tendenziös und äußerst ideologisch zu werden. Ich kann also nur appellieren, dass wir die Grundwerte und die Geschichte der Europäischen Union schützen und bewahren und wertschätzen und die Union als das, was sie ist, nämlich ein Raum, der uns allen Freiheit gibt und lebenswert und wertvoll ist, bewahren.
Ich darf mich zum Schluss für die gute konsensuale Zusammenarbeit im Ausschuss bedanken, auch Herr Stadtrat, dass Sie uns die Ehre erteilen, dabei zu sein. Ich darf mich bedanken für die Akten, die immer sehr gut aufgearbeitet und umfassend sind - wir sind wirklich gut informiert -, dass immer alles sehr gut vorgestellt wird und auch auf Fragen eingegangen wird. - Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)
Vorsitzender GR Mag. Dietbert Kowarik: 6 Minuten Redezeit sind verbraucht, es bleibt 1 Minute. Zu Wort gelangt Frau GRin Meinhard-Schiebel. Selbstgewählte Redezeit sind 6 Minuten, Restredezeit der Grünen Fraktion zur Zeit 13 Minuten. - Sie haben das Wort.
GRin Brigitte Meinhard-Schiebel (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Stadtrat! Sehr geehrte Abgeordnete und ZuseherInnen!
Selbstverständlich möchte ich auch zum Thema Europapolitik ein paar Gedanken anbringen. Der Wahlkampf für das Europaparlament hat uns ja alle monatelang beschäftigt, und dass die Wahlbeteiligung gegenüber 2014 immerhin um 14 Prozent gestiegen ist, hat gezeigt, dass sich doch mehr Menschen als zuvor für Europa interessieren.
Die für die jüngsten Ereignisse entscheidenden politischen Wortmeldungen sind aber nicht in Wien, sondern auf Ibiza gefallen. Inspiriert durch eine - wenn auch unechte - russische Oligarchennichte, hat sich das ein breites Publikum europaweit mitansehen können. Die Inhalte sind Ihnen allen in diesem Haus bekannt. Das Bemerkenswerte an dem gemütlichen Beisammensein in der Urlaubsfinca aber ist, dass Österreich wieder einmal in ganz Europa zum Gesprächsthema wurde, wie damals bei der Wahl Waldheims 1986, bei der Angelobung von Schwarz-Blau I im Jahr 2000 und bei anderen Angelegenheiten.
Es hat sich aber auch viel Angenehmes und Positives entwickelt, denn trotz aller Peinlichkeit des Schauspiels können wir auch erkennen, dass das Thema Europa interessant ist und dass es Hoffnung gibt. Wie schon durch die Wahl Alexander van der Bellens zum Bundespräsidenten im Dezember 2016 - heute sind sogar viele, die ihn nicht gewählt haben, heilfroh, dass er das Amt des Bundespräsidenten innehat und nicht sein damaliger Mitbewerber -, hat Österreich auch gezeigt, dass es rechte Tendenzen und politische Willkür in die Schranken weisen kann.
Als Konsequenz aus den Macht- und Korruptionsphantasien zweier Politiker einer - zum Glück nur noch ehemaligen - Regierungspartei, gibt es jetzt erstmals eine Frau als Bundeskanzlerin und eine Regierung, die sich redlich bemüht, nach eineinhalb Jahren Politik à la Kickl & Co zur Normalität zurückzukehren. Es herrscht das freie Spiel der Kräfte im Parlament, das schon einige Dummheiten wie die Aufhebung des Rauchverbots in der Gastronomie, et cetera entsorgen konnte.
Doch nun zurück zur Europawahl: Auch hier wurden die Hoffnungen der Rechtspopulisten und Rechtsextremen, die sich teilweise schon als zweitstärkste Fraktion in Brüssel gesehen hatten, durch zumindest einige Länder entzaubert. Die Rechtsaußenpartie von Salvini, Le Pen und Vilimsky liegt derzeit nur auf Platz 5 hinter EVP, Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen.
Kommen wir zum Abschneiden der Grünen: Es ist mehr als erfreulich, dass die Idee eines gemeinsamen und solidarischen Europas, in dem niemand zurückgelassen wird, das Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit hochhält und verteidigt und das Antworten auf Herausforderungen wie dem Klimawandel hat, nun stärker im Europäischen Parlament vertreten ist als jede Art der Fremdenfeindlichkeit, Hetze gegen Minderheiten, Korruption und politische Anmaßung.
Zweistellige Wahlergebnisse der Grünen in Ländern wie Deutschland, Luxemburg, Finnland, Belgien, Österreich, Frankreich, Dänemark, Schweden, Großbritannien und Irland, ja sogar in Litauen - und denken Sie auch an unsere Wahlergebnisse -, sind auch darauf zurückzuführen, dass die Überlebenswichtigkeit des Klimaschutzes endlich ins breite Bewusstsein dringt.
Ich kann mich noch gut erinnern, dass die westdeutschen Grünen 1990 aus dem Bundestag rausgewählt wurden, weil sie im damaligen Wahlkampf auf den Klimawandel hingewiesen haben, während sich ganz Deutschland lieber mit der Wiedervereinigungseuphorie beschäftigt hat. Im Europaausschuss haben wir regelmäßig wichtige Berichte über die Arbeit, die gesellschaftspolitische Schwerpunkte behandelt, und die vor allem zeigen, dass wir auch in Wien bestens darüber informiert sind, welche Projekte und Strategien auf Europaebene auf unsere Stadtpolitik Einfluss nehmen. Es entsteht ja so leicht der Eindruck: Was geht uns das an?
Ich nehme nur ein einziges Beispiel heraus, um es zu verdeutlichen: Die Donauraumstrategie trifft uns immer schon hautnah und zeigt, wie eng die Donau - die immerhin jede Wienerin und jeder Wiener kennen und die für alle ein Inbegriff dieser Stadt ist, auch völkerverbindend und ein wichtiger wirtschaftspolitischer Motor - die Länder miteinander verbindet. Sie ist auch klimapolitisch von höchster Relevanz.
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