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Gemeinderat, 58. Sitzung vom 18.11.2019, Wörtliches Protokoll  -  Seite 7 von 30

 

brauchen dort, wie schon vorher erwähnt, die Besten der Besten, damit sie Absicherungsuntersuchungen vermeiden.

 

Die nächste Problematik besteht an sich österreichweit - das ist meines Wissens bis auf Graz, Steiermark in allen Bundesländern gleich -, ich erwähne sie trotzdem, nämlich die Schmerzambulanzen. Wir haben da eine Wartezeit, wenn man sich als chronischer Schmerzpatient für einen Erstvorstellungstermin anmeldet, von zwei Monaten. Das ist eigentlich nicht erklärbar, es ist nicht tolerierbar. Ich verstehe es nicht, und nur die Tatsache, dass es in anderen Bundesländern auch so ist, macht das eigentlich nicht besser. Was mich ein bisschen überrascht, ist die gewisse - wenn ich mir erlaube - Halsstarrigkeit, wenn ich auf die Schmerzambulanzen, vor allem auf die Kinderschmerzambulanzen, hinweise. Da wird irgendwie banalisiert: Das braucht man nicht. Wozu? - Ich erlaube mir, daran zu erinnern, dass Kinder, damit meine ich Säuglinge und Kleinkinder, sich nicht äußern können und dass man eine besondere Erfahrung haben muss, wie man bei Kindern, wie man bei Säuglingen oder Personen, die in eingeschränkter Kommunikation sind, die Schmerzsituation erkennt. Da gibt es eigene Scores, da gibt es eine eigene Ausbildung.

 

Wir haben uns wiederholt erlaubt, auf die Notwendigkeit von Kinderschmerzambulanzen und speziellen Ausbildungen hinzuweisen. Das wurde eigentlich irgendwie freundlich ignoriert. Man war nicht böse, aber man hat es irgendwie übergangen. Ich würde das eigentlich nicht tun. Sieht man sich den deutschsprachigen Raum an, so gibt es überall Kinderschmerzambulanzen - in Wien nicht!

 

So en passant möchte ich die Primärversorgungseinheiten streifen, die auch hier in der Risikoanalyse angeführt wurden, was ich ehrlich gesagt nicht ganz verstehe. Möglicherweise sind die Personen, die die Risikoanalyse geschrieben haben, mit der Gesetzeslage nicht ganz vertraut. Die Primärversorgungseinheiten sind grundsätzlich Sache der Krankenkassen und nicht Sache der Gemeinde Wien. Das heißt, die Gemeinde Wien hat eigentlich das Pech, weil die Krankenkassen jahrzehntelang ihre Arbeit nicht gemacht haben, jahrzehntelang die Allgemeinmedizin beschädigt haben, jahrzehntelang Ordinationsgemeinschaften von Allgemeinpraktikern verhindert und boykottiert haben, nur um ihre eigene PVE- oder PHC-Kopfgeburt umzusetzen, dass sie natürlich jetzt vor den Scherben einer Idee steht. Eine PVE, eine Primärversorgungseinheit, ist nichts anderes als eine Ordinationsgemeinschaft mit einem sauschlechten Vertrag. Sie können sich vorstellen, sehr geehrte Damen und Herren, in eine ärztliche Tätigkeit mit einer hohen Verantwortung und mit einem sauschlechten Vertrag wird keiner einsteigen. Ich glaube, diesbezüglich muss man den Ball eigentlich an die Krankenkasse weitergeben, wobei ich natürlich den Bürgermeister als Landeshauptmann nicht aus der Verantwortung entlassen kann, weil der Landeshauptmann für alles verantwortlich ist, auch für die Performance der Krankenkassen. Schließlich gibt es ja sowohl in der Zielsteuerungskommission als auch in der Gesundheitsplattform …, gibt es vom Ministerium, das ist die Aufsichtsbehörde der Krankenkassen. Das Ministerium war jahrzehntelang in den Händen der Sozialdemokraten. Also hier hätte man eigentlich schon seit Jahrzehnten in Wien sagen können: Bitte macht etwas, macht die Allgemeinmedizin nicht kaputt, baut Gemeinschaftspraxen aus, damit man die 24-Stunden-Versorgung tatsächlich umsetzen kann.

 

Jetzt einmal etwas Positives, man muss ja nicht immer etwas Negatives sagen: Unser langjähriger Vorschlag, dass alle Fondsspitäler eine 24-Stunden-Versorgung übernehmen müssen, wird erfreulicherweise im Rahmen der Gesundheitsplattform umgesetzt. Dafür möchte ich mich bedanken. Wenigstens ein Punkt, der von uns seit langer Zeit vorgeschlagen wurde, der jetzt auch tatsächlich von der Stadt Wien umgesetzt wird. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Was leider zu wenig oder gar nicht umgesetzt wird, ist die Übergangspflege. Übergangspflege steht zwischen der akuten Behandlung von - ich sage jetzt nicht Patienten - älteren Herrschaften und einer Permanentpflege. Der Sinn einer Übergangspflege ist, zu mobilisieren, die Patienten wieder nach Hause in eine häusliche Pflege zu bringen. Das ist natürlich ein höherer Aufwand als die normale permanente Pflege, benötigt natürlich eine eigene Finanzierungsidee, benötigt natürlich auch anderes Personal. Ich muss ehrlich sagen, im Bereich der Übergangspflege sehe ich nicht viel Bewegung, denn eine gute Übergangspflege bedeutet, dass von den älteren, noch nicht pflegebedürftigen Herrschaften ein doch erheblicher Prozentsatz wieder nach Hause kann. Das ist für die Patienten besser, für die Angehörigen besser und natürlich auch für unser Finanzsystem besser. Auch hier kann ich nur anraten: Nehmen Sie sich der Übergangspflege an, helfen Sie den älteren Patienten, wieder nach Hause zu kommen!

 

Jetzt werde ich einmal den Spitalsbereich und den niedergelassenen Bereich verlassen und den allgemeinen gesundheitspolitischen Bereich der Gemeinde Wien anvisieren. Sie werden sicherlich das Schlagwort „Health in All“, Gesundheit in allem, kennen. Hier benötigt man, unabhängig von der Versorgung durch Spitäler, intramurale, extramurale Versorgung, auch eine Mehrfachstrategie, und zwar die Gesundheitserziehung. Die Gesundheitserziehung sollte ein Gesellschaftsthema sein, in allen sozialen Bereichen, in allen Bereichen, auch im Bereich des Migrationsstroms, im Bereich der Wiener Bevölkerung. Es muss interessant sein, ein Thema sein, etwas Wichtiges sein, Gesundheitserziehung zu lernen, zu wissen, was man bei banalen Sachen wie einer einfachen Wundversorgung oder Fieber oder einem Schnupfen macht. Diesbezüglich sehen wir in der Gesundheitserziehung für alle sozialen Gruppen ein sehr hohes Potenzial. Dazu gehört natürlich auch - aber das wäre ein eigenes Thema, eine eigene Gemeinderatssitzung wert - die Konfliktvermeidung im Schulbereich, denn was sich in der Schule an gesundheitlichen Problemen ansammelt, ist in den nächsten Jahrzehnten fast nicht zu schaffen und auch für das Gesundheitssystem und die sozialen Bereiche eine hohe Belastung.

 

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