Gemeinderat, 58. Sitzung vom 18.11.2019, Wörtliches Protokoll - Seite 6 von 30
eine andere. In unserem Fall ist es die Vidierung der Apothekenanforderungen. Die Pflegeberufe, die das jahrzehntelang hervorragend gemacht haben, werden jetzt täglich mindestens ein Mal zwangsweise von der Ärzteschaft kontrolliert. Man muss die gesamte medikamentöse Anforderung des Vortages, manchmal auch desselben Tages, kontrollieren. Bei Sonderanforderungen ist das besonders schwierig, weil man bei Sonderanforderungen erst einmal nachschauen muss, was da überhaupt drinnen ist, weil Sonderanforderung viel sein kann; das kann ein ätherisches Öl sein, das kann ein Hochpreismedikament sein. Der Zeitaufwand für diese, wie wir es nennen, Apothekenmedikamentenvidierung ist nicht zu unterschätzen. Ich nenne es Misstrauensbürokratie - das muss ersatzlos weg.
Das nächste Problem, das es meines Wissens außer in Österreich nur in Deutschland gibt - wie gesagt, das geht über die Grenzen von Wien hinaus, ist aber in Wien deshalb schlagend, weil Wien so schnell wächst -, ist die Verrechnungsbürokratie. Sehr geehrte Damen und Herren, Sie werden wahrscheinlich nicht wissen - woher auch, es ist unlogisch genug -, dass die Ärzteschaft für die Verrechnung im Spital zuständig ist. Das klingt für Sie ein bisschen eigenartig, ist aber so. Auf Grund der LKF-/LDF-Verrechnung, die in Österreich üblich ist, müssen alle Leistungen, die verrechenbar sind - das ist praktisch wie eine Buchhaltung -, von der Ärzteschaft vidiert werden, was natürlich auch einen Zeitaufwand bedeutet. Ich kann mich erinnern, ich war einmal Codierungsbeauftragter - so nennt sich der Arme, der das machen muss - und musste von der interventionellen Ambulanz die Verrechnung von einem Jahr machen. Das hat mich eine ganze Woche gekostet. Da konnte ich eine Woche im Spital nichts anderes als die Verrechnung der interventionellen Ambulanz machen, das war aber nur eine. - Damit Sie nur einmal wissen, was das für ein Aufwand ist. (GRin Martina Ludwig-Faymann: Das muss man aber mit dem Chef besprechen!) Neben dieser Misstrauensbürokratie gehört also auch die Verrechnungsbürokratie ersatzlos weg.
Der nächste Schritt, wenn man jetzt in der Ambulanz oder in der Station sitzt, ist die Mehrfachdokumentation ohne medizinischen Mehrwert. Ich wiederhole diese Floskel und habe diese Floskel so oft wiederholt, dass möglicherweise schon ein paar einschlafen (GRin Martina Ludwig-Faymann: Das hat nichts mit der Floskel zu tun!), aber es ist wirklich wichtig. Während der Abruf von medizinischen Daten relativ flott geht - das funktioniert eigentlich ganz gut -, ist die neue Eingabe von Untersuchungen, zum Beispiel von radiologischen Untersuchungen, mit einem nicht zu vertretenden Mehraufwand verbunden. Ein Beispiel: Ich melde eine CT an und muss diese CT mit dem heutigen Datum eingeben, was auf Grund des Programms nicht anders geht. Nachdem ich das eingegeben habe, rufe ich die Leitstelle im Röntgen an und sage der Leitstelle, dass ich gern eine CT hätte. Die suchen einen Termin aus, ich frage die Stationsschwester, die das handgeschriebene Terminbuch bei sich hat, ob der Patient an dem Tag da ist, diese sagt dann Ja, und ich vergebe den Termin - ein Zeitverlust von, würde ich sagen, ungefähr 3 bis 4 Minuten pro Patient. Ich habe mir erlaubt, zusammenzurechnen, wie viele Minuten pro Tag mindestens verloren gehen, ohne dass die Behandlungsqualität auch nur irgendetwas damit zu tun hat, und komme auf mindestens 35 Minuten pro Tag. Das ist bei einer mittelgroßen Abteilung ein Dienstposten. Ich bitte, diesen Punkt zu akzeptieren: Wird die Bürokratie auf ein gewisses Maß reduziert, ohne dass die medizinische Qualität darunter leidet, kann man durchaus so viel Zeit des medizinischen Personals frei machen, dass dies einem Dienstposten entspricht.
Der nächste Abschnitt, der natürlich immer wieder für böses Blut sorgt, betrifft die Wartezeiten. Ich möchte mir hier die Wartezeiten von zwei Bereichen vornehmen, der eine ist die Notaufnahme, der andere sind die Schmerzambulanzen. Wir haben in der Notaufnahme Wartezeiten von manchmal sechs Stunden, von manchmal neun Stunden. Das hängt auch damit zusammen, dass die Zusammensetzung der Notfallambulanzen - diesbezüglich gibt es auch einen Rechnungshofbericht der Stadt Wien - nicht optimal ist. Grundsätzlich gilt, dass in der Notfallambulanz eigentlich die Besten der Besten arbeiten sollten, die keine Absicherungsuntersuchungen brauchen, die sehr schnell agieren und die vor allem auch die Autorität haben, das Belagsrecht umzusetzen.
Belagsrecht bedeutet: Ich habe ambulant einen Notfall, es kommt ein Patient, der keine Luft bekommt, ich rufe die Kollegen in der Lungenabteilung an und sage: Der hat keine Luft, der hat einen niedrigen O2, nehmt ihn auf! Wenn das ein Turnusarzt macht und anruft, bekommt er unter Umständen zu hören: Ihr habt eh eine Station, wir haben keine Zeit. - Wenn das jemand macht, der sich wirklich auskennt, dann funktioniert das auch. Es ist so, dass auf dem Papier das Belagsrecht besteht, dass die Notfallaufnahme zu einer Spezialaufnahme sagen kann: Ihr nehmt den Patienten auf! Die Wirklichkeit sieht aber anders aus. Wenn der Patient nicht sofort auf die Spezialabteilung verlagert wird, haben sie natürlich draußen im eigenen Warteraum nicht nur die 10, 15, 20 anderen Notfallpatienten, sondern auch den, der die Problematik hat. Ihr Personal, das sie haben, ist blockiert. Sie können erstens die neuen Patienten begutachten und zweitens jenen, der von der Spezialabteilung nicht übernommen wird, auch noch behandeln.
Diesbezüglich gibt es - man muss das Rad ja nicht neu erfinden -, in Großbritannien das sogenannte „four-hour target in emergency departments“, bei dem ganz einfach priorisiert wird. Es wird - und da kann ich auch ein bisschen die frühere Gesundheitsministerin Rendi-Wagner zitieren - ein absolutes Limit der Wartezeit postuliert. Es sind vier Stunden, das ist die oberste Priorität, und alles andere hat sich an diesen vier Stunden zu richten. Das heißt, unter Umständen muss man den kompletten Krankenhausbetrieb umkrempeln, den gesamten Ambulanzbetrieb ändern, damit man auf diese vier Stunden maximale Wartezeit kommt. Das ist etwas, das nichts Neues ist, was ich aber dem sehr geehrten Herrn Stadtrat absolut empfehlen möchte. Sie brauchen eine maximale Wartezeit in der Notfallambulanz, und Sie
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular